Die Sache hat Methode. Immer dann, wenn es um Fragen des Umwelt- und Lärmschutzes in Leipzig geht, kneift Leipzigs Stadtverwaltung, versteckt sich hinter Verwaltungsparagraphen, gibt auch gern dutzende Gutachten in Auftrag, die belegen sollen, dass die Verwaltung nicht handeln kann. Einmal hatte in diesem Jahr der Stadtrat schon die Nase voll von dem Rumgeeier: bei der so genannten "kurzen Südabkurvung" des Flughafens Leipzig/Halle.

Seit 2006 zieht sich dieser Streit. Der kein Streit ist, weil die Leipziger Stadtverwaltung prinzipiell abtaucht. Der Oberbürgermeister genauso wie sein Umweltbürgermeister, der in der Stadtratssitzung im Januar noch abwiegelte: “Jedes Agieren der Stadt Leipzig aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVG) ist mit dem Rechtsstaatsgebot nicht vereinbar.” Er vertröstete die Stadträte auf das Urteil des OVG Bautzen.

Aber den Prozess vorm OVG führt nicht die Stadt Leipzig, sondern der Ökolöwe, der nun seit neun Jahren darum kämpft, dass die Sache endlich vor Gericht behandelt wird. Immer wieder wurde die Sache verzögert, versuchten sich die sächsischen Gerichte gar aus der Schlinge zu ziehen, indem sie meinten, die Sache sei gar nicht gerichtsfähig. Bis vors Bundesverwaltungsgericht mussten die Leipziger Naturschützer ziehen, um endlich die klare Auskunft zu bekommen: Natürlich haben Betroffene das Recht, gegen eine Flugroute zu klagen, die nicht dort verläuft, wo sie in den Planbeteiligungen eingemalt war.

Bekanntlich ist dieser Versuch der Deutschen Flugsicherung, die betroffenen Bürger in falsche Sicherheit zu wiegen, in Berlin schief gegangen. Dort mussten die Flugsicherer frühzeitig neue Routen festlegen, an die der Großflughafen Berlin künftig gebunden ist.

In Leipzig wurde den nachfragenden Bürger stets versichert, dass die im Bauplanverfahren anvisierten Flugrouten so stimmen würden.Doch mit Eröffnung der Flugbahn Süd 2007 galt das auf einmal nicht. Galt wohl auch vorher nicht. Seitdem hat zumindest eine Stadt in der Fluglärmkommission ihre geringen Möglichkeiten genutzt, diese Routen immer wieder anzumahnen. Im Frühjahr erzielte Halle wenigstens einen Kompromiss, was den Überflug der Wohngebiete in Halle-Süd betrifft.

Leipzig hat das nicht einmal versucht. Und versucht sogar noch nach der Stadtratsentscheidung im Juli zu kneifen. Da hat die Mehrheit der Stadträte dafür gestimmt, dass die Stadt dem Rechtsstreit um die “kurze Südabkurvung” als Betroffene beitritt und vor allem dem Ökolöwen endlich auch finanziell unter die Arme greift. Denn die vielen Rechtsstreite, die der Naturschutzbund mittlerweile bestreiten muss, weil insbesondere das Land Sachsen den Naturschutz im Raum Leipzig immer wieder mit Füßen tritt, kosten nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Mitunter viel Geld.

In der Ratsversammlung am 17. September kommt die “kurze Südabkurvung” nun wieder auf die Tagesordnung. Dr. Matthias Gründig aus Böhlitz-Ehrenberg hat als Einwohner eine entsprechende Anfrage gestellt. Er hatte sich im Mai auch für die Wählervereinigung Leipzig zur Wahl gestellt – doch die Wählervereinigung konnte nur einen einzigen Sitz im Stadtrat erringen. So dass das Thema jetzt wieder über Bürgeranfragen und Petitionen in den Stadtrat kommen muss.

Er weist darauf hin, dass es die Ortschaftsräte der drei am schwersten vom Fluglärm betroffenen Ortsteile waren, die den Antrag gestellt hatten: “Der Stadtrat hat in seiner letzten Sitzung auf Antrag der Gemeinden Lindenthal, Böhlitz-Ehrenberg und Lützschena-Stahmeln beschlossen, die Bürgerinitiativen im Rechtsstreit zur Abschaffung der Südabkurvung zu unterstützen. Dies wird vom OBM abgelehnt, da die Stadt aus angeblich rechtlichen Gründen dem Verfahren nicht beitreten kann.

Das Verfahren vor dem OLG in Bautzen geht in den nächsten Wochen in die entscheidende Runde. Für die Fortsetzung des Verfahrens fehlen der Bürgerinitiative noch ca. 6.000 – 8.000 Euro. Es lassen sich genügend Beispiele finden, bei denen auch die Stadt Leipzig selbst als Grundstücks- und Immobilieneigentümer vom Fluglärm der kurzen Südabkurvung betroffen ist (Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Erholungsgebiete etc.).”

Die Frage, die er dazu hat, ist dann also ganz nüchtern diese: “Warum unterstützt die Stadt Leipzig die Bürgerinitiative mit ihrer Klage und damit 60.000 Betroffene nicht mit einer Spende bzw. durch die Finanzierung von Gutachten?”

Der Verwaltungsstandpunkt zum Beitritt zum Rechtsstreit: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/483BFBDC4660E473C1257CE6004078DA/$FILE/V-a-or-39-vsp.pdf

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