Vier Varianten - vielleicht auch einfach Haltungen - gab es zum Einstieg in den Beratungspunkt "Katholikentag 2016" im Stadtrat am 17. September. Die Verwaltungsvorlage sah eine Million Euro vor, die AfD hatte während des Sommers per Pressemitteilung mal 500.000 Euro noch von außen in den Ring gerufen und die B'90/Die Grünen bereits vor der Sommerpause eine Absenkung des Zuschusses auf 300.000 Euro beantragt. Wenn es nach Piraten und Linke geht, ist die Zahlung selbst strittig - die Haushaltslage gäbe es nicht her, auch die Frage der Trennung von Kirche und Staat wurde aufgeworfen.

Das Audio der Debatte vom 17. September 2014 auf L-IZ.de

Die Beschlussvorlage der Verwaltung ist so kurz, wie hoch in der Summe. “Zur Vorbereitung und Durchführung des 100. Deutschen Katholikentages vom 25. bis 29. Mai 2016 stellt die Gastgeberstadt Leipzig dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken eine Zuwendung i.H.v. 1.000.000 Euro (eine Million Euro) als Festbetragsfinanzierung zur Verfügung.” Die Grünen finden die Million deutlich zu viel, sie übersteige vor allem das Maß, mit welchem frühere Katholikentage in Deutschland prozentual am Gesamtvolumen durch den Steuerzahler subventioniert wurden. Warum der Steuerzahler dies überhaupt tun soll, wurde schon im Vorfeld der Sitzung am 16. Juli und erneut vor der Sitzung am 17. September heftig debattiert.

Das Land Sachsen soll vom Gesamtetat des Katholikentages 2016 in Höhe von 9,9 Millionen Euro 3 Millionen Euro tragen, die Stadt Leipzig 1 Million und der Bund 400.000 Euro. Angesichts der klammen Haushaltslage der Stadt Leipzig von manchen als Unverfrorenheit empfunden, ging die Kritik im Vorfeld längst bis in den Bereich der Frage, ob staatliche Institutionen die Ausrichtung von religiösen Festen überhaupt in einer Gesamthöhe von 4,4 Millionen subventionieren sollten. Die Fraktion der B’90/Die Grünen hatte es im Vorfeld zur Abstimmung noch mit einem Änderungsantrag versucht, um den Zuschuss durch eine neue Deckelung auf 300.000 Euro zu reduzieren.

Die FDP wiederum hatte kurz vor der Sitzung einen zweiten Änderungsantrag vorgelegt, welcher eine Erweiterung des Beschlusstextes der Verwaltung verlangt. So heißt es: “Der Beschlusstext wird um einen zweiten Beschlusspunkt wie folgt ergänzt: Der Oberbürgermeister erarbeitet eine Fachförderrichtlinie für Veranstaltungen Dritter mit einer nachgewiesen positiven Umwegrentabilität und legt diese dem Stadtrat bis zum Mai 2015 zur Beschlussfassung vor.” In der Begründung für diesen Ruf nach einer durchschaubaren Regelung für die Förderung von Veranstaltungen, welche so auch durch andere Veranstalter das Förderverhalten nachvollziehbar gestaltet.

Weiter heißt es: “Die Diskussion zum Katholikentag fokussiert sich zuvorderst auf die Tatsache, dass es sich um eine Veranstaltung aus dem Umfeld einer großen Kirche handelt. Erst später ist in die Diskussion die positive Umwegrentabilität eingeführt worden. Zu kritisieren ist, dass es sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung handelt, an die keine grundsätzlichen objektiven Kriterien zur Bewertung der Förderfähigkeit angelegt werden können – und zwar mangels Fachförderrichtlinie.

Die Erarbeitung einer solchen Fachförderrichtlinie könnte solche Diskussionen versachlichen, in dem objektive Kriterien aufgestellt und Förderszenarien und Mittelhöhen genannt werden.”Grundsätzlich sollten nach Willen der FDP so Veranstaltungen durch diese Fachförderrichtlinie nur bei positiver Umwegrentabilität förderfähig sein, denn es gehe um die Veranstaltung und nicht um die dahinter stehende Intention. “Unabhängig davon besteht auch weiterhin die Möglichkeit einer Projektförderung über das thematisch zuständige Fachamt”, schließen die Liberalen ihre Argumentation zum Antrag.

Dies würde also für zukünftige Veranstaltungen gelten, der Zuschuss zum Katholikentag sollte jedoch noch am heutigen 17. September durch den Rat. Die Debatte rings um die Beschlussvorlagen erlebte eine Vorankündigung durch Axel Dyck, Fraktionsvorsitzender der SPD, welcher seine Rede im Ratssaal verteilen ließ. In dieser stellte er eine geförderte Hallenhockey-WM dem Katholikentag gegenüber. Auch bei der WM sei keine “transparente Vollkostenrechnung” erfolgt, dennoch sei ein halbe Million durch Stadt und städtische Unternehmen eingesetzt worden. Um daraufhin zuzugeben: Eine transparente Vollkostenrechnung läge auch für den Kirchtag nicht vor, “… und wird sicherlich auch nicht vorgelegt werden, es sei denn, wir fordern dies in Zukunft bei allen Veranstaltungen, die wir unterstützen, ein.”

