Eine Lichtschutzsatzung für Leipzig gibt es nicht, das sei auch rechtlich nicht möglich, hatte Leipzigs Verwaltung im vergangenen Jahr betont, als sie ihre neue Strategie zum Umbau der Leipziger Stadtbeleuchtung vorstellte. Dabei ging es vor allem um den Ersatz der alten, energieaufwendigen Leuchtkörper durch sparsamere LED-Lampen, aber weniger um eine Minderung der Lichtlast. Auch wenn der Stadtverwaltung schon so ein bisschen bewusst ist, wie sehr Lichtverschmutzung besonders die Insektenvielfalt beeinträchtigt.

Es wird zwar auch unter Wissenschaftlern noch darüber diskutiert, welchen Anteil die zunehmende Lichtverschmutzung am Rückgang der Insektenmasse hat, denn der hat viele (menschgemachte) Ursachen. Aber dass er eine Rolle spielt, ist unbestritten.

Und in der Leipziger Lichtplanung begreift man es durchaus als Zielkonflikt, wenn das Licht auch Gebiete mit beleuchtetet, wo das Nachtleben von Tieren und Insekten beeinträchtigt wird: „Abwägungsbedarf gab es hinsichtlich der vom Dezernat III zu vertretenden naturschutzrechtlichen und Umweltbelange. So wurde der Zielkonflikt zu Beleuchtungsanlagen in Schutzgebieten, im Außenbereich und in Grünanlagen dahingehend gelöst, dass in diesen Gebieten grundsätzlich keine Beleuchtung erfolgen soll (Definition als lichtempfindliche Gebiete)“, kann man in der entsprechenden Vorlage des Dezernat Stadtentwicklung und Bau zum Lichtmasterplan lesen.

„Bei sicherheitsrelevantem Bedarf von Beleuchtungsanlagen in lichtempfindlichen Gebieten ist nach Abwägung der auftretenden Belange im Einzelfall zu entscheiden. Bei der Illumination von Bauwerken (Habitatschutz) ist für eine Beleuchtung grundsätzlich eine Genehmigung bei der Naturschutzbehörde zu beantragen. Die Beleuchtungsmaßnahmen sind auf den konkreten Einzelfall abzustimmen. Auf die Beleuchtung von Wasserflächen über den jetzigen Bestand hinaus soll verzichtet werden. Die Dissense wurden in diesem Sinne ausgeräumt.“

Ob die Dissense wirklich ausgeräumt wurden, darf man bezweifeln. Denn wenn sich die Ämter der Stadt einigen, bedeutet das ja noch nicht, dass das Problem wirklich aus der Welt ist. In Leipzig ist es der NABU, der das Thema Lichtverschmutzung immer wieder thematisiert. Denn selbst abseits der hellerleuchteten Straßen ist es nachts viel zu hell, werden die Habitate von Kleinsäugern, Vögeln und Insekten beeinträchtigt, ohne dass die Stadt wirklich ein Konzept hat, die Lichtmenge tatsächlich zu verringern.

Im Gegenteil: Mit dem Lichtmasterplan wurden neue „markante Gebäude“ aufgelistet, die nachts eine besondere Fassadenbeleuchtung bekommen sollen, um sie im nächtlichen Stadtbild hervorzuheben. Was ja in Wahren bekanntlich schon zu erstem Ärger geführt hat. Wer die nächtliche Leipziger Kulisse betrachtet, sieht sowohl die Türme von Wintergarten- als auch Cityhochhaus hell erleuchtet als auch den Turm des Neuen Rathauses und das Völkerschlachtdenkmal. Und dazu kommen allerlei Lichtwerbungen, die mittlerweile mit LED-Technik nachgerüstet wurden und umso heller strahlen.

Deswegen hatte nicht nur die Freibeuter-Fraktion das Gefühl, dass der Lichtmasterplan der Stadt irgendwie völlig am Thema vorbeigeht, reineweg Marketingaspekte berücksichtigt, aber am Thema einer viel zu hellen Stadt nicht viel ändert.

