Da staunten Isabel Siebert und Oliver Dorausch (Geschäftsführer), beide Mitglieder der FDP-Fraktion im Stadtrat nicht schlecht, als sie die schriftliche Antwort der Verwaltung am Rande der Stadtratssitzung vom 19. März in der Hand hielten. Nach endlosen Debatten in den vergangenen Tagen rings um die Frage, was nun mit dem seit 1. August 2013 geltenden Rechtsanspruch der Leipziger Eltern auf einen Kita-Platz sei, ergab die Anfrage der FDP-Fraktion eine erstaunliche Antwort. Über 500 freie Plätze weist die Antwort der Verwaltung an die Liberalen ab April noch in diesem Jahr aus.

Gefragt hatte die FDP im Vorfeld sehr präzise. “Wie viele Betreuungsplätze im U3-Bereich sowie im Kindergartenbereich sind derzeit verfügbar – für einen Betreuungsbeginn im April 2014, Mai 2014, Juni 2014, Juli 2014 sowie August 2014?”

Die trockene schriftliche Antwort der Verwaltung: “Mit Stand vom 12.03.2014 waren im Trägerportal des KIVAN 512 Plätze, im U3-Bereich und 234 Kindergartenplätze für Kinder über 3 Jahren nicht belegt, die über den gefragten Zeitraum nicht mit Verträgen im System untersetzt waren.”

Wichtig auch die Frage, wie sich die Plätze im U3-Bereich auf Kitas und Tagespflegepersonen genau verteilen würden. 369 Tagespflegeplätze und 143 Kitaplätze seien für die angefragten Zeiträume verfügbar. Was Isabel Siebert zu einer weiteren Nachfrage bei Sozialbürgermeister Thomas Fabian und eine klare Forderung veranlasste.

Die “stille Reserve” müsse gestrichen werden, so Siebert. Weiter heißt es seitens der FDP-Stadträtin: “Angesichts verschickter Absagen an Familien, die einen Betreuungsplatz suchen, und dem Hinweis, dass vor September keine Plätze verfügbar sind, sind die Zahlen kaum zu glauben”, so die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Isabel Siebert (36), “es muss die Frage erlaubt sein: Wo kommen die 745 Betreuungsplätze auf einmal her?”

Zum plötzlichen Anwachsen der freien Plätze möchte die Stadtverwaltung noch in dieser Woche (Freitag) im Rahmen einer Pressekonferenz weitere Erklärungen abgeben, hieß es am Rande der Sitzung. Erläuterungen, welche manchem Elternteil neu vorkommen werden – werden sie doch diesmal eher in Richtung “es geht”, statt “nichts mehr frei” ausfallen.

Ein kleiner Teil der Überraschung erschließt sich bei Antwort drei der schriftlichen Verwaltungsauskunft. Hier heißt es seitens der Verwaltung schlicht – manche Plätze sind da, aber nicht jeder kann sie auch sehen im Kitaportal. Genau formuliert liest sich das so: “Freie Plätze im U3-Bereich sind durch die Verwaltung der Verträge in den Einrichtungen im Trägerportal des KIVAN abgebildet. Ob die Plätze für Eltern recherchierbar sind, wird durch den Status der Kita im Elternportal und die trägerspezifische Reserve bestimmt. Im Elternportal werden 2 % der freien Plätze nicht angezeigt, um eine Prioritätensetzung bei der Platzvergabe zu sichern. Die Verteilung dieser Poolplätze auf die Kategorien Krippe- und Kitaplatz und die Nutzung der Anzahl der Poolplätze obliegt dem Träger. Von den 221 Kitas im Trägerportal sind 152 Kitas im Elternportal sichtbar.”

Mit Blick auf das von der FDP-Fraktion vorgeschlagene Soforthilfeprogramm sagte Siebert angesichts dieser Auskunft: “Wenn die Zahlen stimmen und es sich um tatsächlich freie Plätze handelt, könnten wir vielleicht sogar auf ein umfassendes Hilfeprogramm verzichten: Es müssen jetzt ausnahmslos alle Plätze ins Verwaltungssystem eingespielt werden. Hier sind die Träger gefordert, das kurzfristig umzusetzen. Die geheime 2-Prozent-Reserve muss sofort weg. So etwas darf es nur noch in kleiner Menge für besondere Notsituationen geben, so dass nur der Allgemeine Sozialdienst Zugriff darauf hat.”

Ein weiterer Baustein – neben offensichtlich auch gänzlich neu hinzugekommenen Plätzen – ist die Anpassung des derzeit eher großzügig bemessenen Verhältnisses zwischen Kindern und der verfügbaren Quadratmeterzahl pro Kind in Leipzig auf das zulässige rechtliche Maß. Ein klein wenig werden die Kiddies also hier und da zusammenrücken, um weitere Spielkameraden zu bekommen. Handeln musste angesichts des enormen Drucks auf der Seite des Bedarfs und auch ein wenig, weil im Falle keiner Lösung durchaus finanzielle Sorgen durch Klagen drohen könnten. Was die FDP auch erfragte: “In welchem Umfang sind Rückstellungen für Gerichtskosten und Entschädigungszahlungen mit Blick auf nicht erfüllte Rechtsansprüche auf einen Betreuungsplatz für die Haushaltsjahre 2013 und 2014 gebildet worden?” Antwort: “Es wurden keine Rückstellungen für Gerichtskosten und Entschädigungszahlungen gebildet. Für die Erstattung von Kosten für Alternativbetreuungen sind 150.000 Euro im Haushalt 2014 eingestellt.”

Angesichts der auch nach dem durchaus erstaunlichen Auftauchen weiterer 745 Plätze Fehlbestand von zirka 1.000 Plätzen bis September 2014 ein nach wie vor laufendes Vabanque-Spiel.

Überdies seien laut Antwort der Stadt noch immer nicht alle Träger überhaupt Teilnehmer der Online-Vergabe der Stadt. Ein Zustand, welcher es den suchenden Eltern bis heute schwer macht, an einer fairen Vergabe in Zeiten des Mangels teilzunehmen.

Näheres also nach der ersten Überraschung am heutigen Tage am Freitag, den 21. März 2014.

Die vollständige Antwort der Verwaltung auf die Kita-Abfrage der FDP-Fraktion
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/8FC3B3F351CA6159C1257CA000473592/$FILE/V-f-1104-antwort-schriftl.pdf

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