Gerade hat die CDU/CSU/FDP-Regierung die Spielräume für Mieterhöhungen in Deutschland deutlich erweitert. Man arbeitet sich Lobby-Wunschpaket für Lobby-Wunsch-Paket durch. Mit dem so gern geforderten Tagesgeschäft haben die Entscheidungen der aktuellen Bundesregierung immer weniger zu tun. Denn Mieterhöhungen lösen die aktuelle demografische Entwicklung nicht. Im Gegenteil: Sie werden sie höchstens verschärfen. Es sind Großstädte wie Leipzig, die zunehmend unter Wohnungsknappheit leiden.

Sie tun es, weil in Deutschland mit der wachsenden Zahl junger Leute, die die Hochschulzugangsberechtigung erwerben, eine Binnenwanderung eingesetzt hat – aus den Landkreisen in die deutschen Großstädte, die eben nicht nur die entsprechenden Studienplätze, sondern in der Regel auch die anschließenden Berufskarrieren anbieten. Das hat in Städten wie München oder Frankfurt schon zu dramatischen Zuspitzungen auf dem Wohnungsmarkt geführt. “In Berlin ist die Situation binnen fünf Jahren komplett gekippt”, sagt SPD-Stadtrat Heiko Oßwald, Beteiligungspolitischer Sprecher der Fraktion und Mitglied im Aufsichtsrat der LWB.

Es geht in Berlin nicht “gegen die Schwaben” und “Yuppies”, wie es so manche Zeitungsglosse zuspitzt. Es geht in Berlin um einen simplen Verdrängungseffekt namens Gentrifizierung. Finanziell schwächere Bewohner werden aus attraktiveren Wohnquartieren verdrängt, weil besser Gestellte auch bereit sind, höhere Mieten für eine bestimmte Wohnlage zu zahlen. Was Investoren dazu animiert, Häuser auch luxuriöser zu sanieren. Die Viertel entmischen sich.

So dramatische Ausmaße wie in Berlin hat das in Leipzig noch nicht angenommen. Aber die Auseinandersetzungen um einen Wohnblock in der Windmühlenstraße haben gezeigt, dass das Thema in Leipzig längst präsent ist. Einige Quartiere – wie das Waldstraßenviertel, das Musikviertel oder das Petersviertel (Zentrum-Süd) – weisen jetzt schon leicht erhöhte Mietniveaus gegenüber dem Stadtdurchschnitt aus. Der Durchschnitt geht hier schon in Richtung 5,50 bis 5,70 Euro.

Je mehr sich Leipzig füllt – und für Dezember 2012 standen ja 528.000 Einwohner in den Melderegistern der Stadt – umso knapper wird Wohnraum natürlich. Das noch vor zehn Jahren bestehende Leerstandsniveau von über 60.000 Wohnungen ist nach Einschätzung des Dezernats Planung und Bau auf 20.000 bis 25.000 abgeschmolzen. “Wenn das so weiter geht mit 8.000 bis 10.000 zusätzlichen Einwohnern im Jahr, dann sind wir im Jahr 2020 bei 600.000 Einwohnern”, sagt Heiko Oßwald. “Das bedeutet aber auch, dass der Leerstandspuffer womöglich in drei, vier Jahren abgeschmolzen ist.”

Das bedeutet aber auch: ein knapperes Angebot verknappt vor allem Wohnungen mit niedrigeren Mieten. Zuerst in den attraktiveren Vierteln. Das war so lange kein Problem in Leipzig, wie der Leerstandspuffer groß war. Doch drei, vier Jahre, das bedeutet: Die Stadt müsste jetzt umsteuern.

Deswegen gab die SPD-Fraktion in dieser Woche einen Antrag ins Verfahren: “Ergänzung der Eigentümerziele der LWB”.
Die Eigentümerziele für die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) werden um die folgenden Punkte ergänzt, heißt es darin:

1. Sollte es zukünftig weiterhin notwendig sein, bewohnte Gebäude zu veräußern, so ist zwingend eine Sozialcharta mit dem zukünftigen neuen Eigentümer zu verabschieden.

2. Für die LWB wird ein Kernbestand von mindestens 34.000 Wohneinheiten (WE) in der Stadt Leipzig dauerhaft festgeschrieben. Eine Gleichverteilung der Wohneinheiten auf die einzelnen Ortsteile im Stadtbezirk ist anzustreben.

3. Die LWB soll einen festen Kernbestand an Wohneinheiten als strategisches Minimum von mindestens 2 Prozent im Verhältnis zu den Einwohnern mit Hauptwohnsitz in allen Stadtbezirken bis zum Jahr 2020 erreichen.

