Es sollte schon eine echte Überraschung sein, wenn die Wahl der/des neuen Beigeordneten für Kultur in der Ratsversammlung am 18. Mai anders ausgeht, als es die Arithmetik im Leipziger Stadtrat vorgibt. Danach sollten die Bürgermeisterposten der Stadt in etwa dem Anteil der Parteien im Stadtrat entsprechen. Drei Kandidaten stehen am Mittwoch zur Wahl.

Bis Freitag, 13. Mai, waren es auch noch die drei Kandidaten, die von der Auswahlkommission des Stadtrates vorgeschlagen worden waren. Die Leipziger Stadträtin der Linken und Dramaturgin Dr. Skadi Jennicke, Achim Könneke, ein SPD-Mann, Kulturamtsleiter aus Freiburg im Breisgau, und Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt, ein CDU-Mann aus Görlitz.

Am Freitag zog Achim Könneke seine Kandidatur zur Wahl zum/r Beigeordnete/n für Kultur zurück. Am Donnerstag zuvor hatte dann freilich die Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) ihr Recht genutzt, einen eigenen Kandidaten vorzuschlagen. Sie schlug den für Leipzig mit etlichen satirischen Aktionen bekannten Thomas Kumbernuß vor.

Grundlage dafür ist, dass entsprechend Beschlussvorlage VI-DS-01217 für die Ratsversammlung am 20. Mai 2015 „alle Stadträte das Recht [haben], Einsicht in die Bewerbungsunterlagen zu nehmen und zu den Wahlvorschlägen der Auswahlkommission nach den Regelungen der Geschäftsordnung einen Änderungsantrag zu stellen“. Die so vorgeschlagenen weiteren Bewerber werden zusätzlich auf den Stimmzettel für den ersten Wahlgang gedruckt.

So dass nun am Mittwoch doch drei Kandidaten zur Wahl stehen: Dr. Skadi Jennicke, Matthias Theodor Vogt und Thomas Kumbernuß.

In der Ratsversammlung findet eine geheime Wahl statt. Gewählt ist, wer im ersten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Stimmberechtigten erhalten hat. Wird eine solche Mehrheit im ersten Wahlgang nicht erreicht, folgt zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen eine Stichwahl, bei der die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet.

Die Amtszeit des jetzigen Kulturbürgermeisters endet am 1. Juni 2016. Die Einführung des/der Nachfolgers/in ist abhängig von der zeitlichen Verfügbarkeit des/der Nachfolgers/in.

Dass Skadi Jennicke von ihrer eigenen Fraktion, der Linksfraktion unterstützt wird, dürfte natürlich zu erwarten sein. Es ist die zweitgrößte Fraktion im Stadtrat und hat – nach Proporz – das Recht, zwei Bürgermeisterposten für sich zu reklamieren. Mit Heiko Rosenthal ist auch das Ordnungsdezernat mit einem Linken besetzt.

Unterstützung für Skadi Jennicke haben auch schon die Grünen angekündigt.

Aus Sicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist Dr. Skadi Jennicke die geeignetste Bewerberin für das Amt der Kulturbürgermeisterin. Die interne Entscheidung der Fraktion fiel einstimmig aus.

„Natürlich ist Skadi Jennicke keine Bewerberin von Bündnis 90/Die Grünen. Wir anerkennen den Anspruch der Fraktion Die Linke, für das Kulturdezernat den Personalvorschlag zu machen“, erklärt Norman Volger.

„Skadi Jennicke hat eine exzellente Bewerbung vorgelegt und in der Auswahlkommission in allen Bereichen, also kommunalpolitisch, verwaltungserfahren und programmatisch überzeugt“, begründet Katharina Krefft, die für die Grünen Mitglied in der Auswahlkommission war. „Sie kennt die Leipziger Kulturszene und ihre AkteurInnen bestens und ist sowohl in der Freien Szene als auch in den großen auch international agierenden Institutionen anerkannt. Wir hören keine kritischen Stimmen aus den Häusern der Hochkultur oder der freien Szene.“

„Als Kulturausschussmitglied hat sie sich akribisch bis in die Feinheiten der Stadtverwaltung eingearbeitet. Sie weiß auf was Sie sich einlässt und ist im Umgang mit dem Stadtrat in all seinen Eigenheiten versiert“, sekundiert Annette Körner, Vorsitzende des Kulturausschusses.

Und die Grünen trauen der Kandidaten auch den Spagat zu, der dem bisherigen Amtsinhaber Michael Faber so überhaupt nicht glücken wollte: Denn zwischen der millionenschweren Hochkultur und der bunten Freien Szene sind Welten und zum Teil völlig unterschiedliche Erwartungen zu überbrücken. Von den „Herausforderungen der polarisierten Kulturlandschaft“ sprechen die Grünen.

Und dann haben sie auch noch so ein Ach-Gottchen-Moment: „Natürlich enthält die Konzeption von Skadi Jennicke aus grüner Sicht auch Fehlstellen, ganz besonders die Pflege der Erinnerung an die Friedliche Revolution von 89. Dass ihre Dissertation über die Theater in der Wendezeit auch von der ‚Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur‘ gefördert wurde, steht den Ideologievorwürfen entlastend gegenüber.“

Da nun freilich auch der bisherige SPD-Kandidat im Bewerberfeld zurückgezogen hat, dürfte auch die SPD-Fraktion zu den wahrscheinlichen Unterstützern von Skadi Jennicke gehören, so dass auch die Möglichkeit besteht, dass das Ergebnis schon nach der ersten Wahlrunde feststeht.

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