Wegen des Festtrubels des Parteijubiläums überlegt die SPD Sachsen, die Einweihung des ADAV-Gedenksteins auf später zu verschieben. Mit dem Rathaus sei man sich über den Gestattungsvertrag für den Stellplatz einig, so Sachsens SPD-Generalsekretär Dirk Panter. Zugleich nimmt der Streit zwischen Linken und SPD über das Jubiläum an Schärfe zu.

Vor fast auf den Tag genau vier Jahren wurde Leipzigs Kulturbürgermeister Michael Faber mit den Stimmen von Linken und SPD ins Amt gewählt. Nun ist das von Faber geführte Amt mit einer Thematik befasst, die das Selbstverständnis der Genossen beider Parteien im Kern betrifft.

Konkret geht es um die Frage: Wer darf die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins ADAV am 23. Mai 1863 für sich beanspruchen, und in welcher Form soll am Gründungsort an der Dresdner Straße 20 des Ereignisses erinnert werden?

Dem Stadtratsantrag der Linken nach Errichtung eines Gedenksteins in städtischer Regie kann die Behörde, wie berichtet, nichts abgewinnen. “Der Stadt Leipzig würden einmalige und laufende Kosten entstehen, wenn sie den Erinnerungsort selbst gestaltet”, sagt Bürgermeister Faber gegenüber der L-IZ.

“Für die SPD war von vornherein klar, dass sie die Kosten für den Gedenkstein selber trägt und nicht, wie im Antrag der Linken vorgesehen, das Vorhaben durch die Stadtkasse finanzieren lassen will”, betont auch Sachsens SPD-Generalsekretär Dirk Panter auf L-IZ-Anfrage. Ein Stadtratsantrag sei daher aus seiner Sicht zu keinem Zeitpunkt notwendig gewesen.

Wie das Kulturamt weiter mitteilt, soll der Gedenkstein auf einem circa zwei Quadratmeter großen Stück Wiese aufgestellt werden. Dabei handelt es um eine öffentliche Grünfläche der Stadt Leipzig, verwaltet durch Amt für Stadtgrün und Gewässer, auf dem Flurstück Nr. 4500 Dresdner Straße / Ecke Gerichtsweg. “Am Fußweg entlang der Dresdner Straße gegenüber der Straßenbahnhaltestelle Gerichtsweg”, wie es Panter formuliert.

Beim Gestattungsvertrag zur Aufstellung des Gedenksteins geht es laut Kulturamt nur noch um “letzte Abstimmungen zwischen dem Amt für Stadtgrün und Gewässer und dem SPD Landesverband”. Kulturbürgermeister Faber und SPD-Generalsekretär Panter teilen die Auffassung, dass die Formalien rechtzeitig vor dem Jubiläumstag am 23. Mai 2013 fertig sein können. Seit Mitte 2012 befinde man sich in diesen Abstimmungen, so Panter.

Den Gedenkstein wird es nun aber wohl doch nicht pünktlich zum Geburtstag geben. “Aufgrund des Umfangs des Rahmenprogramms rund um das Jubiläum ‘150 Jahre SPD’ wird jedoch überlegt, die Einweihung des Gedenksteins zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen”, sagt Dirk Panter. Also wird vom Festtag selbst vor allem der Festakt mit den vielen Staatsgästen im Gewandhaus in Erinnerung bleiben.Wem gehört die ADAV-Gründung?

Das ist nach Lage der Dinge die kleinere Herausforderung. Denn Leipzigs Linke stört den Festtagsfrieden der SPD. Linken-Fraktionschef Sören Pellmann nennt es “unredlich”, dass die ADAV-Gründung durch die SPD vereinnahmt werde. Schließlich schlug am 23. Mai 1863 im damaligen Vergnügungs- und Veranstaltungslokal “Pantheon” die “Geburtsstunde der organisierten deutschen und internationalen Arbeiterbewegung”. Insofern beziehe sich auch seine Partei auf das Datum.

Den Vorwurf der politischen Vereinnahmung gibt Panter prompt zurück. Mit dem Stadtratsantrag versuche die Linke, die SPD vorzuführen und die Tradition des ADAV für sich zu vereinnahmen, so der SPD-General. “Dass es der Vorläuferpartei der Linkspartei, das heißt der SED, mit der Traditionspflege nicht so wichtig gewesen zu sein scheint, zeigt sich daran, dass sie das Pantheon, nachdem es jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben wurde, 1977 hat abreißen lassen”, fokussiert sich Panter auf die bauliche Seite der Geschichte.

“Die Linke versucht seit längerem von ihrer Vergangenheit abzulenken, bisher hat sie das durch regelmäßige Umbenennungen getan”, schiebt Panter nach.

What’s left?

Doch vielleicht ist diese lokale Kontroverse doch noch für etwas gut. Denn zu so einem Parteijubiläum müsste man es ja nicht beim Beschwören und Interpretieren einer immer ferneren Vergangenheit belassen. So könnte der Streit um den Stein einen anderen Stein ins Rollen bringen.

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Gleichsam als Anstoß zu der interessanten Debatte, die seit spätestens 1989/90 heißt: “What’s left?”. Und zwar in doppelter Hinsicht. Nämlich: Was ist heute links, und was ist von der Emphase und den Gewissheiten der sozialistischen Vormütter und Vorväter eigentlich geblieben?

Und vielleicht reizt ja auch eine These aus der aktuellen Ausgabe der “Zeit” zum Widerspruch. “In Wahrheit ist mit Margaret Thatcher die revolutionäre Energie und Radikalität, die 1968 noch selbstverständlich ?links’ war, nach ?rechts’ gewandert: Beschleunigung, Bruch mit dem Hergebrachten, Modernisierung, Fortschritt und Flexibilität, das alles wurden jetzt die bevorzugten Losungen des Kapitals, während Gewerkschafter und andere Anwälte des Sozialen sich seitdem als Verteidiger des Bestehenden und als Bremser positionieren mussten”, schreibt Jan Ross in einem Nachruf an die “Iron Lady”, die zwischen 1979 und 1990 britische Premierministerin war.

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