4. Die Stadtverwaltung legt dem Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau – beginnend im 2. Halbjahr 2013 – einmal im halben Jahr eine Vorlage mit allen geplanten Abgängen (Verkauf, Abriss) sowie den Zugängen (Neubau und Ankäufe) von unbebauten Grundstücken und Wohneinheiten der LWB vor.

Im Februar hat sich die Fraktion dazu alle Zahlen vom Dezernat Planung und Bau zuarbeiten lassen. Denn die bisherigen Eigentümerziele der LWB mussten auf den knapper werdenden Bestand preiswerter Wohnungen im Stadtgebiet noch keine Rücksicht nehmen. “Auch 2011, als die LWB den Wohnblock in der Windmühlenstraße verkauft hat, war das noch kein Thema”, so Oßwald “Heute sind wir klüger, da wissen wir, dass wir anders hätten entscheiden müssen.”

Denn wichtigstes Ziel der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (LWB) war bisher der Abbau der Schuldenlast und die Konsolidierung des Kernbestandes. Dazu hat das Unternehmen zahlreiche Wohnungsbestände und Grundstücke im ganzen Stadtgebiet verkauft. Verwaltete es im Jahr 2000 noch 65.752 Wohneinheiten, waren es 2012 nur noch 36.627, davon 35.260 im Kernbestand. Und unter den Verkäufen waren nicht nur unsanierte Gründerzeithäuser, sondern auch attraktive Großwohnanlagen wie in Großzschocher oder der Wahrener Rundling.

Der Schuldenberg wurde von 990 Millionen Euro Ende 2004 auf rund 650 Millionen Euro im Jahr 2012 abgeschmolzen. Das Unternehmen hat wieder finanzielle Spielräume und hat auch ab 2015 wieder den Bau von neuen Wohnungen in den Plan aufgenommen – 180 sind im Umfeld des Wintergartenhochhauses geplant. Aber das sei zu wenig, um im ganzen Stadtgebiet regulierend auf die Mieten einwirken zu können, so Oßwald. Nur wenn in allen Stadtbezirken auch preiswerte Wohnbestände in städtischem Besitz vorhanden wären, würde auch auf das Umfeld dämpfend eingewirkt. Aus einigen Stadtbezirken ist die LWB aber durch ihre Paketverkäufe fast verschwunden. Südwest, Altwest und Nordwest gehören dazu.

Ganz neu ist der Gedanke der SPD-Fraktion auch nicht. “Wir hatten 2011 schon einmal einen ähnlichen Änderungsantrag”, so Oßwald. “Aber damals haben wir ihn nicht durchbekommen.”

Ein Problem bleibt natürlich die fehlende Förderung für sozialen Wohnungsbau in Sachsen. Die Dresdner Regierung sieht nur die gewaltigen Leerbestände in den ländlichen Räumen und negiert die zunehmende Knappheit preiswerteren Wohnraums in den Großstädten. Es sind die zwei Seiten ein und der selben Medaille. Aber Rezepte zur Stabilisierung der Landkreise hat die CDU/FDP-Regierung in Dresden auch nicht vorzuweisen. So dass zumindest noch für einige Jahre mit diesem überproportionalen Wachstum der Großstädte zu rechnen ist.

Die ersten Spuren im jahrelang sehr stabilen Leipziger Mietniveau hat es schon 2012 hinterlassen: Die durchschnittliche Nettomiete je Quadratmeter stieg von 5,00 auf 5,15 Euro. Die durchschnittliche Miete ist mit 300 Euro pro Haushalt nur knapp angestiegen gegenüber 299 Euro im Vorjahr. Das heißt: Der Prozess ist zwar im Gang, führt aber noch nicht zu scharfen Konflikten. Trotzdem gaben 12 Prozent der in der “Bürgerumfrage 2012” Befragten an, dass sie wegen zu hoher Grundmieten bzw. Nebenkosten umziehen müssten. Sie suchen dann vorrangig im selben Wohnviertel (38 %) bzw. Stadtbezirk (42 %) nach einer bezahlbaren Wohnung, wollen also eigentlich gern in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Das wird aber genau dann zum Problem, wenn es solche preiswerten Wohnungskontingente im Wohnquartier nicht mehr gibt.

www.lwb.de

Ein Blick nach Berlin: Die Prenzlauer Berg Nachrichten beschäftigen sich immer wieder mit dem Thema:
www.prenzlauerberg-nachrichten.de/politik/_/zuruck-ins-zentrum-171130.html

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