Am 25. Mai wählen die Leipziger ihren künftigen Stadtrat. In dem möchte die NPD wieder vertreten sein. 2009 errangen die Rechtsextremen zwei Mandate. Eines davon ging ihnen zwischenzeitlich verloren, da Stadtrat Rudi Gerhardt das Parteibuch abgab. Der Wahlkampf 2014 verläuft für die Neonazis ebenfalls von Beginn an eher ruppig.

Am 19. März schauten sich einige NPD-Bewerber schon Mal im Neuen Rathaus um. Vor Beginn der Ratsversammlung betraten Alexander Kurth und Enrico Böhm den Plenarsaal, der für Zuschauer eigentlich tabu ist. Ganz selbstbewusst teilten die beiden rechten Kandidaten einem Journalisten mit, sie würden schon einmal ihr künftiges Wohnzimmer besichtigen. Anschließend provozierten die Kameraden von der Besuchertribüne aus weiter. Ein Intermezzo mit der parlamentarischen Demokratie in Leipzig, welches bereits zur Sitzungspause vorzeitig endete, die beiden Herren verließen das Rathaus und trollten sich in unbekannte Richtung.

Diese ist im Falle der Wahlkampfthemen der NPD hingegen bereits länger bekannt. Mit rassistischen Tönen gegen Flüchtlinge und die geplante Moschee in Leipzig-Gohlis möchten die Kameraden im Leipziger Wahlkampf punkten. Die örtliche NPD inszeniert sich dieser Tage dabei wieder einmal bieder bis seriös. Per Pressemitteilung teilte der Kreisverband am 18. Februar mit, wen er zukünftig ins Rathaus entsenden möchte. Die Kandidatenportraits im Anhang zeigten fast durchweg Männer in Anzügen. Freilich kein teurer Zwirn, aber optisch trotzdem besser als Klamotten von “Thor Steinar”, “Consdaple” und Co..
Das Foto-Shooting fand in der schmucken Mädlerpassage statt. Die Kameraden wissen, wie man Männer aus der Mitte der selbst propagierenden Volksgemeinschaft in Szene setzt. Leider versäumte die Partei, die Betreiber der noblen Shopping-Mall um Erlaubnis für die Werbeaufnahmen zu fragen. Wohl deshalb sind die Bilder bereits wieder von der Website des Kreisverbands verschwunden, die Betreiber der Passage baten nach Informationen der L-IZ schriftlich um deren Löschung.

Ohnehin finden interessierte Bürger auf der Internetseite der Rechtsausleger zurzeit nur spärliche Informationen über die Wahlbewerber oder gar Vorschläge zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Themen, welche die Zukunft Leipzigs bestimmen könnten.

In manchen Fällen mag die Zurückhaltung bezüglich der einzelnen Kandidaten sogar ihre Berechtigung haben. Immerhin sind einige Kandidaten wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Gefängnisaufenthalte machen sich nicht gut im Lebenslauf. JN-Kader Alexander Kurth verbüßte eine mehrjährige Haftstrafe. Kai Mose saß im Gefängnis. Lang ist auch das Vorstrafenverzeichnis von Enrico Böhm. Es ist geradezu paradox, dass ausgerechnet der frühere Lok-Hooligan, dessen Kandidatur für sich genommen schon dem NPD-Image schadet, neben Stadtrat Klaus Ufer 2014 wohl ganz gute Karten für ein Stadtratsmandat haben könnte.

Grund sind ausgerechnet Böhms zweifelhafte “Verdienste” im Fußball-Milieu. Bei der Kommunalwahl 2009 erzielte der Leipziger das zweitbeste NPD-Einzelergebnis. Nur das komplexe Wahlrecht und die gegenseitige Gewichtung der Wahlkreise verhinderten damals den Einzug ins Parlament. Zwei Bewerber könnten wegen einer Eigenangabe im Feld “Beruf” noch Probleme mit den Behörden bekommen. Kai Mose und Karsten Boden sind nach Parteiangaben selbstständig im Sicherheitsgewerbe tätig. Allerdings haben die Leipziger versäumt, ihre Tätigkeiten dem Ordnungsamt anzuzeigen.
Die Behörde ist für die Überwachung der Leipziger Sicherheitsfirmen zuständig und kontrolliert insbesondere, ob das Wachpersonal die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, die in der Bewachungsverordnung (BewachV) festgeschrieben sind. Dabei gilt seit Jahren: Wer in Deutschland als Security arbeiten möchte, muss mindestens einen Lehrgang absolviert und eine Prüfung bei den Industrie- und Handelskammern abgelegt haben. Außerdem wird das Führungszeugnis auf einschlägige Vorstrafen hin überprüft. Schließlich wäre es fatal, wenn beispielsweise ein notorischer Bankräuber den Tresorraum eines Geldinstitutes bewachen würde.

