Für CDU-Stadtrat Marcus Mündlein war es am 24. April seine Premiere als Stadtrat am Rednerpult in der Ratsversammlung. Im März erst rückte er an Stelle von Andreas Habicht in den Stadtrat nach. Und man merkte ihm seine Freude an, jetzt auch erstmals eins seiner Herzensthemen am Rednerpult austragen zu können. Aus Sicht der CDU-Fraktion war es nicht einmal das erste Mal, denn seit Jahren prescht sie immer wieder mit Anträgen vor, den Radverkehr von den Hauptstraßen herunterzubekommen.

Befeuert wurde diese Haltung durch die seit 2022 auf dem Promenadenring aufgetragenen neuen Radfahrstreifen in „Verkehrsgrün“, die in einigen Abschnitten des Rings überhaupt erst einmal geregelte Verhältnisse für Radfahrer schaffen. Das Projekt ist noch lange nicht beendet, es fehlen noch mehrere Anschlussstücke.

Und gewiss hat Mündlein recht, wenn er sagt, dass es statistisch sicherer ist, auf Fahrradstraßen zu fahren als auf Radwegen an Hauptverkehrsstraßen.

Und es hört sich immer gut an, wenn die CDU-Fraktion beantragt, den Radverkehr deshalb auf parallele Fahrradstraßen zu verlagern: „Die Stadtverwaltung prüft die Verlagerung der Radverkehrsstreifen auf Leipziger Hauptverkehrsstraßen in geeignete Nebenstraßen mit Ausweisung dieser als neue Fahrradstraßen.“

Es klingt sogar logisch, wenn es im CDU-Antrag heißt: „Zu viele Verkehrsarten müssen sich heute gleichzeitig den Straßenraum teilen. Es kommt immer häufiger zu gefährlichen Situationen, Staus und einem ausgebremsten ÖPNV und der für Leipzig wichtige Wirtschafts- und Sozialverkehr (Kranken- und Altenversorgung) erreicht nur verspätet sein Ziel oder meidet die Kernstadt.

Gleichzeitig werten viele Leipziger das Radfahren auf den Hauptverkehrsstraßen als unangenehm und unsicher.

Über verkehrsarme Nebenstraßen kann ein Netz sicherer und schlüssiger Verbindungen für Radfahrer entstehen, durch Ausweisung dieser als neue Fahrradstraßen. Beispielhaft wäre die Schreberstraße im Bachstraßenviertel zu nennen. Mit ihr als gut ausgebaute und markierte Fahrradstraße würde man einen echten Lückschluss erreichen und viele bei Radfahrer beliebte Ziele, wie Arena und Stadthafen mit Johannapark und Auwald, sinnfällig miteinander verknüpfen.“

Ein Antrag, der nicht für den Alltag taugt

Nur wollen nicht alle Radfahrer zur Arena, zum Stadthafen oder in den Auwald. Viele – sogar die meisten – wollen zur Arbeit in der City, zur Uni, zur Schule, zum Einkauf. Und das oft schnell, denn sie haben genau denselben Termindruck wie die Autofahrer.

Und eins geht gar nicht, erklärt das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) in seiner Stellungnahme sehr ausführlich: Die Radfahrer von den Hauptverkehrsstraßen zu verbannen.

„Grundsätzlich muss beachtet werden, dass bei Einrichtung einer Fahrradstraße im Nebennetz, die Radverkehrsanlage auf der Hauptverkehrsstraße nicht entfallen kann. Entsprechend den Vorschiften der StVO und den technischen Regelwerken ist aus Gründen der Verkehrssicherheit schon auf Grund der hohen Kfz-Verkehrsmengen auf Hauptverkehrsstraßen die Anordnung von Radverkehrsanlagen in den meisten Fällen weiterhin erforderlich.

Ein kompletter Ausschluss des Radverkehrs auf innerstädtischen Straßen ist, wie auch das Urteil des OVG Bautzen 2018 mit Blick auf den Promenadenring gezeigt hat, rechtlich weder zulässig noch zielführend, da immer ein Ziel- und Quellverkehr von Radfahrenden in innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen auftreten wird. Bei Hauptverkehrsstraßen, deren Querschnitte keine für die Radverkehrsmengen notwendigen Breiten der Radverkehrsanlagen zulassen, ist eine Ergänzung um Fahrradstraßen im parallelen Nebennetz jedoch durchaus denkbar und sinnvoll“, kann man da lesen.

