Es lag nicht allein an der AfD-Fraktion, dass Dr. Martina Münch am Mittwoch, 14. September, nicht zur Leipziger Sozialbürgermeisterin gewählt wurde. Die Rechtsaußen-Fraktion hatte nur die seltene Gelegenheit erkannt, mit einem taktischen Spielchen mal wieder zum Zünglein an der Waage zu werden. Doch mit den Mehrheiten für Leipziger Bürgermeisterposten hat die AfD-Fraktion nichts zu tun.

Denn welche Person sich in der Ratsversammlung zur Wahl für einen Bürgermeisterposten stellen kann, das klärt im Vorfeld eine Findungskommission mit Mitgliedern aus allen Ratsfraktionen. Die wählt aus allen Bewerbern den bzw. die Aussichtsreichste/-n aus. Dabei spielen natürlich auch Parteiproporze eine Rolle. Nicht nur haben die großen Fraktionen mehr Anspruch auf Beigeordnetenposten.

Man braucht auch mehrere Fraktionen, die den eigenen Kandidaten bzw. die eigene Kandidatin unterstützen. Diese Mehrheiten werden meist ausgehandelt. Denn natürlich bekommt man die Unterstützung anderer Fraktionen nur, wenn man im Gegenzug auch ihre Kandidierenden unterstützt.

In diesem Fall war es das Anliegen der SPD-Fraktion, ihre Kandidatin für den Posten durchzubringen. Doch diesmal ging die Suche nach Mehrheiten nicht auf. Auch wenn sich die Findungskommission auf Martina Münch als Kandidatin geeinigt hatte. Beworben hatten sich 20 Frauen und Männer.

Doch so einhellig war das Ergebnis der Findungskommission am Ende doch nicht. Denn die Grünen-Fraktion hatte schon vorher angekündigt, dass sie die Wahl von Dr. Martina Münch als Kandidatin für den Bürgermeister/-innenposten für das Dezernat Soziales, Gesundheit und Vielfalt nicht mittragen würde.

Die Mehrheit hätten also die Fraktionen der Linken, der SPD und der CDU bringen müssen. Hätten alle ihre anwesenden Stadtratsmitglieder für Martina Münch gestimmt, wäre die Wahl kein Problem gewesen und die AfD-Fraktion hätte nicht so tun können, als wäre das Debakel auf ihrem Mist gewachsen.

Die Sicht der Grünen

Die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90 / Die Grünen Katharina Krefft und Dr. Tobias Peter zum Ausgang der Wahl der/des Beigeordneten für Soziales:

„Für Frau Dr. Münch ist der Ausgang der Wahl sehr bedauerlich. Er begründet sich aber nicht in der mehrheitlichen Ablehnung der Grünen Fraktion. Sie ist Opfer einer misslungenen Mehrheitssicherung von Oberbürgermeister und SPD-Fraktion, denen es nicht gelungen ist, die eigentlich klare Mehrheit für ihre Kandidatin zu sichern. Fast ein Drittel der Mitglieder von Fraktionen, die eine Zustimmung signalisiert hatten, haben Frau Münch nicht gewählt. Unsere Fraktion hat als einzige von Beginn an deutlich gemacht, dass wir von der Kandidatin nicht in ausreichendem Maße fachlich überzeugt gewesen sind. In der Auswahlkommission haben wir uns der Stimme enthalten.

Auch die persönliche Vorstellung in der Fraktion brachte die Überzeugung, dass mit einer Bürgermeisterin Dr. Münch nicht der aus unserer Sicht dringend notwendige neue Schub in das seit 16 Jahren von Bürgermeister Prof. Fabian geführte Dezernat ausgehen würde. Stattdessen deutete sich ein wenig selbstkritisches ‚Weiter so‘ ohne neue innovative Impulse an, was gerade in Zeiten großer sozialer Herausforderungen, wachsender gesellschaftlicher Verwerfungen und wieder ansteigender Zahlen von hilfesuchenden geflüchteten Menschen unbedingt vermieden werden muss.