Weiterhin dürfen Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste keinen extremistischen Vereinigungen angehören. Dies gilt auch für Unternehmer, sofern sie selbst Bewachungsaufgaben wahrnehmen. Weil die Ordnungsämter nicht jeden Extremisten persönlich kennen können, dürfen sie die Landesämter für Verfasssungsschutz um Auskunft ersuchen. In Sachsen geschieht dies flächendeckend.

Wenn rechte Kameraden trotzdem im Sicherheitsgewerbe auftauchen, dann in der Regel, weil ihr Arbeitgeber oder sie selbst das Ordnungsamt unzureichend oder gar nicht informiert haben. Bei Bekanntwerden droht ein Ordnungsgeld. Kai Mose und Karsten Boden dürfen nach geltender Rechtslage schon wegen ihrer politischen Ansichten von keinem Sicherheitsunternehmer eingesetzt werden. Sie dürfen auch selbst keine Security-Tätigkeiten wahrnehmen.
“Die Prüfung des Ordnungsamtes hat ergeben, dass weder Kai Mose noch Karsten Boden für Security-Tätigkeit beziehungsweise Tätigkeiten nach § 9 (2) BewachV in der Stadt Leipzig im Gewerberegister registriert sind”, teilt ein Pressesprecher auf Anfrage mit. Ganz offensichtlich hat die NPD ihren Kandidaten ein unangenehmes Ei ins Nest gelegt. Beiden drohen berufliche Konsequenzen. Und dass, wo beide keine realistischen Aussichten auf ein Mandat haben.

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Abgesehen von Enrico Böhm und dem damaligen JN-Chef Tommy Naumann erzielten vor fünf Jahren zudem vor allem ältere Bewerber aussichtsreiche Ergebnisse. Axel Radestock, der in der Georg-Schumann-Straße ein kleines Geschäft betreibt, wird für viele rechtsorientierte Wähler in seinem Stadtteil ein bekanntes Gesicht sein.

Rudi Gerhardt und der Landtagsabgeordnete Winfried Petzold teilten sich hingegen 2009 in ihrem Wahlkreis insgesamt 1.774 NPD-Stimmen zu annähernd gleichen Teilen. Gerhardt ging der NPD mittlerweile verloren, Petzold ist im Dezember 2012 verstorben. Dass dieselben Wähler, die 2009 die ultrakonservativen NPD-Senioren wählten, jetzt ihr Kreuz bei Enrico Böhm setzen, darf zumindest in Frage gestellt werden. Gerade die klassischen Protestwähler könnten ebenso gut für die rechtspopulistische “Alternative für Deutschland” votieren und fänden dort auch wieder ihre Altersgruppe verstärkt vertreten vor. Was die auch 2014 weitgehend themenfreie NPD zusätzlich unter Druck bringen könnte – die “Wundertüte” AfD, welche selbst derzeit noch um Unterstützer-Unterschriften zur Wahlzulassung ringt.

Statt konkrete Lösungsvorschläge für die dringlichsten Probleme Leipzigs auf den Tisch zu legen, gerieren sich die Rechten derzeit eher als Opfer. In Pressemitteilungen der vergangenen Tage berichten Vertreter der Partei über gewalttätige Übergriffe auf ihr Eigentum. Am 12. März zündeten Unbekannte nach Polizeiangaben im Leipziger Westen den Kleintransporter eines NPD-Kandidaten an. Die Partei berichtet im Internet von weiteren Angriffen. Wie die Polizei bestätigt, steckten Unbekannte das Carport des Kreisvorsitzenden Helmut Herrmann in Brand. Dessen Pkw fiel den Flammen zum Opfer. Der Staatsschutz ermittelt.

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