Nur dieser am Ende seltsame Autofahrerwunsch, die Radfahrer von „ihren“ Hauptverkehrsstraßen zu verbannen, das geht gar nicht. Auch nicht beim Promenadenring. Worauf auch Grünen-Stadträtin Kristina Weyh in ihrer Rede hinwies. Denn während Mündlein gähnende Leere auf den neu angelegten Radfahrstreifen ausgemacht hat, erlebt sie als Radfahrerin, dass viele Radfahrstreifen überfüllt sind, denn immer mehr Menschen sind darauf im Alltag mit dem Rad unterwegs.

Wenn Fahrradstraßen, dann zusätzlich

Immerhin überlegenswert fand das VTA, zusätzlich parallele Fahrradstraßen auszuweisen: „Dabei erfordert die Umwidmung einer Straße zur Fahrradstraße die bekannten umfangreichen Vorarbeiten. So sind vor einer Anordnung neben der Ermittlung der Verkehrsmengen auch Untersuchungen zur Vermeidung von Kfz-Verkehr in der potenziellen Fahrradstraße, etwa durch die sinnvolle Positionierung von modalen Filtern (Durchfahrbarrieren für den Kfz-Verkehr), nötig.

Das zu betrachtende Nebennetz muss zudem eine entsprechende Qualität aufweisen, um auch ganz praktisch als attraktive alternative Verbindung zu den meist direkteren Hauptverkehrsstraßen zu funktionieren.“

Und so etwas wird ja im aktuellen Radverkehrsentwicklungsplan auch betrachtet. Weshalb sich FDP-Stadtrat Sven Morlok wunderte, dass die CDU-Fraktion einen Extraantrag gestellt hat, statt einen Änderungsantrag zum Radverkehrsentwicklungsplan zu schreiben, der im Mai zur Abstimmung in den Stadtrat kommen soll.

War der CDU-Antrag also auch wieder nur ein Versuch, im aktuellen Stadtratswahlkampf Aufmerksamkeit zu bekommen? Auch wenn nicht: Es ist seit 2023 ein Dauerthema für die CDU-Fraktion, gerade die Verbesserungen für den Radverkehr auf dem Ring immer wieder in Zweifel zu ziehen. Mit Zahlen, die eher selektiv wahrgenommen werden, wie Kristina Weyh betonte.

Erst einmal braucht es ein funktionierendes Radhauptnetz

Die dann auch den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung stellte, der deutlich auf den Radverkehrsentwicklungsplan verwies und darauf, dass es überhaupt erst einmal darum geht, ein sinnvoll verknüpftes Hauptradnetz zustande zu bringen. Denn das hat überall noch Lücken. Und die Konflikte entstehen in der Regel überall dort, wo es diese Lücken noch gibt.

Und Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) hat sicherlich recht, wenn er am Ende noch feststellte, dass ein positives Votum für den CDU-Antrag noch mehr Arbeit für die Planer/-innen im VTA bedeutet hätte, die jetzt schon unterbesetzt sind.

Und so ähnlich klang das eben auch im Vorschlag des VTA an: „Die Grundlagen zur Bearbeitung des integrierten Netzes sollen bis zum 2. Quartal 2024 erstellt werden. Damit kann die Darstellung von Zielkonflikten im Verkehrsnetz der Stadt erfolgen.

Aus anderen Beschlüssen und in der aktuellen Fortschreibung des Radverkehrsentwicklungsplans liegen bereits eine ganze Reihe von Prüfaufträgen zur Einrichtung von Fahrradstraßen vor. Alle darüberhinausgehenden Prüfaufträge müssten sich zeitlich hintanstellen.“

Und genau so sah es auch die Stadtratsmehrheit, die diesem Verwaltungsstandpunkt mit 35:21 Stimmen zustimmte.

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