Auf den ersten Blick sehen sie schön flexibel aus: Minijobs. Für beide Seiten: Wer schnell mal einen Nebenjob sucht, kommt so zu einem Zuverdienst. Und Unternehmen können so auch mal schnell ein paar fleißige Helfer einstellen. Aber es ist wie mit allen flexiblen Arbeitsmodellen: Auch sie haben Auswirkungen auf den eigentlichen Arbeitsmarkt und die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse. Keine guten, wie der DGB feststellt.

Besonders in Kleinbetrieben verdrängen Minijobs sozialversicherte Beschäftigungsverhältnisse, bilanziert der DGB auch für die Region Leipzig. So waren Ende Juni 2021 in der Stadt Leipzig in kleinen Betrieben mit unter 10 Beschäftigten 25,4 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse Minijobs.

Über alle Betriebsgrößen hinweg waren es 11,2 Prozent. In größeren Betrieben mit 250 und mehr Beschäftigten waren hingegen nur 6,9 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse geringfügig entlohnt.

Insgesamt gab es in der Stadt Leipzig 282.784 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und 35.976 Minijobs. Das geht aus einer Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit für den Deutschen Gewerkschaftsbund hervor.

„Die Daten zeigen: Minijobs verdrängen gute, sozial abgesicherte Arbeit. Sie sind kein Sprungbrett, sondern für viele Menschen eine berufliche Sackgasse, vor allem in kleineren Unternehmen. Gerade in kleineren Betrieben ändert sich das durch die geplante Reform nicht automatisch. Zwar setzen die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr sprunghaft ein, wenn die Minijobgrenze überschritten wird. Für Beschäftigte wird es also etwas attraktiver als bislang, mehr zu arbeiten. Doch in kleineren Betrieben sind es oft die Arbeitgeber, die auf Minijobs setzen“, sagt Manuela Grimm, DGB-Regionsgeschäftsführerin Leipzig-Nordsachsen.

Den negativen Effekt der Minijobs weist eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nach: Demzufolge verdrängen Minijobs in Kleinbetrieben mit bis zu neun Beschäftigten knapp 500.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Ein zusätzlicher Minijob‘ ersetzt dort im Mittel eine halbe durchschnittliche sozialversicherungspflichtige Stelle.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Bundesfamilienministerium. Dabei gehen die Zahlen der Minijobber im Haupterwerb seit 2013 sogar leicht zurück. Das kann einerseits bedeuten, dass Menschen, die zuvor nur einen Minijob bekommen konnten, in eine feste Anstellung wechseln konnten. Es kann aber auch bedeuten, dass vermehrt zweite und dritte Minijobs angenommen werden. Denn die Zahl der Minijobber im Nebenerwerb steigt seit 2003 kontinuierlich an.

Geringfügig Beschäftigten fehle außerdem weitgehend der Schutz der Sozialversicherung, warnt der DGB. Sie haben keinen Anspruch auf Krankengeld, Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld. Entscheiden sie sich gegen die im Minijob optionale Rentenversicherungspflicht, kann sich dies nachteilig auf Rentenansprüche und andere Leistungen der Rentenversicherung auswirken.

„Minijobs sind viel zu oft sicheres Ticket in die Altersarmut“, mahnt Grimm.

„Wenn es noch eines Beweises bedurfte, wie fatal die fehlende soziale Absicherung im Minijob sein kann – die Pandemie hat die Folgen eindrücklich aufgezeigt. 2020 haben hunderttausende Menschen in Deutschland innerhalb kürzester Zeit ihren Minijob verloren – ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld. Trotzdem will die neue Bundesregierung Minijobs sogar noch ausweiten. Das ist absolut nicht nachvollziehbar“, kritisiert Grimm.

Der DGB fordert deshalb, Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umzuwandeln und dabei die Beschäftigten finanziell zu entlasten. Die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze lehnt der DGB ab. Sie würde geringfügige Beschäftigung ausweiten, sodass noch mehr Menschen ohne umfassenden Sozialversicherungsschutz arbeiten als bislang.

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