Seit dem 12. Dezember 2012 hat Leipzig so etwas Ähnliches wie eine Informationsfreiheitssatzung. Beschlossen hat der Stadtrat damals auch, dass es Mitte 2014 den ersten Bericht zum Vollzug geben soll. So etwas Ähnliches hat Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller (SPD) jetzt auch vorgelegt. Er hätte auch einen Smiley dran kleben können: So grinst die Verwaltung.

Denn es ist genau das eingetreten, was Grüne und FDP befürchtet haben: Wenn Leipzigs Verwaltung nicht will, dann will sie nicht. Und dann fällt ihr auch immer etwas ein, um dafür zu sorgen, dass die Bürger ganz bestimmt nicht das bekommen, was sie sich wünschen.

Andreas Müller schwärmt zwar in der Vorlage, dass “bereits heute vielfältige Möglichkeiten vorhanden sind, um jederzeit an die unterschiedlichsten Informationen zu gelangen und dass auch weiterhin an der Vervollkommnung der Bereitstellung von Informationen/Daten in der Stadtverwaltung gearbeitet wird.” Betont dann aber auch gleich: “Natürlich immer unter Beachtung des Datenschutzes.”

Allein vier Paragraphen aus der Informationsfreiheitssatzung beschäftigen sich mit diesem “Datenschutz”: § 7 Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung, § 8 Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesse, § 9 Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, § 10 Schutz personenbezogener Daten.

Gerade der Schutz der behördlichen Entscheidungsbildungsprozesse hat es in sich. Er umfasst auch die Unterlagen aus als nicht öffentlich eingestuften Veranstaltungen: “Der Antrag ist abzulehnen, soweit Protokolle, nicht öffentliche Vorlagen bzw. sonstige Unterlagen und Informationen von nicht öffentlichen Beratungen betroffen sind.”

Ansonsten könnten sich die Bürger ja auch in den sowieso schon existierenden Angeboten bestens informieren: “Von Seiten der Stadtverwaltung wurden eine Vielzahl von Instrumentarien zur aktiven Information der Bürgerinnen und Bürger installiert, wie z. B. die regelmäßigen Berichterstattungen aus den Dienstberatungen des Oberbürgermeisters, das o.g. Ratsinformationssystem, das Bürgertelefon Leipzig, der Bürgerhaushalt (Bürgerwerkstatt), die Beantwortung von Einwohneranfragen, verschiedene Informationsveranstaltungen (z. B. zu Bauvorhaben) usw.”Aber gerade darum ging es ja bei der Informationsfreiheitssatzung eher nicht, sondern um Auskünfte und Dokumente, die dort nicht einsehbar sind. “Der Erlass der IFS dient dazu, die Transparenz der Stadtverwaltung zu erhöhen, die Zugangsmöglichkeiten zu städtischen Informationen unabhängig vom Vorliegen eines berechtigten Interesses für die interessierte Öffentlichkeit zu fördern”, heißt es dazu in der Satzung.

Aber der Bericht von Andreas Müller zeigt auch, dass das eigentliche Abschreckungsinstrument, das man in die Satzung eingebaut hat, bestens funktioniert. Es sind die Kosten der Auskünfte. Die Grünen hatten es moniert, weil sie genau das befürchtet hatten: Dass die Verwaltung sich durch hohe Gebührensätze Arbeit vom Hals halten will. Ähnlich sah es nur noch die FDP-Fraktion, die für eine Bagatellfreigrenze warb: 15 Euro als Bearbeitungsgebühr – mehr nicht. Damit könnte auch der normale Leipziger kalkulieren.

Doch die großen Fraktionen im Stadtrat sahen wohl nicht, was jeder Normalverdiener sofort sieht: Wenn Leipzigs Kostentabelle zuschlägt, braucht man entweder ein dickes Sparkonto oder einen Lottogewinn, denn diese Gebühren orientieren sich nicht am normalen Erwerbseinkommen der Leipziger.

Und weil die Stadtratsmehrheit wieder brav die Hand hob, steht § 14 jetzt genau so da, wie ihn die Verwaltung wollte: “Für Amtshandlungen aufgrund dieser Satzung werden Kosten (Gebühren und Auslagen) nach den entsprechenden Regelungen der Verwaltungskostensatzung der Stadt Leipzig erhoben. Die Gebühren sind so bemessen, dass zwischen Verwaltungsaufwand einerseits und dem Recht auf Informationszugang anderseits ein angemessenes Verhältnis besteht. Die Höhe der Gebühren richtet sich nach dem bestehenden Kostenverzeichnis. Die Antragsteller sind bei Antragstellung über diesen Umstand zu informieren. Sofern für Amtshandlungen nach dieser Satzung Kosten entstehen, weist die Stadt den Antragsteller/die Antragstellerin rechtzeitig auf deren voraussichtliche Höhe hin.”

In welchen Dimensionen sich das bewegt, sieht man mit Blick in die Verwaltungskostensatzung der Stadt. Da steht für Jedermann zu lesen: “Erteilung einer umfassenden schriftlichen Auskunft 25 – 500 Euro”. Oder: “Zur Verfügung stellen von Akten oder sonstigen Informationsträgern
– in einfachen Fällen 10 – 100 ?
– bei umfangreichen Anfragen 50 – 1.000 ?
– bei außergewöhnlich umfangreichen Anfragen 250 – 2.500 ?.”

Wer umfangreiche Anfragen hat, sollte wohl vorher ein Spendenkonto einrichten.

Aber selbst wenn es sich nur um “einfache Fälle” handelt, wird die Kostennote für die Antragsteller in der Regel schon ein Dämpfer gewesen sein: 70 Euro wurden für eine Anfrage zum Krematoriums-Betrieb fällig. Die Akteneinsicht zum Bauplanverfahren Friedrich-Ebert-Straße wurde mit 100 Euro plus 8 Euro Kopiergeld beziffert, bei einer Nachfrage zu Geschwindigkeitsüberschreitungen in der Gohliser Straße wurde dem Antragsteller die Kostennote per Telefon mitgeteilt. Da hat er wohl geschluckt und verdattert aufgelegt. Müllers trockener Kommentar: “In der Folge wurde von der Antragstellerin die Einsichtnahme in die betreffenden Unterlagen nicht mehr gewünscht.”

Aber man kann auch all die Paragraphen zum Datenschutz verwenden, um Anfragen abzublocken. Mal wohnt der Anfrager nicht in Leipzig – Pech gehabt – keine Auskunft. Ein Leipziger will Auskunft haben über die Modalitäten beim Verkauf eines städtischen Grundstücks durch das Liegenschaftsamt? – Pech gehabt. Ist Privatsache. Unterliegt dem Datenschutz.

Das Resümee des Verwaltungsbürgermeisters: “Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass nach Inkrafttreten der IFS nur bei einer Anfrage eine Akteneinsicht stattgefunden hat. Zwei Anträge mussten entsprechend IFS abgelehnt werden. Bei einem Antrag wurde nach Bekanntgabe der Kosten die Einsichtnahme nicht mehr gewünscht.”

Aber vielleicht merken jetzt auch die größeren Fraktionen im Stadtrat, dass sie was falsch gemacht haben.

Die Informationsfreiheitsatzung als PDF zum Download.

Die Kostensatzung der Verwaltung als PDF zum Download.

Der Bericht des Verwaltungsbürgermeisters als PDF zum Download.

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