Da musste dann am Dienstag, dem 7. Februar, die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat sogar ein Dementi verschicken, weil die „Bild“-Zeitung ihr kurzerhand unterstellt hatte, sie kämpfe für einen ausgiebigen Mittagsschlaf aller Angestellten der Stadt Leipzig. Einen solchen Antrag gibt es tatsächlich. Aber gestellt hat ihn nicht die Linksfraktion, sondern Thomas Kumbernuß. Der ist zwar Mitglied in der Fraktion.

Aber er sitzt für die Partei „Die PARTEI“ im Stadtrat. Und wie jeder andere der 70 Stadträtinnen und Stadträte hat er das Recht, auch als Einzelperson Anträge zu stellen. Was er auch regelmäßig tut. Manchmal mit überraschendem Erfolg, wenn man an seinen Antrag denkt, die Arndtstraße in der Leipziger Südvorstadt in Hannah-Arendt-Straße umzubenennen. Was dann beim ersten Mal auch eine klare Mehrheit im Stadtrat fand – bis dann die üblichen Wollen-wir-nicht-Akteure dagegen Sturm liefen und der Beschluss rückgängig gemacht wurde.

Nicht jeder Antrag von PARTEI-Stadträten ist satirisch angelegt. Manche sind auch so geschrieben, dass man in guter „Titanic“-Tradition nicht so recht weiß: Meint er das nun ernst? Oder treibt er einen ganz üblichen gesellschaftlichen Konsens so richtig auf die Spitze?

Wann Leipziger Themen wichtig erscheinen

Das ist bei Kumbernuß’ Antrag „Mittagsschlaf für die Verwaltung offiziell einführen!“ augenscheinlich der Fall. So augenscheinlich, dass sich nicht nur die „Bild“ darauf stürzte und fälschlicherweise daraus machte: „Die Linke unterstützt damit einen Antrag des fraktionslosen Stadtrats Thomas Kumbernuß (52, ‚Die Partei‘). Der fordert, dass für die 9.000 Stadtmitarbeiter der Mittagsschlaf verbindlich eingeführt wird.“

Der Antrag von Thomas Kumbernuß zum Mittagsschlaf in der Leipziger Stadtverwaltung.

Daran ist freilich nicht nur falsch, dass die Linke den Antrag unterstützt – darauf kommen wir gleich. Falsch ist auch, Thomas Kumbernuß für fraktionslos zu erklären. Der fühlt sich nämlich in der Linksfraktion richtig wohl. Unter anderem auch, weil Satire in unseren von ernsten Micheln bewohnten Land nun einmal links ist.

Was immer schöne Schlagzeilen gibt – nicht nur bei „Bild“. Auch RTL und MDR haben sich schon gemeldet. Was eigentlich alles sagt darüber, wann sich solche Medien eigentlich für Leipziger Themen interessieren.

Und auch die Forderung einer verbindlichen Einführung des Mittagsschlafs ist falsch. Auch dazu gleich mehr.

Was die Linksfraktion dazu sagt

Mit einem deutlichen Dementi verwahrte sich die Linksfraktion am Dienstag, dem 7. Februar, gegen die Meldung der „Bild“-Zeitung in ihrer Printausgabe vom 7. Februar, dass die Fraktion Die Linke im Stadtrat nun „für das Recht auf Mittagsschlaf“ in der Stadtverwaltung Leipzig kämpfe.

„Die Fraktion Die Linke hat einen entsprechenden Antrag weder formuliert noch ins Verfahren gebracht, mit dem ein Recht auf Mittagsschlaf für die städtischen Bediensteten gefordert wird“, stellte Sören Pellmann, Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Stadtrat, fest. „Der Antragsteller ist zwar Mitglied unserer Fraktion, hat den entsprechenden Antrag allerdings ausschließlich aus seinem Antragsrecht als Einzelstadtrat heraus in den Geschäftsgang gebracht.“

Aber aus Sicht des Fraktionsvorsitzenden sind in der Leipziger Verwaltung erst einmal ganz andere Themen dran: „Die Fraktion Die Linke streitet selbstverständlich für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der personell überlasteten Verwaltung und den Eigenbetrieben der Stadt. So hoffen wir, bei der unmittelbar bevorstehenden Haushaltsbeschlussfassung die durch uns beantragten Personalaufstockungen im Bürgerservice, im Sozialdienst und in anderen Bereichen die erforderliche Mehrheit im Stadtrat erhalten. Nur so kann die Verwaltung leistungsfähig bleiben.

