Leipzig hat in der kommenden Bundestagswahl wieder zwei Direktmandate zu vergeben: eines im Norden (Wahlkreis 152) und eines im Süden (Wahlkreis 153). Um diese bewerben sich zwölf Kandidaten der etablierten Parteien. Im Interview erzählen diese, warum sie gewählt werden möchten, wie sie die Stadt sehen und was sie im Falle eines Wahlsiegs in Angriff nehmen wollen. Den Anfang macht Bettina Kudla von der CDU, die im Jahr 2009 das Direktmandat im Norden geholt hat.

Frau Kudla, wieviel haben Sie zuletzt für eine Straßenbahnfahrt bezahlt?

1,70 Euro für die Kurzstrecke und ich habe gelesen, die Preise sind mal wieder nach oben gegangen. Für die Einzelfahrkarte von 2,30 auf 2,40 Euro. Für einen Abgeordneten ist es wichtig, dass man beweglich ist in seinem Wahlkreis und da ist es meist das Auto, auch mal die Straßenbahn, aber in der Regel ist es das Auto.

Was hat Sie in der vergangenen Legislaturperiode am meisten geärgert?

Geärgert ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Man muss die Dinge objektiv betrachten und nicht persönlich nehmen, aber so manche Debatte im Bundestag war wenig zielführend und mir zu wenig in die Zukunft gerichtet. Ich stehe vor allem für die Themen Finanz-, Wirtschafts- und Europapolitik und da ist es eben wichtig, dass man die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft vornimmt und nicht über Dinge diskutiert, die eigentlich nur Sand im Getriebe sind: Zum Beispiel, ob man jetzt diskutiert, dass man die Rente mit 67 wieder rückgängig machen will. Im Gegenteil, man muss diskutieren, wie man noch mehr in die Rentenkasse bekommt, wie man mehr Beschäftigung schafft und dann ist man auf einem guten und sicheren Weg. Oder das Thema Steuererhöhungen, wenn doch aktuell in Frankreich deutlich wird, dass dies der falsche Weg ist und Steuererhöhungen nur ein Dämpfer für die Konjunktur sind.

Was hat Sie in der vergangenen Legislaturperiode am meisten gefreut?

Gefreut hat es mich, dass wir eine stabile Regierung sein konnten aus CDU, CSU und FDP. Wenn man an die Unkenrufe denkt – dass schon nach einem halben Jahr die Koalition zerbreche – da hat sich rückblickend gezeigt, dass vieles einfach nur herbeigeredet war. Wir sind verlässliche Partner gewesen. Sicherlich gibt es in einer Koalition auch immer mal unterschiedliche Auffassungen und das ist nun mal das Wesen von Partnern, dass die Partner nicht identische Auffassungen haben, sondern dass man große Schnittmengen hat aber auch unterschiedliche Meinungen und dass jeder Partner natürlich seine Meinung möglichst stark vertreten haben möchte.

Ich möchte im Hinblick auf die nächste Legislaturperiode betonen, die Konstellation CDU, CSU und FDP ist die einzige, wo es keine Steuererhöhungen geben wird. Das muss man vor Augen haben. Auch in einer großen Koalition würde die CDU vermutlich Zugeständnisse an die SPD machen müssen, wenn das Kernaussagen des Wahlprogramms der SPD sind, dass man Steuern erhöhen will. Deswegen sollte man hier auch dem Bürger die Wahrheit sagen und deutlich herausstellen, dass nur unter dieser Koalition der Bürger nicht zusätzlich durch Steuern belastet werden soll. Wir in der Koalition sind uns einig, dass wir weiter die Haushaltskonsolidierung vorantreiben wollen.

Wir hatten eine Finanzlücke von 100 Milliarden Euro jährlich zu Beginn der Legislaturperiode, die hatte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sicherlich unter schwierigen Rahmenbedingungen mit der Finanzkrise 2008, dann 2009 hinterlassen. Es ist aber doch gelungen, diese Finanzlücke weitgehend zu schließen. Wir haben ab nächstes Jahr keine Netto-Neuverschuldung mehr und wollen ab 2016 die Schulden tilgen. Das konnte aber nur gelingen, weil wir eben eine gute Politik, vor allem eine gute Wirtschaftspolitik betrieben haben, Beschäftigung konnte sich entfalten. Ich sage immer: Die einzige schmerzfreie Haushaltskonsolidierung ist das Wirtschaftswachstum, dann konsolidiert sich der Haushalt teilweise von selber. Es kommen mehr Steuereinnahmen und die Ausgaben gehen ebenfalls von selber zurück, ohne dass es schmerzt. Wenn die Ausgaben für den Arbeitsmarkt aufgrund gesunkener Arbeitslosenzahlen zurückgehen, dann tut das keinem weh, aber es entlastet den Haushalt.