Selbstverständlich legt unsere Fraktion großen Wert auf die Grundsätze der Sächsischen Gemeindeordnung, wonach sich die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat auch in der Riege der Beigeordneten widerspiegeln sollen. Unserer Fraktion wurde bis 2013 stets bei Beigeordnetenwahlen entgegen der damaligen Mehrheitsverhältnisse kein eigenes Vorschlagsrecht eingeräumt. Ebenso unterstützen wir die auch gestern deutlich artikulierte Haltung des Oberbürgermeisters, ein Einvernehmen mit einem potenziellen AfD-Bürgermeister zu verweigern.

Die derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Leipziger Stadtrat leiten ausdrücklich keinen Anspruch der SPD-Fraktion als fünftgrößter Fraktion an einem Vorschlagsrecht für einen zweiten Bürgermeister/-innenposten ab. Dies haben wir in internen Gesprächen bereits vor der Ausschreibung frühzeitig artikuliert und uns für eine tatsächliche fraktionsübergreifende Bestenauslese ausgesprochen. Nicht das Parteibuch, sondern die fachliche Eignung und auch eine Erhöhung des Frauenanteils unter den Bürgermeister/-innen soll ausschlaggebend sein. Einen eigenen Anspruch hat meine Fraktion zu keinem Zeitpunkt eingefordert.

Die kritische Haltung unserer Fraktion zur Kandidatur von Frau Dr. Münch war keine Überraschung, sondern gegenüber den Fraktionen kommuniziert und sogar in der Presse kolportiert. Ein unsererseits aktiv angeregtes Gespräch zur bevorstehenden Wahl mit anderen Fraktionen und dem Oberbürgermeister wurde erst vorvergangene Woche abgesagt, ein neuer Terminwunsch vor der Ratsversammlung nicht erfüllt.

Angesichts der vorab signalisierten Zustimmungen der Fraktionen Linke, CDU, SPD und Freibeuter wurde allgemein von einer sicheren Wahl von Frau Dr. Münch ausgegangen. Dass die auch von unserer Fraktion erwartete Mehrheit gegen die grüne Haltung und für die SPD-Kandidatin letztlich nicht zustande kam, liegt nicht an fehlenden Zustimmungen von Grünen.

Denn insgesamt haben 35 Stadträt/-innen Frau Dr. Münch die Zustimmung verweigert (32 Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen, 1 ungültig gemachte Stimme). Letztlich haben also mindestens 13 Stadträt/-innen aus der vermeintlichen Mehrheit aus Linken, CDU, SPD und Freibeutern Frau Dr. Münch die Stimme verweigert, also fast ein Drittel der Mitglieder dieser Fraktionen.

Vor diesem Hintergrund sind die über verschiedene öffentliche Kanäle gestreuten Äußerungen u. a. der Fraktionsvorsitzenden Zenker (SPD) und Pellmann (Linke) sowie des Oberbürgermeisters nicht nachvollziehbar. Die Fraktionen, die eine Zustimmung signalisiert hatten, sollten sich vielmehr die Frage stellen, weshalb 13 Stadträt/-innen aus ihren Reihen Frau Dr. Münch die Stimme verweigert haben. Es ist naheliegend, dass insbesondere Stadträt/-innen von SPD und Linken die inhaltliche Überzeugung der Grünen Fraktion teilen.

Meine Fraktion hält es für wichtig, die Auswahlkommission schnellstmöglich wieder einzuberufen, um die Nachfolge von Prof. Fabian zügig mit einer kompetenten und fachlich versierten wie innovativ denkenden Person zu klären. An einer Lösungsfindung werden wir uns konstruktiv beteiligen. Unsere Stadt und insbesondere die so wichtigen Fachbereiche im Sozialdezernat hätten es verdient.“

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