Karte mit lichtempfindlichen Gebieten aus dem Lichtmasterplan der Stadt. Karte: Stadt Leipzig
Karte mit lichtempfindlichen Gebieten aus dem Lichtmasterplan der Stadt. Karte: Stadt Leipzig

Wenn das Umweltschutzamt da keine Strategie hat, ist natürlich folgerichtig, dass die Abteilung Stadtbeleuchtung keine Probleme sieht mit der Lichtfülle. In der Vorlage zum Lichtmasterplan heißt es jedenfalls knapp als Zielsetzung: „Der Lichtmasterplan hat Konzeptcharakter und legt unter Berücksichtigung der lichtstrategischen Ziele fest, wo öffentliche Beleuchtung im Stadtgebiet stattfindet und mit welchen Standardleuchten diese umzusetzen ist. Des Weiteren enthält der Lichtmasterplan ein Konzept für besonders zu illuminierende Orte/Bauwerke.“

Da lohnt sich ein Besuch auf der Homepage der Initiative gegen Lichtverschmutzung, die mit Satellitenaufnahmen aus verschiedenen Jahren sehr deutlich zeigt, wie gerade die großen Städte nachts so hell leuchten, dass vom All aus oft nur ganze Lichtermeere zu sehen sind. Gerade die Niederlande, Paris oder Norditalien fallen durch solche Lichtfluten auf. Aber auch Berlin ist ein Leuchtfeuer in der Nacht. Und auch der Raum Leipzig-Halle-Leuna ist vom All aus sehr genau anhand der Lichtpunkte zu identifizieren.

Mit der Einführung der LED-Technologie ist es nicht besser geworden, wie der „Spiegel“ in einem Beitrag 2019 berichtete. Auch in den Industrienationen steigt die nächtliche Helligkeit weiter an.

„Ja, die Satellitendaten zeigen, dass die Lichtmenge jedes Jahr weltweit um zwei Prozent zunimmt“, erzählt Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) in Potsdam im Interview. „Der Anstieg ist in Entwicklungsländern stärker, aber auch reiche Länder werden noch immer heller und heller. Dabei hatten wir gehofft, dass der Trend langsam stoppen würde.“

Stattdessen greift der Rebound-Effekt – auch in Leipzig. Und nicht nur bei der Stadtbeleuchtung. Bei privater Haus- und Hof-Beleuchtung wird es genauso sichtbar. Mit LEDs spart man zwar jede Menge Strom – dafür werden mehr und hellere Lampen eingesetzt. Die Lampen leuchten nicht mehr, sondern blenden.

Das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) hat eine interaktive Karte ins Netz gestellt, in die man sich richtig hineinzoomen kann. Wer das mit Leipzig als Zielpunkt macht, sieht schnell, was für grelle Lichtpunkte allein schon der Flughafen Leipzig/Halle und das Sportforum mit dem RB-Stadion sind. Gerade beim Sportforum überstrahlen die Lichtfluten auch Teile des Elsterbeckens und des Auenwaldes. Von einer wirklichen Rücksicht auf lichtempfindliche Gebiete kann da eindeutig keine Rede sein.

Und das trifft im Grunde auf das komplette Auengebiet innerhalb der Stadt zu. Und das wohl auch, weil die Stadt hier alten Lampenbestand quasi unter Bestandsschutz stellt. Wenn man das aber macht, wird man nie und nimmer die Lichtverschmutzung mindern. Und was diese aus dem All aufgenommenen Lichtfluten für die Sicht vom Boden ins Weltall bedeuten, weiß jeder Leipziger. Man sieht von der Milchstraße nichts mehr. Nur wenige leuchtstarke Sterne dringen durch die Lichtwolke, die Nacht für Nacht über Leipzig liegt. Stadtkinder ahnen nicht einmal mehr, was für eine Fülle von Sternen da draußen zu sehen ist. Sie kennen nur das allnächtliche Orange.

Logisch, dass zumindest die Grünen-Fraktion mit dem Lichtmasterplan in dieser Form überhaupt nicht zufrieden sind.

Sie fordert wenigstens eine Ergänzung zum Lichtmasterplan, damit die Ämter nicht ganz vergessen, dass ihre internen Klärungen überhaupt nicht helfen, wenn man das Thema wirklich einmal ernsthaft anpacken will.

Die Ergänzungspunkte der Grünen:

„Das Thema Reduktion der Lichtverschmutzung wird als Zielstellung in den Lichtmasterplan mit aufgenommen. Die Anzahl an Leuchtschriftzügen und Werbelichtern soll in der Zeit zwischen 0:00–6:00 Uhr reduziert werden. Zudem soll werbliche Beleuchtung nachts gedimmt werden. Das zusätzliche Betreiben von ganztägig betriebenen Leuchtreklamen soll durch eine steigende Abgabe reguliert werden.“

Freibeuter fordern Bürgerbeteiligung bei neuen Projekten zur Fassadenbeleuchtung

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