Noch sind nicht alle Kandidatinnen und Kandidaten für die Leipziger OBM-Wahl am 27. Januar 2013 benannt und gewählt. Vier stehen fest, zwei folgen in den nächsten Wochen. Aber Dr. Barbara Höll, von der Linken zur Kandidatin gewählt, startete am Freitag, 31. August, ganz offiziell in den Wahlkampf. Das Ziel der Linken ist diesmal tatsächlich Platz 1.

Bei ihrer letzten Kandidatur als OBM-Kandidatin der Linken 2005 gegen den damaligen Amtsinhaber Wolfgang Tiefensee (SPD) erreichte Barbara Höll ein achtbaren zweiten Platz. 2006, als Burkhard Jung (SPD) sich zur Wahl stellte, trat sie nicht wieder an, weil sie im Vorjahr für die Linke in den Bundestag eingezogen war, wo sie derzeit finanzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist. Dr. Dietmar Pellmann, Landtagsabgeordneter der Linken, schaffte 2006 nur den 3. Platz. “Nach zwei Mal Silber und einmal Bronze wollen wir jetzt Gold”, sagt Dr. Volker Külow, der Kreisvorsitzende der Linken, der seine Partei mittlerweile stark genug sieht, die SPD in ihrem Abonnement beim OBM-Posten anzugreifen.

“Im Stadtrat ist die SPD schon längst nur noch die drittstärkste Fraktion”, sagt er.

Womit man bei den Zahlenspielen wäre, die auch OBM-Wahlen in Leipzig nicht berechenbar machen, auch wenn die SPD mittlerweile in vier OBM-Wahlen stets den Sieger stellte.

Stärkste Fraktion im Stadtrat ist augenblicklich die CDU, die 2009 genauso vom Wahlsieg der CDU im Bund profitierte, wie die SPD damals unter der schlechten Performance auf Bundesebene litt. Vielen Leipziger Wählern ist sehr wohl bewusst, wie stark die politischen Spielräume einer Stadt wie Leipzig von den Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene abhängen. Über die Arbeitsmarktpolitik wirkt die Bundesregierung direkt in den Haushalt der Stadt Leipzig hinein. Und das betrifft eben über 74.000 Betroffene in Leipzig direkt, eher noch mehr. Denn bei einer Armutsquote von über 30 Prozent ist jeder dritte Leipziger von den tollkühnen oder zuweilen gnadenlosen Einfällen von Ministerinnen und Ministern in Berlin abhängig.

Und das, obwohl Leipzig eine wachsende Stadt ist. Eine prosperierende noch nicht, auch wenn Burkhard Jung von der gestiegenen Kaufkraft in Leipzig schwärmt. Denn über steigende Einkommen freut sich tatsächlich nur jenes Drittel der Leipziger, das gut bezahlt in diversen mittleren und höheren Verwaltungsebenen untergebracht ist. Viele Leipziger – zu denen auch 17.000 Alleinerziehende gehören – sind weiterhin ausgegrenzt, kritisiert Barbara Höll, die deshalb die “Solidarstadt” Leipzig als ersten Punkt auf ihre Wahlkampf-Agenda geschrieben hat. “Denn in unserer Stadt bündeln sich die Problemlagen der Entwicklung im Osten Deutschlands wie in einem Brennglas”, sagt sie. “Die großen Unternehmensansiedlungen sind gelungen, jetzt gilt es, die mittelständische Wirtschaft in solides Fahrwasser zu bringen. Die Menschen in Leipzig müssen als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Leistungszuwachs der Wirtschaft beteiligt werden.”

Sie führt auch das keineswegs berauschende Durchschnittseinkommen an: 1.162 Euro für die Männer, 964 Euro für die Frauen. Das liegt beides deutlich unterm sächsischen und erst recht unterm bundesdeutschen Durchschnitt. Was dann zu den enormen Sozialausgaben der Stadt führt, die den Haushalt immer stärker belasten. Mittlerweile auch verstärkt bei den Rentnern, von denen immer mehr keine zum Leben auskömmliche Rente mehr haben. “Altersarmut ist durch gebrochene Lebensläufe praktisch programmiert für viele Leipziger”, so Höll.Gleichzeitig steigen die Geburtenraten, fehlen Kindertagesstätten und Schulen. “Der Kompromiss, mit dem die drei Kreisfreien Städte in Sachsen jetzt mehr Geld zum Schulhausbau bekommen, hat einen Hinkefuß”, sagt Höll. “Es sind im Doppelhaushalt 2013/2014 vorerst keine Gelder für den Kita-Ausbau in den Großstädten vorgesehen. Der Freistaat lässt die Kommunen wieder allein mit diesem Problem.”

Was für sie heißt: Sie will in Dresden deutlich präsenter sein als der derzeitige Amtsinhaber und für ein Ende der Benachteiligung Leipzigs kämpfen. “Und wenn ich die Leipziger Bürgergesellschaft hinter mir weiß, geht das”, sagt sie.

Der zweite Punkt ist die “Wirtschaftsstadt”, denn ohne eigenständige Wirtschaft kann keine Kommune irgendwas anpacken. Was für Höll aber auch heißt: Schluss mit den schleichenden Privatisierungen kommunaler Unternehmen. Und auch das Zusammenstreichen der “Arbeitsmarktinstrumente” durch die Bundesregierung hat in vielen Leipziger Haushalten die Lage verschärft. Gerade im sozialen Bereich sind dadurch viele Strukturen in den letzten Monaten zusammengebrochen. Als erste Oberbürgermeisterin Leipzigs will sich Barbara Höll deshalb für ein Modellprojekt für öffentlich geförderte Beschäftigung einsetzen.

Mit dem dritten Schwerpunkt “Bürgerstadt” will sie die großen Themen Bürgerbeteiligung, Transparenz und Informationspolitik angehen. Da sei, sagt sie, etwa bei der Ansiedlung von Supermärkten, bei der Verkehrsplanung oder beim Einheits- und Freiheitsdenkmal viel Vertrauen in der Bürgerschaft verspielt worden. Was nach ihrer Einschätzung auch in der Verwaltung so stattfinde: Verwaltungsabläufe seien intransparent, Entscheidungen fielen ad hoc, ohne Einbeziehung der Rathausmitarbeiter. Auch das will sie ändern. Sie will eine kommunikative Bürgermeisterin werden und Entscheidungsabläufe wieder nachvollziehbar machen.

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Vierter Schwerpunkt in ihrem Wahlprogramm ist die “Kulturstadt”. Wobei sie betont: Leipzig ist eine Kulturstadt, das Angebot befindet sich auf höchstem Niveau. Doch für sie ist die Sanierung der “Musikalischen Komödie” bis 2020 genauso ein Arbeitsschwerpunkt wie der Bau eines attraktiven Naturkundemuseums – ebenfalls bis 2020. Und die Freie Szene müsse endlich solide finanziert sein und die Verantwortung für die Kultur gehöre, “unabhängig von der Person”, wieder in eine Hand.

Ihr vorläufiges Wahlprogramm soll in den nächsten Tagen an 1.000 Empfänger in Leipzig versandt werden. “Darunter auch etliche, die nicht zu unserem traditionellen Wählerklientel gehören”, betont Volker Külow. Man sei durchaus gespannt auf die Rückmeldung aus der Zivilgesellschaft und wolle diese auch ins endgültige Wahlprogramm übernehmen.

www.hoell-fuer-leipzig.de

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