Es war kein Scherz, auch wenn er es mit Wirkung zum 1. April erklärt hatte: Thomas Kumbernuß behält sein Mandat als Einzelabgeordneter, hat aber die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat verlassen. Über die Gründe sprach der Politiker von Die PARTEI mit uns. Der 52-Jährige ist im Ergebnis der letzten Kommunalwahl seit September 2019 Abgeordneter des Stadtrats und entschloss sich damals auch, dort der Linksfraktion beizutreten, die nach seinem Rückzug jetzt noch aus 16 Personen besteht.

Guten Tag, Herr Kumbernuß. Sie haben bekannt gegeben, die Linksfraktion im Stadtrat zu verlassen. Wie lange haben Sie mit sich gerungen, diesen Schritt zu gehen?

Ich habe seit vielen Monaten mit diesem Schritt gerungen, wollte aber unbedingt noch Einfluss auf den Doppelhaushalt 2023/2024 haben, der im Februar beschlossen wurde. Wäre es rein nach meiner mentalen Gesundheit gegangen, hätte ich schon im Herbst letzten Jahres, spätestens im Winter die Reißleine ziehen müssen. Meine innere Zerrissenheit hätte mich fast fertig gemacht.

Ich bin total froh, dass es ein paar vertraute Personen bei Die PARTEI Leipzig gab und gibt, die mich da mega gut aufgefangen haben.

Oft wird ja zwischen Ursache(n) und Anlass unterschieden. Was waren die Ursachen ihres Entschlusses und gab es einen konkreten Anlass, mit dem das Maß endgültig voll war?

Es gab einen schleichenden Prozess der größer werdenden Unzufriedenheit, bei dem auf einmal vieles zusammenkam. Ich fände es aber auch falsch, jetzt in der Öffentlichkeit nachzutreten und alles schlechtzureden. Es gab und gibt in der Fraktion und auch in der Geschäftsstelle viele Menschen, mit denen ich gerne und konstruktiv zusammengearbeitet habe, von denen ich auch viel gelernt habe und die ich auch in Zukunft nicht missen möchte.

Allerdings denke ich auch, dass sich die Fraktion selbst im Weg steht, weil sie es nicht vermag, aus ihren Mitgliedern das Optimale herauszuholen, da sie zu sehr in Lagern und Klüngeln denkt. Das soll aber nicht mehr mein Problem sein. Allerdings sind auch dieses Denken und eine fehlende Transparenz Ursachen für meinen Austritt. Einen konkreten Anlass gab es nicht, ich bin irgendwann einfach an einem Punkt gelangt, an dem ich merkte, die Fraktion als Ganzes tut mir nicht gut.

Möchten Sie Namen nennen?

Nein.

In Ihrer offiziellen Mitteilung deuten Sie Positionen zum Ukraine-Krieg an, die Sie offenbar nicht teilen, allgemeiner auch Strömungskämpfe“ sowie „Macht- und Positionsspielchen“ einzelner Protagonisten, denen es nicht ums große Ganze gehe.

Oh, das geht auch auf ein Zitat von Sören Pellmann zurück, der in einem Interview mit der Zeitung „junge Welt“ über den Zustand Der Linken nach deren Bundesparteitag im letzten Jahr sagte, „Die Partei krankt seit Jahren daran, dass für einige Akteure und Netzwerke die Sicherung der eigenen Einflusspositionen im Vordergrund steht und nicht der Blick für das große Ganze.“

Ich musste nur „Partei“ durch „Fraktion“ tauschen, der Rest passt …

Gab es Versuche, den Differenzen durch interne Gespräche beizukommen?

Ja, mehrfach. Es gab Einzelgespräche, die leider nichts brachten, und auch Versuche innerhalb der Fraktion, die ebenfalls nichts brachten, da leider nur bedingt a) langfristig und b) nach Kompetenz gedacht wird. Ich hätte mir generell aber auch mehr Transparenz gewünscht.

Hatten Sie schon Rückmeldungen auf Ihren Austritt?

Ja, bis auf eine Ausnahme nur positive. Sogar aus der Fraktion. Da gab es einige Rückmeldungen, wo man sich weiterhin auf persönlicher Ebene eine gute Zusammenarbeit wünscht. Mir geht es da ähnlich. Innerhalb der Fraktion gibt es ja trotzdem coole und kompetente Menschen, bei denen ich mich wirklich freue, wenn ich sie weiterhin treffe.

Was die LVZ mit ihrer reißerischen Überschrift erreichen wollte, ist mir allerdings fremd.

In einer Reaktion der Linksfraktion hieß es heute, Ihre Entscheidung käme überraschend, die Zusammenarbeit sei konstruktiv gewesen und Sie hätten Ihren Schritt auch der Fraktion gegenüber nicht begründet.

Das war ja auch größtenteils konstruktiv. Das mit der Überraschung kann ich durchaus nachvollziehen, obwohl ich mich in der letzten Zeit schon mehr und mehr zurückgezogen habe, was aber nicht von jeder bzw. jedem bemerkt wurde. Begründen wollte ich den Austritt nicht mehr, warum auch, brachten die Gespräche vorher doch auch nichts.

Was hatte Sie ursprünglich eigentlich zum Eintritt in die Linksfraktion bewogen?

Ich wollte konstruktiv für die Stadt wirken und inhaltlich gab es damals mit der Linken die meisten Schnittmengen. Leipzig ist nicht Brüssel oder Berlin, hier sind die Probleme konkreter, spürbarer. Hier werde ich auch auf offener Straße angesprochen und um Hilfe gebeten.

Das ist übrigens das, was mich am meisten überrascht hat: Wenn ich angesprochen und um Hilfe gebeten werde, scheinen die Leute mich bzw. Die PARTEI doch für ziemlich kompetent zu halten …

Nun bleiben Sie weiter im Stadtrat, aber als Einzelabgeordneter ohne Fraktion, was ja tendenziell auch weniger Einfluss bedeutet. Wie schauen Sie in Ihre politische Zukunft?

Interessante Frage. Ich weiß nicht, ob der fehlende Einfluss wirklich ein Problem ist und denke schon, dass ich fraktionsübergreifend noch viel bewegen kann. Zudem habe ich ja noch einige Anträge im Verfahren, die noch zu einem hoffentlich positiven Ende gebracht werden wollen. Ich denke, bis zur Sommerpause habe ich damit noch genug zu tun.

Allerdings wird die eigentliche Ratsarbeit natürlich anstrengender, aber auch freier und ungezwungener. Ansonsten bin und bleibe ich natürlich immer noch PARTEI-Mitglied, und selbst das bedeutet Arbeit, aber auch Spaß, und der ist mir in den letzten anderthalb Jahren innerhalb der Fraktion abhandengekommen …

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