Selbstverständlich streitet die LINKE auf verschiedenen Ebenen für bessere Vergütungen und unterstützt die aktuellen Forderungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst nach Inflationsausgleichszahlungen. Wir schätzen die engagierte Arbeit und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Leipziger Stadtverwaltung uneingeschränkt. Dennoch gehört der Mittagsschlaf nicht zu unserem Forderungskatalog.“

Und was hat Thomas Kumbernuß wirklich beantragt?

Sein wichtigster Antragspunkt lautet: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Pilotprojekt ‚Mittagsschlaf‘ mit dem Ziel der Evaluierung von Umsetzbarkeit und positiver Effekte auf die Mitarbeitenden der Verwaltung in die Wege zu leiten. Langfristig wird die Einführung des Mittagsschlafes für die gesamte Belegschaft angestrebt.“

Dass das nicht nur satirisch gemeint ist, wird deutlicher, wenn er die Begründung dazu nutzt, das heute übliche Gerede von Leistung und Produktivität zu hinterfragen.

Das liest sich dann so: „Doch immer wieder muss man Meldungen vernehmen, dass mehrere Tausend Menschen, die wir in ihrer Gesamtheit Leipziger Verwaltung nennen, von Überlastung, Bearbeitungsstau und insgesamt ungesunden Arbeitsverhältnissen betroffen sind. Dass fortwährender Stress eine Gesundheitsgefährdung darstellt, Stichwort: Burnout, ist gemeinhin bekannt und wissenschaftlich erwiesen. Beispielsweise sind laut der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz rund 50 Prozent der Fehltage auf Stress zurückzuführen.“

Dass es auch in Leipzigs Verwaltung an manchen Stellen knirscht, ist seit der letzten Mitarbeiterbefragung 2019 auch mit Zahlen untersetzt. Stress entsteht nun einmal überall dort, wo die Arbeitsstrukturen nicht richtig funktionieren.

„Einen großen Beitrag zur Behebung dieser Missstände lässt sich mit der Einführung eines allen Menschen vertrautes, von allen geschätztes und sogar kostenloses Naturheilmittel leisten: Mittagsschlaf“, schlug jetzt Kumbernuß vor und erfreute damit, wie man sieht, auch Medien, denen die Arbeit des Leipziger Stadtrates für gewöhnlich egal ist.

„Zahlreiche Studien weisen gesteigerte Produktivität und Effizienz im Zuge der Durchführung eines Mittagsschlafes nach. Denn trotz weniger verbrachter Zeit ‚am Platz‘, sondern ‚im Bett‘ – es ist mit einer Steigerung der Produktivität zu rechnen. Somit besteht weder ein gesteigerter Lohnkostenaufwand für die Stadt, noch haben die Angestellten der Stadt mit verringerter Bezahlung zu rechnen, denn die bezahlte Arbeitszeit bleibt die gleiche. Der große Vorteil: Es führt bei geringeren Kosten zu einer Erhöhung der Produktivität!“

Es würde also keinen Euro mehr kosten, was ja die schwäbischen Hausfrauen in den Finanzverwaltungen freuen dürfte.

Mehrung des Ruhmes für Leipzig?

Und den Ruhm der kleinen Stadt an der Pleiße würde es auch mehren: „In vielen Bereichen ist Leipzig eine Stadt mit Vorbildcharakter. Neidvoll schauen andere Städte auf das prosperierende Leben im Pleißathen. Gleiches gilt für das beschriebene Vorhaben.

Von dem Beschluss des Antrags ginge eine Vorbildwirkung auf andere Arbeitsbereiche aus, die zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheit und Schaffenskraft führen würden. Zudem werden Anreize für qualifiziertes Fachpersonal gesetzt, sich um eine Anstellung bei der Stadt Leipzig zu bewerben. Die ‚Work-Life-Balance‘ ist in den Personalabteilungen das große Thema. Mit der Einführung eines Mittagsschlafes würde auch diesem Faktor Rechnung getragen.“

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Es gibt 2 Kommentare

„Zumindest Frau Baerbock ist doch eher lustig als satirisch oder ironisch, da ja bei den beiden letzteren auch ein Mindestmaß an Wissen dazugehört.“
Wie Verleumdung funktioniert verstehen Sie zumindest.

Mich würde mal interessieren wie der Autor darauf kommt, dass Satire prinzipiell links verortet wird. Erschließt sich mir und dem allwissenden Wikipedia nicht, wie auch Humor und Ironie nicht ausschließlich rechts ist. Zumindest Frau Baerbock ist doch eher lustig als satirisch oder ironisch, da ja bei den beiden letzteren auch ein Mindestmaß an Wissen dazugehört. Oder ist die grüne Außenministerin etwa rechts zu verorten. Alles etwas zu komplex für mein viel zu kleines rechtes Gehirn.

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