Das neue Logo auf der Webseite der Stadt Leipzig erregt die Gemüter. Die (a)sozialen Medien sind voll von (teils unterirdischen) Meinungsäußerungen auch von Stadträtinnen und Stadträten. Hohn und Spott ergießt sich im Netz und in der Presse. Zuerst eine persönliche Anmerkung: Ich habe nicht die Absicht, die Stadtverwaltung in Schutz zu nehmen. Die ganze Angelegenheit ist aber komplexer, als es in vielen Medien dargestellt wird.
Eine aktuelle Anfrage im Stadtrat
Stadtrat Dr. Volker Külow, Fraktion Die Linke, fragt aktuell, unter Anfrage-Nr. VIII-F-01990 „Das neue Corporate Design der Stadt Leipzig – Nachfrage zu Anfrage VII-F-10137“, unter anderem: „Wann und an welchen Dienstleister ist der Auftrag vergeben worden?“
Man hätte, gerade als Fragesteller aus dem Vorjahr, einfach mal die Sache verfolgen können. Vor der Fragestellung „Tante Google“ zu bemühen können, hätte folgendes Ergebnis gehabt: „Stadt Leipzig und Edenspiekermann GmbH starten Zusammenarbeit für innovatives Corporate Design“, der Eintrag ist vom 6. November 2024.
Die Anfrage aus dem Jahr 2024 war ebenfalls schon seltsam. Dort fragte Dr. Külow an: „Wer hat die Ausschreibung in Auftrag gegeben und auf welcher rechtlichen Grundlage?“. Die damals erhaltene Antwort hätte er auch im Ratsinformationssystem gefunden, oder die beiden Stadträte, welche die Linke im Verwaltungsausschuss vertreten, hätten ihn informieren können.
Die Antwort der Verwaltung lautete: „Das Referat Kommunikation hat auf der Grundlage eines Beschlusses des OberbürgerÂmeisters die Ausschreibung in Auftrag gegeben. Maßgeblich für die Ausschreibung ist der Ausführungsbeschluss VII-DS-06834-DS-01, über den der Verwaltungsausschuss am 11. Januar 2023 votiert hat.“ Zum Zeitpunkt des Beschlusses saßen Sören Pellmann und Franziska Riekewald im Verwaltungsausschuss.
Der hier benannte Ausführungsbeschluss ist für Außenstehende nicht zu finden, weil er im nichtöffentlichen Teil behandelt wurde. Er ist aber wohl der Ausführungsbeschluss zum Tagesordnungspunkt 5.3 „Vergabe einer Beratungsleistung gem. §13 Abs. 7 Nr. 11 Hauptsatzung – Konzeptionelle Beratungsleistung zur Weiterentwicklung des Visuellen Erscheinungsbildes der Stadt Leipzig“.
Wer jetzt meint, ich wolle Dr. Külow hier „auseinandernehmen“, der irrt. Der Vorgang soll nur illustrieren, dass die Stadt zu großen Teilen völlig korrekt und transparent gearbeitet hat. Die Anfragen von Dr. Külow führten zumindest dazu, dass die Verwaltung das Vorgehen immer nochmal öffentlich zusammenfassen musste.
Man kann durchaus sagen, dass das Thema damals auf wenig Interesse stieß, außer dem Artikel von Ralf Julke dazu ist 2024 nichts in der Presse zu finden. So viel zum Thema öffentliches Interesse.
Ist damit alles gut?
Fassen wir zusammen:
Die Stadtverwaltung Leipzig hat im Dezember festgestellt: „Die Stadt Leipzig hat momentan kein Corporate Design“ und der Verwaltungsausschuss hat im Januar 2023 den o.g. Ausführungsbeschluss bestätigt. Danach klafft, zumindest für Menschen, die keinen Zugriff auf nichtöffentliche Informationen haben, eine Lücke. Der Erfüllungsstand zum Ausführungsbeschluss ist nicht einsehbar.
Gleiches, also die Nichteinsehbarkeit des Beschlusses, gilt für den von Matthias Hasberg im LVZ-Interview angesprochenen „zweiten Beschluss des Verwaltungsausschusses über eine Summe von bis zu 500.000 Euro für die Erstellung des Designs und die Umsetzung“.
Somit können Normalsterbliche die Grundlagen für die „Ausschreibung für neues Corporate Design“, die am 11. März 2024 veröffentlicht wurde, nicht nachvollziehen. Stadträtinnen und Stadträte sollten das allerdings können. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Quellen war zu erfahren, dass die Fraktionsspitzen mehrfach über den Fortgang informiert wurden.
Jetzt kommt allerdings das für mich eigentliche Problem: In der Beschlussvorlage, die letztendlich, im Januar 2023, zum Ausführungsbeschluss führte, ist ein Haken gesetzt bei „Bürgerbeteiligung nicht erforderlich“. Auch das Ergebnis der Arbeit der Edenspiekermann GmbH wurde nicht öffentlich vorgestellt und diskutiert, sondern einfach umgesetzt.
Hier müssen sich Stadträtinnen und Stadträte aller Fraktionen fragen, ob man nicht von Anfang an hier Öffentlichkeitsbeteiligung hätte fordern müssen. Wahrscheinlich hätte das zu nichts geführt, das Thema liegt formal in der Zuständigkeit des Oberbürgermeisters und ist somit dem Stadtrat weitgehend entzogen. Aber es wäre konstruktiver gewesen als das jetzige Jammern.
