Es stimmte wohl so gut wie nichts an dem, was das Leipziger Kulturdezernat am 9. Dezember meldete: "Vergabekammer bestätigt Rechtmäßigkeit der Weiterentwicklungsphase". Zwei Tage später musste selbst die Landesdirektion korrigierend eingreifen und betonen, dass die Vergabekammer sehr wohl "Wertungs- und Dokumentationsfehler festgestellt" habe. Also nichts mit Bestätigung.

Eher im Gegenteil: Die Rechtsposition der Preisträger des Wettbewerbs ANNABAU aus Berlin und M+M aus München wurde von der Vergabekammer weitestgehend bestätigt. So sehen es die Preisträger auch selbst, die sich nach dem seltsamen Bewertungsprozedere der so genannten “Bewertungsrunde” am 1. Juli 2013 geradezu über den Löffel balbiert fühlten. Da war eine Menge nicht wettbewerbskonform gelaufen, was Roland Quester, der auch schon in der Jury gesessen hatte, anschließend öffentlich kritisierte. Eine Kritik, die an den handelnden Amtsträgern ohne Effekt abzuprallen schien. Irgendwie scheinen die in einer Welt zu leben, in der man Wettbewerbe so hintricksen kann, wie sie einigen Leuten gerade passen.

Doch gerade für öffentliche Wettbewerbe gelten klare Regeln. Eine davon ist, dass Punktevergaben transparent und eindeutig zu sein haben. Auch die Bewertungskriterien müssen klar definiert sein. Alles so klar und transparent, dass z.B. auch Vergabekammern hinterher nachprüfen können, ob ein Ergebnis regelkonform zustande kam – oder eben nicht.

Und das Ergebnis, mit dem das Leipziger Kulturdezernat dann am 1. Juli hausieren ging, war es eindeutig nicht. “Die 1. Vergabekammer des Freistaats Sachsen hat jedoch durchaus nicht die Rechtmäßigkeit der von der Stadt Leipzig durchgeführten Weiterentwicklungsphase ‘bestätigt’, sondern der Stadt aufgegeben, ‘die Wertung der überarbeiteten Entwürfe unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen'”, zitieren die Preisträger aus der Entscheidung der Sächsischen Vergabekammer. “Vor allem aber steht bereits unübersehbar im ersten Satz, Punkt 1 im Beschluss der Vergabekammer vom 9. Dezember 2013: ‘Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Wertung der überarbeiteten Wettbewerbsentwürfe in ihren Rechten verletzt ist.'”

Und auch das mit der eingeschobenen Weiterentwicklungsphase sah die Vergabekammer anders, als die Leipziger Stadtverwaltung hinterher verkündete.

Die Sieger des ursprünglichen Wettbewerbs dazu: “Die Vergabekammer hat ebensowenig ‘bestätigt’, dass überhaupt eine solche Neubewertungsphase stattfinden durfte, mit der das Ergebnis des Preisgerichts im Nachhinein auf den Kopf gestellt wurde. Im Gegenteil: Schon in der mündlichen Verhandlung hat die Vergabekammer ausdrücklich ausgeführt, dass dieser Schritt des Vergabeverfahrens rechtswidrig war. Dies liest man deutlich im Resümee des Sitzungsprotokolls der Vergabekammer: ‘Die Vergabekammer hat ausführlich dargelegt, dass die Weiterentwicklungsphase vor dem Hintergrund, dass diese mit 20 % in das “Ergebnis des Wettbewerbes’ gerechnet werden soll, für vergaberechtswidrig hält. Darüber hinaus hat die Vergabekammer ausführlich dargelegt, dass sie die Gremiumssitzung d. h. die Wertung des Gremiums im Juli 2013 in verschiedenen Aspekten für nicht vergaberechtskonform hält. Zum einen wirft die Vergabekammer dem Wertungsgremium Verfahrensfehler vor und darüber hinaus ist auch ein Dokumentationsmangel festzustellen.”
Was ja im Klartext heißt: Die bunte Bewertungstruppe am 1. Juli hat nicht nachvollziehbar protokolliert, wie das Ergebnis zustande kam.

“Die Vergabekammer hat diesen eindeutigen Vergabeverstoß allein aus formalen Gründen nicht aufgreifen können, weil wir ‘präkludiert’ sind, d.h. Keine gültige, rechtzeitig eingelegte Rüge diesen Sachverhalt betreffend mehr vorlag”, so die Preisträger, die sich auch darauf verlassen hatten, dass die Bewertungsphase genauso rechtskonform abläuft wie der künstlerische Wettbewerb.