Das Thema Wirtschaftspolitik ist für Leipzig von besonderer Bedeutung, weil wir einfach noch einen gewissen Aufholprozess in der wirtschaftlichen Entwicklung haben. Wir sind in Leipzig das Zugpferd in Sachsen und in den neuen Ländern, aber die Wirtschaft muss noch an Substanz und Stabilität gewinnen.Welche Projekte werden Sie für Leipzig in Angriff nehmen, wenn Sie gewählt werden?

Man muss natürlich hier sehen, als Bundestagspolitiker machen wir Politik für ganz Deutschland, aber natürlich unter dem Fokus: Was ist für den Wahlkreis besonders wichtig. Wie schon gesagt ist die wirtschaftliche Entwicklung das A und O, denn nur wenn es wirtschaftlich vorangeht wird es auch, zumindest in Leipzig, keine Abwanderung geben. Man muss auch den ländlichen Raum in den neuen Bundesländern sehen. Wenn keine Zukunftsperspektive da ist, wandert die Bevölkerung ab, die Bevölkerung schrumpft und vieles entwickelt sich dadurch zumindest schwieriger oder teilweise negativ. Also ist das A und O eine gute Wirtschafts- und Finanzpolitik als Grundlage dafür, dass es wirtschaftlich in Sachsen und vor allem in Leipzig weiter vorangeht.

Wichtig ist immer, dass man versucht, vor Ort im Wahlkreis Mittel zu akquirieren. Da gilt es auch auf Möglichkeiten aufmerksam zu machen, welche Förderprogramme es gibt. Zum Beispiel konnte ich Kirchen den Anstoß geben, sich zur Lutherdekade zu bewerben, sie hätten das sonst womöglich nicht gemacht. Auch im Umweltbereich ist es wichtig, zum einen Fördermittel auszureizen und die Firmen aufzuklären, was es überhaupt gibt. Mir ist es ebenso wichtig, Bundespolitiker nach Leipzig zu holen, so dass sie die Stadt kennen lernen und ein Gespür für sie entwickeln. So dass Leipzig auch eine Stimme am Kabinettstisch hat.

Warum sollten die Leipziger Sie wählen?

Weil ich dafür stehe, was ich sage und weil ich für die gute Zukunftsperspektiven stehe. Das ist der deutliche Unterschied zu den Kandidaten anderer Parteien, die eine Mehrbelastung der Bürger möchten und das wird die Wirtschaft schädigen und Leipzig nicht gut tun.

Was planen Sie, falls Sie den Einzug nicht schaffen?

Ich plane den Wiedereinzug. Ich plane nicht dafür, dass ich nicht einziehe.

Was sind Leipzigs drängendste drei Probleme?

Eine falsche, im Grunde linksorientierte Stadtpolitik, die dem Bürger in die Tasche greift. Zum Beispiel die Grundsteuererhöhung und dass zu sehr auf die kommunale Wirtschaft statt auf die Privatwirtschaft gesetzt wird. Die Arbeitsplätze schaffen vor allem die privaten mittelständischen Unternehmer, die schaffen Beschäftigung. Und: Ich sehe, dass die Stadt zu wenig für die Infrastruktur an Investitionen ausgibt, weil zu viel Geld für die laufenden Ausgaben ausgegeben wird.

Und hier ist auch wieder der Zusammenhang mit dem Bund. Wenn der Arbeitsmarkt entlastet wird, dann entlastet es auch den städtischen Haushalt, da kommen mehr Steuereinnahmen in den städtischen Haushalt und die Ausgaben für die SGB II-Empfänger reduzieren sich auch. Das war immer der größte Ausgabeposten, daran erinnere ich mich noch sehr deutlich aus meiner Zeit als Finanzbürgermeisterin. Und das ist er nach wie vor.

Das sind die Themen, welche die Stadt unmittelbar betreffen, flankiert werden diese durch die Bundespolitik in Sachen bessere wirtschaftliche Entwicklung. Das führt auch dazu, dass die Investitionen, die in den letzten zwanzig Jahren hier gemacht wurden – die Neuansiedlungen besonders in der Autoindustrie, der Logistikbranche – dass die sich weiter entwickeln können. Ganz wichtig: BMW baut aus, Porsche baut aus, Amazon hat erweitert. All das sollte weiter auf wachsendem Weg sein.

Spezielle bundespolitische Themen sind beispielsweise die Bundeswehr, da haben wir uns für den Erhalt des Bundeswehrstandortes in der General-Olbricht-Kaserne stark gemacht. Hier wird künftig das Ausbildungskommando des Deutschen Heeres angesiedelt sein. Das heißt, dass die deutschlandweite Ausbildung für alle Heersoldaten künftig von Leipzig aus gesteuert wird. Damit rückt unsere Stadt auch hier mehr in den Fokus. Ich will mich weiter für den Bundeswehrstandort einsetzen.