Den Gegnern der Finanzierung seitens der Stadt in Höhe von einer Million Euro warf Dyck Scheinheiligkeit vor, da sie nicht offen sagen würden, dass sie einfach schlicht der katholischen Kirche kritisch gegenüberstünden. Der eigentliche Grund für ihn, den Katholikentag, wie auch einen evangelischen Kirchentag zu unterstützen: “Keine andere gesellschaftliche Kraft und die hier im Rat vertretenen Parteien schon gar nicht, ist aktuell in der Lage, in solch gebündelter Form, Breite und thematischer Vielfalt die uns alle drängenden Fragen des Zusammenlebens der Menschen in Deutschland und darüber hinaus streitbar zu diskutieren.” Das müsse der Rat in seiner politischen Verantwortung fördern und unterstützen. Einführend stellte Oberbürgermeister Burkhard Jung fest, dass der FDP-Antrag in der Sache richtig sei. “Ich würde es nur nicht mit dem Hauptantrag zum Katholikentag verbinden.” Eine Fachrichtlinie solle jedoch nach Möglichkeit erarbeitet werden.

Für die CDU führte Ursula Grimm aus, dass sie sich für die Debatten im Vorfeld schämen würde. Auch von ihrer Seite kamen die Vorwürfe der Scheinheiligkeit gegenüber den Kritikern des Katholikentagzuschusses. Bei anderen Veranstaltungen würden solche Debatten nicht geführt werden. “Ich wünsche mir auch als evangelische Christin, dass der Katholikentag nach Leipzig kommt”, endete Stadträtin Grimm. Michael Schmidt (Die Grünen) verwies darauf, dass bei allen anderen Katholikentagen ein Drittel der Gesamtkosten durch den Steuerzahler gezahlt wurden.

In Leipzig sollten dies nun aber 46 Prozent seitens Stadt, Bund und Land sein. Schmidt verwies darauf, dass durch die Beteiligung des Bistums Dresden-Meißen auch die katholische Kirche an der Veranstaltung beteiligt ist und nicht, wie gern propagiert, nur die Laienvereinigung ZdK. Am Donnerstag, den 11. September sei ihm dann zudem eine Planung vorgelegt worden, welche eine Viertelung der Kosten aufwies – heruntergerechnet zeige sich, dass die katholische Kirche sich noch mit gerade einmal 20 Prozent beteilige.

“Ich kann nicht verstehen, dass die Kirche nur 20 Prozent der Veranstaltung zahlen möchte und ich kann auch nicht verstehen, wie man angesichts der derzeitigen Situation der Stadt diesen Zuschuss von einer Million Euro den Bürgern erklären soll.” Schmidt bat die Räte, dem Antrag der Grünen auf Absenkung der Mittel auf 300.000 Euro zuzustimmen.

William Grosser (Die Linke) stimmte in das gleiche Lied ein und wies darauf hin, dass “immer wieder Geldmangel der Grund seitens der Stadt war, Projekte wie das Stadtbad und andere Dinge abzulehnen.” Und fragte: “Ist es Populismus, darauf hinzuweisen, dass in Leipzig immer noch 22.000 Langzeitarbeitslose leben?” Wie sich Frau Bettina Kudla (CDU) verhalten würde, wenn demnächst Buddhisten, Muslime und andere Glaubensrichtungen eben solche Forderungen gegenüber Leipzig bei Veranstaltungen erheben würden, fragte sich und die anderen Räte im Saal William Grosser gegen Ende seines Beitrages. “Es ist für Leipzig nicht bezahlbar. Wir Stadträte sind den Bürgern dieser Stadt verpflichtet und nicht irgendeiner Kirche. Deshalb werden vielleicht einige von uns dem Antrag der Grünen zustimmen und den Verwaltungsantrag auf die eine Million gemeinsam ablehnen.”

Daraufhin sprach Axel Dyck (SPD) zum kurzfristig eingebrachten Antrag seiner Fraktion. In diesem heißt es seit heute (17. 09.) auf einmal im Beschlussvorschlag: “Nach Ende des 100. Katholikentages wird dem Stadtrat eine Aufstellung der direkt an die Stadt (inklusive der städtischen Unternehmen) zurückgeflossenen Mittel vorgelegt.” Im Antrag, so die Begründung, heißt es weiter, dass die Vollkostenrechnung des Zentralkomitees der Katholiken “beim gegenwärtigen Stand davon ausgeht, dass über 80 Prozent der von der Stadt Stadt Leipzig beigesteuerten Mittel direkt über die entsprechenden Leistungsbeziehungen an die Stadtveraltung und an kommunale Unternehmen zurückfließen.”

