Es brodelt und rumort in der oberen Wandelhalle des Leipziger Rathauses, als sich Dr. Barbara Höll (Die Linke) im Fraktionszimmer der Leipziger Linken niederlässt. Wie eigentlich alle Politiker und Unterstützer an diesem Abend mit etwas müden Augen. Draußen sagen die Hochrechnungen, dass es eng werden wird, für eine der fleißigsten Linken Leipzigs, ja der gesamten Partei in der gerade endenden Wahlperiode des Bundestages.

Eine hochaktive Zeit liegt hinter ihr: Höll ist OBM-Kandidatin für Leipzig gewesen, mit 108 parlamentarischen Ansprachen und über 300 Initiativen im Bundestag weit fleißiger, als manch anderer und dennoch von ihrer Partei nur auf Listenplatz 9 in die Bundestagswahl geschickt worden. Ein Interview mitten in den Hochrechnungen.

Guten Abend, Frau Höll. Es ist jetzt 19:45 Uhr. Wie steht die Linke aus Ihrer Sicht nach der Wahl nun da?

Also ich glaube, wenn wir dieses Wahlergebnis von 8 Prozent, scheinbar sogar ein wenig mehr haben, es sich um ein gutes Wahlergebnis für Die Linke handelt. Ich persönlich hatte schon gedacht, dass wir 10,5 schaffen – dass habe ich auch vorher gesagt und ich hätte mir auch mehr gewünscht – aber ich muss sagen, einen Teil dessen, dass wir das Ergebnis von vor 4 Jahren nicht wieder erreicht haben, haben wir auch selbst verschuldet.

Wir haben uns einfach innerhalb der letzten vier Jahre doch viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Und waren ja in den Vorhersagen zwischenzeitlich noch viel weiter abgerutscht. Wenn man das in Betracht zieht, sind die 8 Prozent wirklich ein gutes Ergebnis. Zudem scheint es ja auch so zu sein, dass sich das Verhältnis zu den Grünen in etwa die Waage hält. Wenn man dabei sieht, dass die Grünen zwischenzeitlich sogar mit 15 Prozent plus X gehandelt worden sind, ist das natürlich für sie viel, viel bitterer, als für uns.

Nun sieht es ja nach aktuellem Stand dennoch danach aus, dass es durch den Nichteinzug von FDP und AfD zu einem Vierparteienparlament kommt, also die Möglichkeit einer Rot-Rot-Grünen-Mehrheit gegeben ist. Falls die SPD ihren Kurs korrigiert – wie wäre es mit einer Regierungsbeteiligung der Linken?

Also ich bin der klaren Auffassung, wenn Wählerinnen und Wähler so entscheiden, dass eine solche Möglichkeit besteht – mit dem klaren Auftrag, tatsächlich für Mindestlöhne zu stehen, für gerechtere Renten zu kämpfen – dass das ein klarer Auftrag ist, wo die Parteien in der Pflicht sind, sich dem zu stellen. Und eben auch miteinander zu verhandeln.

Sie hätten Freude daran zu sehen, dass die SPD das wahr machen muss, was sie im Wahlkampf erzählt hat …

Ja. Dabei bin ich wirklich klipp und klar der Auffassung, es gibt einen Wählerauftrag, den muss man einfach ernst nehmen. Für unsere Partei ist es auch völlig klar, das schwierigste Thema ist die Außenpolitik, weil wir seit wir existieren, gesagt haben, wir akzeptieren keinerlei Kriegseinsätze. Und auch nicht das Rasseln, wie es Herr Westerwelle mit dem militärischen Instrumentenkoffer ausgedrückt hat. Das ist in der Tat die Barriere, über die wir nicht gehen. Wir sind eine Friedenspartei und wir bleiben eine Friedenspartei und wir würden diesen bei uns tief verwurzelten Gedanken auch nicht aufgeben.
So gesehen ist es doch kein schlechtes Ergebnis für Die Linke. Im Parlament drin und eine nicht allzu starke SPD, welche sich über kurz oder lang überlegen muss, wie sie mit Der Linken nun umgeht, wenn sie mal ohne CDU an die Regierung kommen möchte?

Aus meiner Sicht bleibt offenbar derzeit für die SPD nur, als kleiner Partner mit der CDU zu regieren. Doch wie sie dann ihre sozialen Anliegen umsetzen will, ist ein großes Fragezeichen, welches die SPD beantworten müsste.

Zurück zu Ihrer persönlichen Perspektive: Noch wissen wir nicht, ob es auch für Sie gereicht hat – Listenplatz 9 auf der Landesliste Der Linken in Sachsen hieße, Sie wären erst bei etwa 23 Prozent Zweitstimmen im Bundestag. Was, wenn nicht?

Erstmal ist es ein gutes Ergebnis, dass Die Linke in Sachsen (Anm. d. Red. zu diesem Zeitpunkt) bei immerhin wohl 21 bis 22 Prozent als zweite Kraft hinter der CDU landen wird. Auch ich selbst freue mich schon auch ein wenig über den gesicherten zweiten Platz bei den Erststimmen hier in Leipzig. Das gibt schon für die nächsten Wahlkämpfe, die nächsten Herausforderungen, wie den Kommunalwahlen in Leipzig, den Europawahlen und Landtagswahlen in Sachsen eine gute Ausgangsposition.

Wenn es am Ende für mich nicht reichen sollte (Anm. d. Red. die nachfolgende Hochrechnung ergab sicher, dass es nicht reichte) – nun, dann muss ich wirklich sehen, was dann wird. Da kann ich derzeit nur dazu sagen: Ich habe als Abgeordnete immer so gearbeitet, dass ich mich wirklich auf mein Mandat konzentriert habe. Sonst kommt eben nicht so etwas heraus wie die drittmeisten, also 108 Reden im Bundestag, meine Beteiligung an über 300 parlamentarischen Initiativen und viele davon federführend. Also ich habe nicht nebenbei noch an irgendetwas anderem gebastelt, und habe das auch nicht getan während des Wahlkampfes, sondern ich habe auch da ganz intensiven Wahlkampf gemacht.

Ich glaube auch, das haben ganz viele Bürgerinnen und Bürger gespürt. So oder so – das können Sie sich vorstellen, ist nun ein großes Aufräumen angesagt. Wenn es nicht reicht, muss ich in Berlin alles ausräumen. Sollte es so kommen – nun ich bin jetzt 55 Jahre, das ist durchaus ein Alter, wo man nochmals etwas anderes beginnen kann.

Anmerkung der Redaktion: Am Ende reichte es denkbar knapp nicht für Dr. Barbara Hölls direktem Wiedereinzug in den Bundestag.

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