Beamen Sie sich gedanklich ins Jahr 2030. Wie hat sich die Stadt verändert?Die Bevölkerung wird hoffentlich gewachsen sein, die Wirtschaftsstruktur, die Wirtschaftskraft wird weiter gestärkt sein. Das ist im Grunde der springende Punkt: Ob es gelingt, die Wirtschaft weiter zu stärken, oder ob im Endeffekt die Ansätze, die teilweise da sind oder die teilweise fehlende Substanz, ob diese wirklich tragfähig sind. Alleine von Zuwanderung in das System der Leipziger Sozialleistungen wird unsere Stadt nicht gestärkt. Wachstum an sich ist noch kein Beweis für die Zukunftssicherheit der Stadt. Wir brauchen eine wachsende Wirtschaft, damit unser Leipzig vor allem für Fachkräfte attraktiv ist. Die zahlen die Steuern und sorgen so dafür, dass unsere Gesellschaft am Laufen gehalten wird.

Wie stehen Sie zum Vorschlag, ein Großbundesland Mitteldeutschland zu schaffen?

Davon halte ich jetzt nichts. Die Strukturen auf kommunaler Ebene und auf Länderebene haben sich bewährt und insofern halte ich den Vorschlag für zu viel Aktionismus. Gleichwohl sollte man die verbindenden Elemente nutzen und fördern und pflegen, beispielsweise die Sparkassen oder das Thema Ansiedlung von Wirtschaft, vielleicht auch gemeinsame Wirtschaftsgesellschaft oder engere Kooperationen oder im kulturellen Bereich. Seit Jahren wird diskutiert, dass darin zum Beispiel Halle und Dessau enger zusammenarbeiten. Das tut der Region sicher gut. Aus Sachsen-Sicht wollen wir ganz bestimmt nicht die Schulden von Sachsen-Anhalt und Thüringen. Wir haben in Sachsen ordentliche Finanzpolitik gemacht, unsere Stärken entwickelt und diese gilt es weiterzuentwickeln.

Würden Sie Ihren Kindern den Job als Bundestagsabgeordnete empfehlen?

Ja und nein. Es ist eine schöne, eine ehrenvolle Aufgabe, die unheimlich viel Spaß macht und ich bin auch dankbar, dass ich dies machen kann und darf und mich in die Bundespolitik entsprechend für Leipzig einbringen kann. Auf der anderen Seite gibt es, wie in jedem anderem Beruf auch, die eine oder andere Schattenseite. Insbesondere der permanente Wechsel zwischen Leipzig und Berlin, das ist natürlich schon ein sehr unruhiges Leben.

Bundespolitik ist das, was ich gerne mache. Das passt gut zu dem, was ich vorher gemacht habe, zu meiner Ausbildung in der Privatwirtschaft als auch im kommunalen Bereich. Das ist eine exzellente Grundlage für die Arbeit in Berlin im Finanzausschuss, im Europaausschuss und im Haushaltsausschuss. Alle Themen sind mir insbesondere im Finanzausschuss vertraut und da kann mir auch so schnell keiner von Regierungsseite her was vormachen.

Gerade auch was das Thema Europapolitik betrifft, so war das ja prägend für die Legislaturperiode. Wir haben fast jede Woche das Thema Euro-Stabilität, wie geht es weiter mit gemeinsamer Wirtschaftspolitik, wie geht es weiter mit einem gemeinsamen Steuersystem, wie geht es mit einer besseren Finanzmarktregulierung weiter, was machen wir künftig mit der Bankenaufsicht? Damit eben der Steuerzahler nicht mehr gerade stehen muss für Risikogeschäfte, welche Banken eingegangen sind. Dass auch Europa insofern enger zusammenwächst. Europa regelt sicher auch manches Überflüssige, aber eine gemeinsame Bankenaufsicht für die Großbanken in Brüssel zu regeln, das macht auf alle Fälle Sinn. Die Banken haben dann nur noch einen Ansprechpartner bei der Aufsicht, das ist vor allem für uns Steuerzahler gut. Das hat viele Vorteile und führt zu einer engeren Zusammenarbeit der europäischen Länder. Wir haben im Grunde eine Weiterentwicklung, eine Festigung und Stabilisierung des sogenannten Binnenmarktes, der mittlerweile auch ein freier Arbeitsmarkt ist. Wir haben totale Arbeitnehmerfreizügigkeit. Jeder kann innerhalb der EU ohne bürokratische Hemmnisse eine Arbeit aufnehmen. Insbesondere für Jugendliche haben sich die Chancen dadurch erheblich verbessert.

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