Ist doch alles ganz leicht. Kameras aufstellen, filmen, schneiden oder nicht schneiden und ab ins Netz damit. Die Übertragungen der Sitzungen aus dem Leipziger Stadtrat sind bereits heute möglich, gedeckt durch das in Deutschland gültige Presserecht. Warum tut es dann kein Leipziger Medium? Es geht - wie so oft - ums liebe Geld. Also das, was die Stadt nicht hat. Dennoch möchte man gern einen Auftrag vergeben. Wozu eigentlich?

Alles begann mit einem Brief der L-IZ an den Ältestenrat der Leipziger Ratsversammlung. Abgeschickt am 12. Oktober 2011, da wandte sich die “Leipziger Internet Zeitung” mit dem Wunsch “einer Gestattung der Liveübertragung via Netzstreaming aus den Sitzungen des Leipziger Stadtrates” an den Ältestenrat. Wohl wissend, dass es nur eines Ratsmitgliedes bedarf, sich gegen eine Filmaufzeichnung zu wenden, um dieses Vorhaben zu erschweren, ging es um eine einfache Gestattung seitens der Ratsversammlung. Und natürlich darum, wie man die Bilder aus dem Ratssaal hinaus ins Netz bringt – will man es denn wirklich live haben.

Im gesamten weiteren Schreiben fiel kein Wort von Bezahlung, die L-IZ wollte vorsorglich abklären, ob es nicht an der einen oder anderen Stelle zu rechtlichen Fragen kommen könnte, die eventuelle Investitionen in Kameras und Personal später ad absurdum führen würden. Es ging also um die “Freigabe zur Umsetzung im Rahmen des geltenden Presserechtes …” und die Frage, ob sich einzelne Ratsmitglieder, wie bereits in Chemnitz geschehen, gegen die Aufzeichnungen wenden würden. Eine Frage, welche im Übrigen bis zum heutigen Tage unklar ist, einigen Abgeordneten scheint die Sache mit der Transparenz nicht ganz geheuer.

Während der kommenden Monate veränderte sich die Gesamtlage. So wäre es doch schön, wenn die Aufzeichnungen der Stadt selbst ebenfalls zur Verfügung ständen. Am besten auch für eine parallele Übertragung auf der stadteigenen Seite www.leipzig.de. Womit auf einmal die Frage nach den Kosten auftauchte – vorher alleiniges Problem des Medienunternehmens – nun eine Frage der Beauftragung.

Flugs griff auch die Linke das Thema auf, informierte die Presse über ihre neue Idee – Transparenz ist immer gut – und stellte im Februar 2012 einen Antrag im Stadtrat. Und plötzlich war aus der ursächlichen L-IZ-Anfrage eine ausschreibungspflichtige Beauftragung geworden. Die “Leipziger Volkszeitung” verkündete schon mal die neue Errungenschaft – es würde nun gestreamt.
Doch nichts dergleichen geschah. Denn wo sich andere Städte solche Leistungen auch etwas kosten lassen, suchte man nun nach der Leipziger Quadratur des Kreises. Und jemandem, der sich des Problems annehmen würde: keine Kosten für die Kommune, keine Werbeeinblendungen in der Übertragung und das Material sollte ins Stadtarchiv wandern und auf leipzig.de ausgestrahlt werden. Für den potenziellen Auftragnehmer die Einladung, sich mit dem Stadtauftrag zu schmücken und – weil die Refinanzierung für dieses Angebot fehlt – in Schönheit Pleite zu gehen. Geld sollte ja keines ausgegeben werden. Die Begeisterung in der Leipziger Medienlandschaft hielt sich demzufolge in engen Grenzen.

Während also so mancher Stadtrat schon mal fragte, ob dann aus dem Stadtrat ein Volkstheater mit lauter neuen TV-Stars würde, hatte die Verwaltung einen unmöglichen Auftrag aus der Ratsversammlung erhalten. Der MDR hatte wohl keine Lust oder wurde nie dazu befragt, ob er die GEZ-Gelder des Bürgers einbringen würde, um den Stream unter diesen Bedingungen zu realisieren. Und so wanderte das ganze Thema wieder zurück in den Stadtrat.

Welcher nur noch einen Ausweg sah: Den der verdeckten Kosten. Indem man von den eigentlichen Aufwendungen von zirka 3.500 Euro pro Übertragung (samt Kommentierung sowie Personal) auf die reine technische Leistung eindampfte und diese Aufgabe an die stadteigene IT-Firma Lecos zu übertragen suchte. Immerhin für rund 700 Euro monatlich, was letztlich die Kosten der Übertragung und den Streamingserver abdecken sollte. Nun war aus einer Sendungsidee eine Veranstaltung mit zwei Webcams und einer Datenleitung geworden.

Dass daraufhin die Sächsische Landesmedienanstalt eingriff und darauf hinwies, dass es angeblich einen Anbieter mit einer Sendelizenz benötige, machte das Durcheinander perfekt. Also alles wieder auf Anfang, nun doch kein stadteigener Weg mehr? Oder doch einen Etat von rund 40.000 Euro pro Jahr freischaufeln?

Ebenso hatte sich in der Zwischenzeit die Frage der Ausstrahlung der Bilder auf www.leipzig.de gravierend geändert. So hat nach Informationen der Leipziger Internet Zeitung die LVZ den Zuschlag erhalten, die stadteigene Webseite noch ab diesem Jahr mit Werbung zu bestücken. Das Recht also, an der Attraktivität der offiziellen Stadtpräsenz im Netz mitzuverdienen.

Fazit vor der Ratssitzung am 18. September zur Stunde: Ein privates Medienunternehmen soll – mit einer bezahlten Sendelizenz und unter Einsatz von Personal – der Stadt Material überlassen, wofür es keine Bezahlung erhält, keine Werbeeinblendungen einbinden darf und somit keine Chance haben wird, die Kosten wieder reinzuholen. Und sich anschließend darüber freuen, dass auf einer Webseite, welche von einem Konkurrenzunternehmen namens LVZ vermarktet wird, ein nettes Stadtratsarchiv im Videoformat entsteht. Die Freigabe durch die Ratsmitglieder für die Aufzeichnungen fehlt, womit es zu individuellen Einsprüchen der Abgeordneten auf Basis des Persönlichkeitsrechtes kommen könnte.

Das Kuddelmuddel liegt nun nach L-IZ-Informationen auf dem Tisch des Oberbürgermeisters. Die Situation ist verfahren. Da lohnt ein Blick in die Geschäftsordnung der Ratsversammlung. In Paragraf 24, Punkt 6 heißt es: “Film-, Video- und Tonbandaufnahmen werden den öffentlichen Medien und Inhabern von Presseausweisen nach vorheriger Anmeldung vom Vorsitzenden gestattet, soweit der Sitzungsablauf hierdurch nicht gestört wird.” Das wird wahrscheinlich auch weiterhin reichen müssen.

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