Zwischen den Leipziger Linken und den Grünen qualmt es ja bereits mächtig, wenn es um die offizielle Einladung Vitali Klitschkos zum Lichtfest 2014 geht. Ausgesprochen hatte diese Oberbürgermeister Burkhard Jung vor wenigen Tagen an seinen frisch gewählten Kiewer Amtskollegen von der Partei Udar (Schlag). Margitta Hollick und Volker Külow (bei die Linke) hatten daraufhin vor einem unkritischen Umgang mit der gesamten "Ukraine-Frage" und der Rolle Klitschkos gewarnt und Distanz gefordert. Die Grünen hatten sich daraufhin auf die Seite des OBM gestellt. Es sei selbstverständlich, dass man den Bürgermeister der Leipziger Partnerstadt einladen würde. Nun wirft sich auch die Leipziger CDU in die teils unübersichtliche Gemengelage.

Die Diskussion rings um die Ukraine ist breit und hat nun über eine simple Einladung eines Bürgermeisters an einen anderen auch die Leipziger Kommunalpolitik erreicht. Eine gute Gelegenheit für alle bislang unbeteiligten Lokalpolitiker, endlich mal ausführlich über Krieg und Frieden, die Wendejahre, Putin, die Ukraine, Schuld und Unschuld zu räsonieren. Wichtig dabei offenbar – wer ist der größere Demokrat, wer hatte schon immer Recht und wieso kein anderer.

Die CDU Leipzig hat sich nun auf der gestrigen Kreisvorstandssitzung auch mit der Einladung befasst. “Die Union begrüßt die Einladung Klitschkos”, heißt es heute eigentlich erwartungsgemäß seitens der Christdemokraten. Robert Clemen, Kreisvorsitzender der CDU und Landtagsabgeordneter: “Da macht der SPD-Oberbürgermeister einmal etwas richtig und die Linke fordert kritische Distanz. Eine einigermaßen absurde Forderung”. Weiter heißt es: “Wir unterstützen Burkhard Jung eindeutig bei seiner Einladung für den neuen demokratisch gewählten Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko anlässlich der Feierlichkeiten zum Herbst 1989 in diesem Oktober”.

Passt, wackelt und hat Luft – hier könnte das Statement enden. Doch die Mischung Wende, Revolution und Linkspartei ist einfach zu verlockend, um nicht noch mehr Aspekte zu besprechen.

“Kritische Distanz ist vor allem zu den Äußerungen von Linken-Chef und vormaligem Stasi-IM Külow und seinen Genossen zu wahren. Offensichtlich hat es die SED-Nachfolgepartei noch nicht verkraftet, dass die Ukraine nicht mehr zur untergegangenen Sowjetunion gehört. Dass seitens der linken Stadtratsfraktion der Linken der russischstämmige Alexej Danckwart hier in besonderem Maße Wortführer ist, verwundert nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass die Genossen genauso lautstark interveniert hätten, als russischstämmige Kräfte auf der Krim und in der Ost-Ukraine völkerrechtswidrig einen souveränen Staat versuchten ins Wanken zu bringen”, so Robert Clemen.
Das ist vielleicht das Verheerende an den Betrachtungen heutiger Tage voller Propaganda auf allen Seiten, wenn es um die Ukraine geht. Jeder greift sich einen Teil des Gesamtkonfliktes heraus und baut darauf eine kleine Logikmühle. Und die mahlt und mahlt, bis nichts anderes mehr Gültigkeit hat. Noch sind die Vorgänge rings um die Maidan-Proteste seit dem 21. November 2013, die Schüsse auf die Protestierenden, das Einwirken und die Unterstützung der deutschen CDU über ihre Konrad-Adenauer-Stiftung, die angeblichen Milliarden-Investitionen der USA, Gerüchte um bezahlte Demonstranten und das “Fuck the EU” der US-Diplomatin Victoria Nuland nicht wirklich zu Ende debattiert. Einer Einordnung auch dieser Seite des Geschehens verweigern sich gerade Christdemokraten, egal, wie oft Süddeutsche, Zeit, Spiegel und andere über den Beginn der Verwerfungen in der Ukraine bereits berichteten.

Nur zaghaft wird immer wieder einmal erwähnt, warum die Entweder-Oder-Haltung der EU gegenüber der Ukraine mit zum heutigen Konflikt beigetragen hat. Das Land war genau in dem Moment bereits von äußerer Einmischung und einer zunehmenden Destabilisierung geprägt, als Catherine Ashton im Namen der EU auf dem Maidan Brötchen verteilte.

