Was kann oder soll eine Stadt wie Leipzig eigentlich tun, wenn ihr von der zuständigen Landesregierung die benötigten Gelder für die ansteigenden Sozialkosten vorenthalten werden? Hilft Tricksen weiter? - So ein bisschen sah es ja so aus, was die Leipziger Stadtverwaltung da in den letzten acht Jahren veranstaltet hat beim Thema "Kosten der Unterkunft". Zuletzt wurden die Richtwerte 2012 angehoben - auf 4,48 Euro Kaltmiete je Quadratmeter. Das reicht immer noch nicht, kritisiert die Linksfraktion.

“Wie man diese Woche den Medien entnehmen konnte, steht die Richtlinie für die angemessenen Unterkunftskosten der Stadt in der Kritik des Leipziger Sozialgerichtes. Die Sozialrichter bemängeln, dass die Stadtverwaltung diese Richtlinie nicht nach dem so genannten schlüssigen Konzept erstellt hat”, erklärt dazu Naomi-Pia Witte, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat. “Dieses ist durch ein Urteil des Bundessozialgerichtes den Kommunen als Richtschnur bei der Erstellung der KdU-Richtlinie vorgegeben.”

Reihenweise entscheidet das Sozialgericht deswegen für ALG-II-Bezieher, die gegen die Leipziger Richtwerte geklagt haben. Insbesondere bemängeln die Richter, dass bei der Ermittlung der Eckwerte nur die Wohnungen von Hartz IV-Empfängern zugrunde gelegt und daraus ein Mittelwert gebildet wurde.

“Das ist aber nicht zulässig”, so Gerichtssprecher Michael Pies. “Vielmehr müsse für die Datenerhebung sämtlicher Wohnraum der Kommune in den Blick genommen werden. Bei Wohnungen einfachen Standards ist außerdem die obere Preisgrenze dieses Segments als Maßstab zu wählen und nicht der Mittelwert.”Denn wenn den ALG-II-Beziehern nur der magere von der Stadt genehmigte Satz gewährt wird, haben sie nur die Wahl umzuziehen – oder den Mehrbetrag von ihrem ALG II abzuknappsen. Nur ist der verfügbare Wohnraum, den man in Leipzig für 4,48 Euro oder weniger je Quadratmeter mieten kann, in den letzten Jahren radikal zusammengeschmolzen. Auch weil viele Wohnanlagen, die noch vor kurzem teilsaniert oder unsaniert angeboten wurden, mittlerweile in den Sanierungsboom der Stadt geraten sind und damit dem niedrigen Preissegment verloren gehen.

Auch wenn es die Leipziger Stadtspitze vehement leugnet: Das ist Gentrifizierung. Die Menschen, die durch Arbeitslosigkeit oder prekäre Beschäftigung ins ALG II rutschen, werden abgedrängt. Aus der Mitte der Stadt schon lange. Aber die Verdrängung erfasst einen Stadtbezirk nach dem anderen. Normalerweise dürfte das in einer Stadt wie Leipzig kein Problem sein. 2012 lag die Durchschnittsmiete noch bei 5,12 Euro, leicht über den Vorjahreswerten – aber weit entfernt von den Durchschnittsmieten etwa westdeutscher Großstädte. Aber mit aller Macht versucht Leipzigs Stadtverwaltung, deutlich unter diesem Wert zu bleiben, denn die entstehenden Mehrkosten würden ungepuffert direkt im Haushalt aufschlagen. Die Verantwortlichen wissen ganz genau, dass dann an einen ausgeglichenen Haushalt nicht mehr zu denken wäre.

Oder anders formuliert: Die rücksichtslose Verteilerpolitik der sächsischen Staatsregierung bezahlen in Leipzig auch auf diesem Wege wieder die, die eigentlich nichts zuzusetzen haben.

“Die Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat hat schon seit der Einführung von Hartz IV im Jahre 2005 die kommunale Richtlinie zu den Kosten der Unterkunft regelmäßig kritisiert und eine Richtlinie gefordert, die den tatsächlichen Verhältnissen des Leipziger Wohnungsmarkt entspricht”, sagte dazu Naomi-Pia Witte am Freitag. “Zuletzt mit dem Antrag A 258, in dem die Linke die Berechnung der KdU-Werte nach dem schlüssigen Konzept forderte, und der in der Stadtratssitzung im Mai 2012 nur knapp mit 23 Ja- gegen 24 Nein-Stimmen scheiterte. Aufgrund der erneuten Vorhaltungen des Leipziger Sozialgerichts, dass die Stadt Leipzig ihre Angemessenheitskriterien nicht nach einem schlüssigen Konzept aufgestellt habe, hat die Fraktion Die Linke den Antrag vom Mai 2012 in leicht modifizierter Form in der gestrigen Stadtratssitzung erneut ins Verfahren gebracht.”

Der Antrag der Linksfraktion als PDF zum download.

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