Eine genaue Rechnung sei erst möglich, wenn der Katholikentag 2016 vorbei sei.

René Hobusch ging bei der Begründung des FDP-Antrages nochmals auf den Vorlauf zu dieser Sitzung ein. “Der OBM macht hier eine Förderzusage gegenüber dem Zentralkomitee und der Rat soll wie ein Wackeldackel alles nur noch abnicken. Ein wenig Schadenfreude kann ich mir da nicht verkneifen, zeigt die Debatte doch, dass es so einfach eben nicht ist. Tun wir dies doch öfter. Aber warum kann es so kommen? Weil es keine entsprechende Förderrichtlinien für Großveranstaltungen gibt”, so der Fraktionsführer der Liberalen.

Naoma Pia-Witte (Die Linke) sprach für sich und ihren Glauben, der Wirkung insbesondere der christlichen Glaubensrichtungen auf die Gesellschaft, welche für sie eher die des Friedens und des Dialogs ist. Sie würde dem Verwaltungsantrag zustimmen.

Norman Volger (Die Grünen) betonte nochmals, dass die Grünen keinerlei Probleme mit den Katholiken, dem Katholikentag oder Christen hätten. Er warf allerdings dem Oberbürgermeister vor, bereits im Herbst 2013 die eine Million versprochen zu haben, nun solle der Stadtrat mit der Pistole auf der Brust abstimmen. “Im Juli und noch vor 2 Wochen haben Sie noch bei Linken und Grünen ausgelotet, danach zeigten Sie kein Interesse mehr. Denn Sie haben Ihre Mehrheit offenbar schon. Wie jedoch erklären Sie den Bürgern, dass Sie auf einer Veranstaltung der Diakonie Leipzig erläutern, dass die Stadt kein Geld hat? Wie wollen Sie das den Vereinen in dieser Stadt erklären, die nur noch mit Projektmitteln gefördert werden und eben kein Personal mehr einstellen können und der Katholikentag auf 2,6 Millionen Euro Personalkosten verweist?”

Respekt zollte Volger dem OBM für die eilig zusammengeschusterte Mehrheit, die er für die Abstimmung erwartet. Nur hoffe er immer noch, dass der Antrag der Grünen eine Mehrheit finden könnte. In einer letzten Entgegnung vor der Abstimmung meldete sich der Oberbürgermeister selbst zu Wort. “Ich habe bereits im Jahr 2012 mit dem Zentralkomitee gesprochen. Ich habe dies mit dem Ältestenrat des Stadtrates besprochen. Strittig ist eher, ob die Summe von 1 Million gefallen ist.” Was Sören Pellmann (Die Linke) in einem Zwischenruf bejate.

Burkhard Jung appellierte an den Stadtrat, hier daran zu denken, dass es immer schwierig sei, zwischen Pflichtaufgaben und den Subventionen für solche Veranstaltungen zu entscheiden. Es sei eben nicht so, dass die Laien sich im ZdK bei der Frage nach mehr Geld gegenüber der katholischen Kirche durchsetzen könnten, weshalb es nur mit Steuergeld funktioniere. “Was ich jedoch nicht möchte, ist, dass hier mit diesen finanziellen Fragen eigentlich der Katholizismus kritisiert wird.” betonte der OB.

Annette Körner (Grüne) betonte vor allem in einer letzten Widerrede, dass es viel zu spät sei, dass sich der OBM derart und überhaupt äußere. Auf die Nachfragen habe es nur bisher nur ungenügende Antworten gegeben.

Der B90/Die Grünen-Antrag, den Zuschuss auf 300.000 zu senken

26 Ja-Stimmen (mehrheitlich Grüne und Linke), 35 Nein-Stimmen (mehrheitlich SPD und CDU) und 3 Enthaltungen.

Verwaltungsvorlage plus Ergänzung der SPD (nachträglich Berechnungen)

33 Ja-Stimmen (vorrangig CDU, SPD, FDP), 26 Nein-Stimmen (Vorrangig Grüne, Linke), 5 Enthaltungen.

Nachtrag: Wolfram Leuze (Die Grünen) sagte in einer persönlichen Einlassung nach der Abstimmung, es sei nicht mit offenen Karten gespielt worden. Der Ältestenrat, welchen Burkhard Jung bereits 2012 über das Vorhaben und die Summe informiert hatte, sei kein beschließendes Gremium. Darüber hinaus sei die erste Vorlage für den Stadtrat so dünn gewesen, das könne sich kein Verein so bei einem Antrag leisten. Auch die Nachreichungen hätten daran nichts geändert. Er habe nur gegen diesen Zuschuss stimmen können, als Stadtrat im Interesse der Stadt Leipzig.

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