Eigentlich wissen es alle: Moderne Politik braucht Transparenz, möglichst große Bürgernähe und Teilhabe. Das wurde bei der Diskussion ums Freiheitsdenkmal wieder deutlich. Das wurde auch in all den Diskussionen um Schulen, Parkhäuser, Einkaufscenter deutlich. Gerade dort, wo sich die Stadtratsmehrheit über das Votum der Stadtbezirksbeiräte hinwegsetzte.

Denn mehr als eine empfehlende Funktion haben sie derzeit nicht. Obwohl die Stadtratsmitglieder vor Ort die eigentliche Kompetenz bündeln. Doch wie weit lässt man das zu? – Darüber grübelt der innere Verwaltungszirkel seit Jahren nach.

Bereits Ende Juni 2011 brachte die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ihren Antrag “Einführung der Ortschaftsverfassung auf Stadtbezirksbeiratsebene – Änderung der Hauptsatzung” ins parlamentarische Verfahren ein. Nach einer zentralen Informationsveranstaltung vor der Sommerpause und nach Einzelberatungen in den Gremien liegen nun alle Voten der Stadtbezirksbeiräte zum Grünen-Antrag vor. Jüngst erst vermeldeten die Stadtbezirksbeirate von Süd und Ost ihre Zustimmung zur Aufwertung als Ortschaftsrat.

Tim Elschner, Mitglied des Stadtbezirksbeirates Leipzig-Mitte dazu: “Das engagierte Eintreten von einer breiten Mehrheit der Mitglieder der zehn Stadtbezirksbeiräte für die Gleichstellung der Stadtbezirksbeiräte mit den Ortschaftsräten im Rahmen der Informationsveranstaltung und bei der weiteren Beratung in ihren Gremien hat uns gezeigt, dass es richtig war, dass die Stadtratsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen diesen Antrag im letzten Jahr eingebracht hat.”

Elschner zeigt sich in diesem Zusammenhang auch über die Beweglichkeit der Verwaltung erfreut, nachdem diese die Anregungen der Stadtbezirksbeiräte aufgenommen und ihren ursprünglichen Verwaltungsstandpunkt zum Rederecht präzisiert hatte. So sieht der Verwaltungsstandpunkt erstmals ein Rede- bzw. Anhörungsrecht der Stadtbezirksbeiräte zu “wichtigen Angelegenheiten” in der Ratsversammlung vor.

Außerdem wurde eine Absenkung des Quorums zur “wichtigen Angelegenheit” vorgenommen und dieses Instrument insgesamt deutlich erweitert. Des Weiteren soll es künftig reichen, dass eine “wichtige Angelegenheit” von einer einfachen Mehrheit der Mitglieder eines Stadtbezirksbeirates beschlossen wird. Bislang kann eine “wichtige Angelegenheit” nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln – mindestens jedoch sechs – ihrer Mitglieder beschlossen werden. Zudem sollen Stadtbezirksbeiräte über die “wichtige Angelegenheit” künftig auch Ergänzungs- und Änderungsanträge zu Drucksachen der Verwaltung, oder zu Anträgen der Stadtratsfraktionen, oder einzelner Stadträte, stellen können.

“Zwar gehen die Vorschläge der Verwaltung in die richtige Richtung, allerdings zeigt der Verwaltungsstandpunkt auch, dass eine vollständige Gleichstellung der Stadtbezirksbeiräte mit den Ortschaftsräten immer noch nicht gewollt ist, obwohl die Ausdehnung der Ortschaftsverfassung auf die Stadtbezirksbeiratsebene unstrittig möglich ist”, erklärt Elschner.Jürgen Kasek, Mitglied des Stadtbezirksbeirates Leipzig-West und Vorstandsprecher der Leipziger Grünen: “Wir fordern die Stadtratsfraktionen auf, das eindeutige Votum der Stadtbezirksbeiräte anzuerkennen. Die Ratsversammmlung möge in der Oktober-Sitzung den Weg hinsichtlich der Einführung der Ortschaftsverfassung auf Stadtbezirksbeiratsebene frei machen, so dass zur Kommunalwahl 2014 erstmals die Stadtbezirksbeiräte ebenso wie die Ortschaftsräte direkt gewählt werden können.”

Aber nicht nur die Stadtverwaltung scheut sich, die manchmal recht selbstbewussten Stadtbezirksbeiräte aufzuwerten. Die gerade im Herzen der Stadt noch selbstbewusster werden dürften, wenn sie nicht – wie bislang – nach Wahlproporz besetzt, sondern direkt gewählt werden.

“Angesichts einer vorgesehenen deutlichen Erweiterung der Kompetenzen der Stadtbezirksbeiräte liegt es unserer Ansicht nach in der Natur der Sache, dass auch die Beiräte künftig durch eine Direktwahl von den Bürgerinnen und Bürger legitimiert werden müssen. Für uns ist unverständlich, dass neben der Verwaltung auch insbesondere einige CDU-Stadtbezirksbeiräte augenscheinlich wenig Gefallen an einer Direktwahl der Gremien finden”, meint Kasek. “Besonders vor dem Hintergrund, dass die Leipziger CDU und ihr OBM-Kandidat in der Diskussion um das Freiheits- und Einheitsdenkmal gerade erst ihr Herz für die Bürgerbeteiligung und die direkte Demokratie entdeckt haben.”

Kasek ist auch davon überzeugt, dass die weitere Demokratisierung der Stadtbezirksbeiratsebene die Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger weiter erhöht. Zu bedenken gibt er aber: “Obwohl die Sitzungen der Stadtbezirksbeiräte öffentlich sind und die Bürgerinnen und Bürger in den Gremien vor Ort die Möglichkeit haben, auch mit der Verwaltung sowie den Antrag stellenden Stadtratsfraktionen ins Gespräch zu kommen, ist vielen Bürgerinnen und Bürger die Arbeit und die Bedeutung der Stadtbezirksbeiräte gleichwohl unbekannt.” Seiner Ansicht nach bedürfe es des Weiteren einer gezielten Informationsoffensive der Verwaltung, dies künftig zu ändern.

Und so haben die Stadtbezirksbeiräte zum Antrag “Einführung der Ortschaftsverfassung auf Stadtbezirksbeiratsebene – Änderung der Hauptsatzung” im Einzelnen abgestimmt (Zustimmung / Ablehnung / Enthaltung):

Mehr zum Thema:

Mehr Bürgernähe in Leipzig: Stadtbezirksbeirat Süd stimmt für Ortschaftsrat
Bürgerbeteiligung heißt auch: Gewählte Gremien …

Grünen-Antrag: Leipzigs Stadtbezirksbeiräte sollen zu Ortschaftsräten aufgewertet werden
Bürgerbeteiligung ist ein heißes Eisen …

Leipzig-Altwest: 7 / 0 / 1
Leipzig-Nordost: 7 / 0 / 0
Leipzig-Süd: 4 / 2 / 2
Leipzig-Nord: 7 / 0 / 0
Leipzig-Nordwest: 8 / 0 / 1
Leipzig-West: 6 / 0 / 2
Leipzig-Ost: 6 / 1 / 1
Leipzig-Südwest: 3 / 2 / 3
Leipzig-Mitte: 5 / 1 / 1
Leipzig-Südost: 2 / 1 / 4

Der Antrag als PDF: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/C53BD9505557B80EC12578BD004E5AF0/$FILE/V-a-174.pdf

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar