Wenn die Wirtschaft kriselt, werden die einst viel gepriesenen Mini-Jobs zur Falle für die, die mit ihnen ihr kärgliches Budget aufstocken. In Leipzig sind im vergangenen Jahr rund 3.600 geringfügig entlohnte Arbeitsverhältnisse weggefallen. Innerhalb von zwölf Monaten sank ihre Zahl um neun Prozent auf zuletzt 36.000, wie die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt mitteilt.

Die IG BAU beruft sich hierbei auf neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.

„Der Rückgang zeigt, dass Minijobs alles andere als krisenfest sind. In unsicheren Zeiten kürzen Firmen zuerst bei den 450-Euro-Kräften, die allerdings weder Anspruch auf das Kurzarbeiter- noch auf das Arbeitslosengeld haben“, kritisiert Bernd Günther. Der Bezirksvorsitzende der IG BAU Nord-West-Sachsen fordert deshalb, Lehren aus der
Pandemie zu ziehen und Betroffene besser zu schützen. Minijobs müssten ab dem ersten
Euro sozialversicherungspflichtig werden.

In der Gebäudereinigung seien prekäre Arbeitsverhältnisse besonders stark verbreitet und
würden insbesondere für Frauen zum Karriere- und Armutsrisiko. Laut Arbeitsagentur
zählten die Reinigungsfirmen in Leipzig Ende vergangenen Jahres rund 1.800 Beschäftigte, die einen Minijob als alleiniges Einkommen haben. Das sind 20 Prozent aller
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Branche. Die IG BAU rät Beschäftigten, die
während der Pandemie ihren Minijob verloren haben oder um dessen Verlust fürchten, Hilfe bei der Gewerkschaft zu suchen.

„Die Politik setzt mit den abgabenfreien Minijobs schon seit Jahren falsche Anreize. Die
Coronakrise hat klargemacht, dass diese Stellen eine arbeitsmarktpolitische Sackgasse
sind. Es ist höchste Zeit, die Sozialversicherungsfreiheit für 450-Euro-Jobs abzuschaffen“,
so Günther. Nur wenn für die Beschäftigten künftig Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken-,
Pflege- und Rentenversicherung gezahlt würden, könnten sie wirksam geschützt werden.

Es sei zu begrüßen, dass sich auch SPD, Grüne und Linke für eine grundlegende Reform
der Minijobs einsetzten. Die nächste Bundesregierung müsse das Thema dringend
anpacken. Die von der Union geforderte Anhebung der Verdienstgrenze auf 550 Euro sei
hingegen der falsche Weg und würde die prekäre Beschäftigung ausbauen, statt sie
einzudämmen, warnt die IG BAU.

Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung sind im Zuge der Corona-Pandemie
bundesweit 870.000 Minijobs verloren gegangen. Die Autoren plädieren dafür, solche
Stellen in die Sozialversicherungspflicht einzubeziehen und gleichzeitig niedrige
Einkommen deutlich geringer zu besteuern. Damit könnten bis zum Jahr 2030 knapp
170.000 zusätzliche Teilzeit-Jobs entstehen.

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