Die CDU setzt den Konfliktbeginn konsequent auf die widerrechtliche Einnahme der Krim durch die russische Förderation – das erspart die Diskussion über das Warum.

Statt einer logischen Folgerung folgen auch seitens der Leipziger CDU Dämonisierungsversuche, welche sich gegen den Absender und weniger gegen die Sache selbst richten.

Stattdessen inszeniere sich die Leipziger Linke als Friedensengel, so die Leipziger CDU weiter. Clemen zum Kurs der Linken: “Dass sich die Leipziger Linken auf die Seite der Interventionisten um den russischen Präsidenten Putin schlagen, verwundert nicht wirklich. Schließlich kommen alle aus demselben Stall”, so Robert Clemen, der sich nach seinen Ausführungen “selbst im Demokratischen Aufbruch für die Überwindung der kommunistischen Diktatur engagierte und von den MfS-Genossen bespitzelt wurde.”
Was dabei durchaus sauer aufstößt, ist der immer gleiche moralische Singsang, statt einer sauberen Analyse heutiger Themen. Moralisch wähnt man sich auf der richtigen Seite, wo es in mindestens dreidimensionalen Problemräumen in der Ukraine längst keine “richtigen Seiten” mehr gibt. Stattdessen das Aufwiegen von Unrecht gegen Unrecht, was am Ende selten Recht wird.

Weiter heißt es bei der Leipziger CDU: “1989 und früher war der Hauptfeind die eigene Bevölkerung. Heute hat sich daran nichts geändert, nur dass der Stasi-Spitzel als Begründung das demokratische Grundgesetz heranzieht. Ein Grundgesetz, dass er mit seinem Spitzelkollegen Putin bis 1990 aufs Schärfste bekämpft hat.”

Wie kurios der ewige Vorwurf an die Linke mittlerweile ist, zeigt ein kleiner Ausflug in die neuere Geschichte der Sachsen-CDU. So ist Wladimir Putin seit 2009 Träger des nicht-offiziellen Ordens “Heiliger Georg zu Pferde”, die Laudatio zur Verleihung hielt einst Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in der Dresdner Semperoper.

Tillich, “der 1989 noch Staatsfunktionär in einem Rat des Kreises war” (SPON 16. Januar 2009) und somit als CDU-Blockflöte bis fast zuletzt dem DDR-Regime die Treue hielt. Heute steht er unangefochten an der Spitze der sächsischen CDU, ein ehemaliges SED-Mitglied ist nicht nur sein Parteikollege, sondern auch Polizeipräsident der Stadt Leipzig und tauschte einst wie einige andere Karrieristen schneller das Parteibuch, als es die breite Masse mitbekam. All dies ein sicheres Zeichen zumindest dafür, dass die Verwendung einer DDR-Biografie im Jahr 25 nach der Wende mit Vorsicht zu genießen ist. Und sich Geschichte eben immer weiter dreht – nur mühsam von der Wahrheit gefolgt und vom permanenten Kampf um die Deutungshoheit auch der Zeit um 89 geprägt.

Für Robert Clemen steht zumindest eines bereits sicher fest, wenn es um die Einladung zum Lichtfest und die Person Vitali Klitschko geht:”Vitali Klitschko ist ein Demokrat. Seine Wähler sind Demokraten. Die ihnen von den Linken zugedichtete Nähe zu den Rechtsradikalen ist deren reine Erfindung. Er ist der demokratisch gewählte Bürgermeister unserer Partnerstadt Kiew und gehört damit selbstverständlich – und grade wegen der jüngsten Demokratiebestrebungen auf dem Maidan – im Oktober 2014 zu den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution 1989 nach Leipzig. “

Warum auch nicht? Einen kritischen Umgang mit den Geschehnissen in der bis heute heftig umkämpften Ukraine jedoch auszuschließen, hieße das gleiche Leichentuch über die Geschehnisse in der Ukraine legen, wie es so mancher mit der DDR und dem Wendeherbst längst getan hat. Zugunsten einer jährlich wiederholten Folkloreveranstaltung auf dem Augustusplatz, statt ein wirkliches Erinnern auch und gerade an das begangene Unrecht in der DDR. 2014 gern auch an die wachsende Zahl der Toten in der Ukraine.

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