Der Streit um die Deicharbeiten spitzt sich zu. Öl ins Feuer gießt der Leiter der Landestalsperrenverwaltung Axel Bobbe, der wieder einmal an Leipziger Deichen Gefahr im Verzug unterstellt und den Leipzigern Angst macht, so der Umweltbund Leipziger Ökolöwe am Montag, 25. November, nachdem die LVZ am Wochenende getitelt hatte: "Leipzig in Angst vor Weihnachtshochwasser".

“Bisher liegen der Öffentlichkeit keinerlei aktuelle Unterlagen zum Deichzustand an irgendeinem Deichabschnitt in Leipzig vor. Unsere Nachfragen nach dem Umweltinformationsgesetz zur Einsicht in die Gefahrennachweise an verschiedenen Deichabschnitten wurden von der Landestalsperrenverwaltung (LTV) in allen Fällen rechtswidrig ignoriert. Offensichtlich hat die LTV hier etwas zu verbergen”, erklärt dazu Holger Seidemann, Vorstand des Ökolöwen.

Mittels dieser strategischen Manipulation der öffentlichen Meinung sei es der LTV in der Vergangenheit gelungen, ihre rein wasserbauliche Auffassung von technischem Hochwasserschutz gegen alle beteiligten Verbände und Behörden durchzusetzen. Leidtragend seien die Leipziger Bürger und Bürgerinnen und der Leipziger Auwald, der durch den oft überzogenen technischen Hochwasserschutz an vielen Deichabschnitten ausgesprochen öde wirkt und auch streckenweise trocken gelegt wird.

“Die Strategie der Landestalsperrenverwaltung ist hier nicht sonderlich subtil und wiederholt sich immer wieder. Erst beschwört sie ohne konkrete Beweise Gefahren herauf und lässt sich anschließend als Retter in der Not feiern. Ihr Ziel ist es, das offizielle Verfahren mit Variantenabwägung zu umgehen und dadurch Kosten zu sparen”, meint Holger Seidemann.

Gegenstand der aktuellen Auseinandersetzung ist der östliche Deichabschnitt südlich der Brückenstraße am Elsterflutbett im Naturschutzgebiet “Lehmlache Lauer” und Europäischen Schutzgebiet “Leipziger Auensystem”. Bei den Deich-Ausbauten gibt es zwei Varianten mit unterschiedlich tiefen Spundwänden. Bei der preiswerteren Variante wird eine etwa 6 Meter breite und mehrere hundert Meter lange Deichstraße hinter dem Deich entstehen, die den Lebensraum von europäisch bedeutsamen Arten und Lebensräumen zerstört und den Nutzungsdruck im Schutzgebiet erhöht.

Zu dieser Deichstraße waren bereits seit Monaten schonende Alternativen im Gespräch, die bei rechtzeitiger Einstellung sowohl planerisch als auch baulich zügig umsetzbar waren, wie man auch in einem Positionspapier des Ökolöwen vom Sommer 2013 nachlesen kann.Der Leiter der LTV Axel Bobbe unterstellt nun der Leipziger Naturschutzbehörde (Amt für Umweltschutz) Verfahrensverzögerung und verdreht damit die Tatsachen, so der Ökolöwe. Die Naturschutzbehörde ist dafür zuständig, eine naturschutzrechtliche Einschätzung vorzunehmen und dabei zwischen den Interessen des Hochwasserschutzes und des Naturschutzes abzuwägen. Das Amt für Umweltschutz hatte die LTV gestoppt, als diese ohne Anschauung des sensiblen Naturschutzgebietes, ohne Kommunikation und rechtswidrig mit dem Bau begann.

Es zeichnet sich nun ab, dass die Landestalsperrenverwaltung die Deichstraße im Naturschutzgebiet ohne zwingenden Grund und trotz erheblicher Schäden im Naturschutzgebiet weiter vorantreibt. Dazu Holger Seidemann vom Ökolöwen: “Die Landestalsperrenverwaltung hat im laufenden Verfahren die für Wasserbauer bequemste und billigste Variante durchgesetzt. Wenn durch diese unflexible Haltung eine Verzögerung eingetreten sein sollte, ist die LTV selbst verantwortlich.”