Das Fazit, dass die Sieger des Wettbewerbs ziehen: “Dennoch war unser Nachprüfungsantrag überwiegend erfolgreich, wie sich auch an der Kostenquote für das Gerichtsverfahren o.ä. ablesen lässt: Die Stadt muss zwei Drittel der Kosten tragen. Die Vergabekammer hat mit sehr deutlichen Worten ausgeführt, dass die Wertung der Stadt aus mehreren Gründen fehlerhaft war und sie sich nicht an den aufgestellten Wertungsmaßstab gehalten hat.”

Da aber die Punktevergabe vom 1. Juli nicht ordnungsgemäß protokolliert ist, steht die Verwaltung mitsamt ihrem sichtlich überforderten Kulturdezernat jetzt vor einem Dilemma: Wie will sie die Ergebnisse der Weiterentwicklungsphase jetzt eigentlich bewerten? Sie kann auf dem, was da am 1. Juli verkündet wurde und heute noch immer die Website zum Einheits- und Freiheitsdenkmal ziert (“Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen drei Beiträgen”), nicht aufbauen und einfach weitermachen. Nur zur Erinnerung: Auch die Zweitplatzierten realities:united waren nach diesem seltsamen Entscheid vom 1. Juli in Widerspruch gegangen.Will die Stadt jetzt einfach so tun, als hätte ihr die Vergabekammer einen Freibrief ausgestellt, den Wunschentwurf “Keine Gewalt – Herbstgarten” von Anna Dilengite, Tina Bara, Alba D’Urbano doch noch durchzusetzen?

Darüber grübeln auch die Wettbewerbssieger von ANNABAU und M+M: “Vor diesem Hintergrund ist die ‘Medieninformation’ der Stadt völlig unverständlich. Wollte sie die Entscheidung und Einschätzung der Vergabekammer beachten, könnte sie darin nicht eine ‘Bestätigung’ ihres Vorgehens sehen und kann vor allem nicht einfach ‘weiterarbeiten’. Wie soll eine ‘vertrauensvolle Zusammenarbeit’ aussehen, wenn die Stadt ein eindeutig rechtswidriges Verfahren einfach fortsetzen will, als sei nichts geschehen?”

Die Meldung der Leipziger Stadtverwaltung vom 9. Dezember in voller Länge:

Freiheits- und Einheitsdenkmal: Vergabekammer bestätigt Rechtmäßigkeit der Weiterentwicklungsphase

Datum: 10.12.2013, Bürgerservice und Verwaltung, Herbst 89

Im Nachprüfungsverfahren zur Vergabe von Planungsleistungen zum Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal hat die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen der Stadt Leipzig jetzt mit dem schriftlichen Beschluss das Ergebnis des Nachprüfverfahrens übermittelt. Die Vorgehensweise der Stadt Leipzig, eine Weiterentwicklungsphase durchzuführen, wird darin grundsätzlich bestätigt.

Die weiteren Aussagen in dem Beschluss zu den einzelnen Elementen der Weiterentwicklungsphase, müssen sorgfältig ausgewertet werden, um Rückschlüsse für die nächsten Schritte der Stadt Leipzig zur Realisierung des Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmals ziehen zu können.

Wichtig ist, dass an der Vorlage für den Stadtrat zur Beauftragung der Verwaltung mit dem Verhandlungsverfahren mit allen drei Preisträgern weiter gearbeitet werden kann, um im 1. Quartal 2014 eine Entscheidung erzielen zu können.

Hintergrund des Verfahrens vor der Vergabekammer war ein Nachprüfungsantrag der Verfasser des Entwurfes “Siebzigtausend” des Wettbewerbs zum Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal, die mit dem Ergebnis der Bewertung der Weiterentwicklung nicht einverstanden sind.

Die Stadt Leipzig hofft auf das Einvernehmen mit allen drei Preisträgern und geht von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit diesen aus.”

Zum nach wie vor diffusen Informationsstand der Leipziger Verwaltung zur “Weiterentwicklungsphase”:
www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/unsere-stadt/leipziger-freiheits-und-einheitsdenkmal/weiterentwicklung-der-preistraegerentwuerfe-2013/

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