“Da die Deichbauer mit dem Kopf durch die Wand gehen und permanent das Naturschutz- und Verwaltungsrecht nicht nur in Leipzig sondern in ganz Sachsen beugen, wird sich die Europäische Kommission – Generaldirektion Umwelt – in naher Zukunft mit diesem und zahlreichen weiteren Fällen auseinandersetzen müssen.”

Ein Auszug aus dem im Sommer 2013 vom Ökolöwen erarbeiteten und veröffentlichten Dokument zu den Arbeiten am Deich an der Lauer:

1.3. Deichsicherung: Elsterhochflutbett südlich der Brückenstraße

Die Sicherung der Deiche des Elsterhochflutbetts zwischen dem Verteilerbauwerk Knauthain und der Brückenstraße stand 2013 im Fokus des Leipziger Katastrophenschutzes. Auf der linken Deichseite wurden mit Hilfe der Bundeswehr und der Bevölkerung Sandsackaufhöhungen errichtet und eine Zufahrt zur Deichverteidigung hergestellt. Mitunter erschwerte hohes Gras die Deichüberwachung.

Außer der schon 2011 aufgetretenen Sickerstelle am linken Deich wurden keine weiteren kritischen Stellen am Deich bekannt. Die Sicherung erfolgte wie bereits 2011 mit einer Sandsack-Quellkade. Die Tatsache, dass diese Schadstelle 2011 nicht kommuniziert und behoben wurde, ist schwer verständlich. Damals beantragte die LTV lediglich, am Hochflutbett einige wenige Einzelgehölze innerhalb des landseitigen Deichschutzstreifens zu beseitigen.

Die Deiche dieser 4 km langen Flutrinne sind für Leipzig von hoher Bedeutung. Linksseitig verhindern sie ein Überlaufen in die Weiße Elster und damit Überflutungen in Großzschocher und Schleußig. Rechtsseitig wären der Cospudener See und angrenzende Bereiche betroffen.

Angesichts der unbestrittenen Funktion dieser technischen Hochwasserschutzanlage gab es seitens des Ökolöwen zu keinem Zeitpunkt Zweifel, dass dort Deiche und Schutzstreifen gehölzfrei zu unterhalten sind. Für die Sicherung, Bewirtschaftung und Zuwegung ist einzig die LTV zuständig. Dies betrifft ebenso die Mahd der Deichwiesen als Bestandteil der Deichunterhaltung. Naturschutzrechtliche Einschränkungen gibt es dabei nicht. Vielmehr empfiehlt der Naturschutz aufgrund des Vorkommens des Großen Wiesenknopfes (Sanguisorbaofficinalis) sogar, eine zweischürige Mahd durchzuführen: die erste bis Ende Mai, die zweite ab Anfang September. Vor diesem Hintergrund wäre die Mahd im Juni 2013 bereits abgeschlossen gewesen.

Aktuellen Meldungen zufolge heißt es, dass die LTV nun beabsichtige, die Deiche südlich der Brückenstraße mit einer Kerndichtung aus Stahlprofilen oder Beton zu versehen. Diese Bauweise wird anderenorts angewandt, um wertvollen Baumbestand zu erhalten (z.B. Isardeiche in München). Bereits 2002 hatte der Ökolöwe diese Ausführung entlang der rechten Luppedeiche in Teilbereichen am Auensee vorgeschlagen. Auch 2011 hätte man so im Clara-Zetkin-Park die alten Eichen zumindest zwischen Rennbahn- und Sachsenbrücke erhalten können, um den Bezug zu den angrenzenden Alleen und Ufergestaltungen zu wahren.

Die ausführliche Position des Ökolöwen zum Hochwasserschutz für Leipzig: www.oekoloewe.de/media/documents/Hochwasserschutz_und_Auenentwicklung_in_Leipzig_2013.pdf

www.oekoloewe.de

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