Eines bleibt noch
Ich muss an dieser Stelle nochmal auf den Artikel zur fehlenden Integration des „Stadtführer für ein Barrierefreies Leipzig“ in den Internetauftritt der Stadt Leipzig zurückkommen. Eine Information muss hier nachgereicht werden: Sowohl für die technische Entwicklung der neuen Webseite, als auch für die Integration hat die Stadt Leipzig den externen Dienstleister DMK E-BUSINESS GmbH beauftragt.
Man kann sich durchaus fragen, ob es wirklich unmöglich war, beide Aufträge zusammenzufassen.
Fazit: Rein formal ist am Vorgehen der Stadtverwaltung nicht auszusetzen. Die Stadtratsfraktionen hätten nachfragen und Einsicht beantragen können. Bis auf Dr. Külow hat das im Stadtrat aber niemand gemacht. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob mir das neue Logo gefällt oder nicht.
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Es gibt 8 Kommentare
Der Duktus des Logos erinnert mich an das unschönste Bild von Pau Klee – von 1938 – mit dem Titel “Gesetz”.
Gute Gestaltung sollte gut bezahlt werden. Aber dieser ausgezehrte Logo-Löwe mit abgetrenntem Schwanz-Hinterteil und einem hakenkreuzähnlichen Zusammenhalt im Schwerpunkt ist einfach miserabel. Leider gibt es auch und gerade in Leipzig wenig gestalterische Kompetenz in Verwaltung und Politik – Kompetenz in Bezug auf eingeräumt Machtbefugnisse und angeeignetes Wissen. Die damit verbundene Unvoreingenommenheit ließe sich auch POSITIV nutzen. – Immerhin hat die neue Website der Stadt keine Werbung mehr (Immo-Firma Künne auf den Bau-Seiten) – Geht es Ihnen auch so wie mir, dass jedes Mal, wenn ich eine LVZ-Seite aufraufe, Ihr Computer abstürzt. So gerne hätte ich die Hofberichterstattung zum Logo im Original gelesen.
Ich denke, dass eine Überarbeitung notwendig war, steht außer Frage.
Nach all den Jahren musste hier schlicht einmal etwas Grundlegendes geschehen – darin besteht wohl allgemeiner Konsens.
Dass eine solche Dienstleistung Geld kostet, ist ebenso unstrittig.
Die eigentliche Diskussion entzündet sich weniger an der Notwendigkeit selbst, sondern eher am Geschmack – und an der unglücklichen Verknüpfung eines kleinen Logos mit einer beachtlichen Geldsumme.
Herr Korfmacher hat dazu übrigens ein bemerkenswertes Essay verfasst – nachzulesen im lokalen Einheitsblatt.
Er beleuchtet darin durchaus interessante Aspekte, etwa den fehlenden ganzheitlichen Ansatz im Zusammenspiel mit anderen Eigenbetrieben der Stadt.
Ich kann als (ehemaliger ) Freiberufler nur dem zitierten Text zustimmen. Das “eben mal schnell gemacht” wird dann schnell mal zu zwei Wochen Vollzeit, und die Kalkulation zum Minusgeschäft. Alleine was an Abstimmungsarbeit und Schriftverkehr unproduktiv für so etwas draufgeht!
Ein Freund hat mir erzählt, dass er ziemlich verdutzt war, als er 20.000€ aus einer simplen Plugin-Bearbeitung erhalten hatte, obwohl er nur mit 500€ gerechnet und das für angemessen gehalten hätte.
Aber er hat sich darüber gefreut.
Wenn’s jemand zahlt, warum nicht.
> “Man kann sich durchaus fragen, ob es wirklich unmöglich war, beide Aufträge zusammenzufassen.”
Nein, kann man nicht. Ein Webseitenentwickler ist keine Agentur für die Erstellung eines CI oder CD. Das muss man klar trennen.
> “Hier müssen sich Stadträtinnen und Stadträte aller Fraktionen fragen, ob man nicht von Anfang an hier Öffentlichkeitsbeteiligung hätte fordern müssen.”
Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist nicht immer zielführend. Bei der Diskussion in den sozialen Medien zum Thema, bei der vorherrschenden Unkenntnis zum Unterschied zu Wappen und Logo oder Aussagen a la ‘Das hätte ich in 2 Stunden mit GhatGPT besser hinbekommen’ wüsste ich nicht, ob da wirklich etwas besseres herausgekommen wäre. Das eigentlich skandalöse ist, dass Stadträte hier der Verwaltung mit Anfragen, deren Antworten sie eigentlich selbst wissen könnten (zumindest wüssten wo es steht), zusätzliche Arbeit aufhalsen.
Ich kopiere hier mal den Text herein, den jemand vom Fach zur neuen Website geschrieben hat. Da bekommt man etwas mehr Hintergrund:
“Eigentlich habe ich wenig Lust darauf, den CD-Prozess von Leipzig zu verteidigen. Wirklich nicht. Ich habe für meine Agentur den entsprechenden Prozess begleitet und die Ausschreibung bearbeitet. Und am Ende haben wir uns dagegen entscheiden, uns zu beteiligen. Das hatte gute Gründe, auf die ich jetzt nicht weiter eingehen will. Aber bei meinem groben Überschlag, soviel kann ich sagen, waren die Preisvorstellungen der Stadt nicht zu halten. Aber das zeigt auch: es ging nie nur um ein Logo. Es ging um eine barrierefreie Website, welche von TYPO3 v10 auf 12 gehoben werden musste, deren Rendering komplett überarbeitet werden musste, um die Vorgaben nach BITV 2.0 zu erreichen. Darüber hinaus mussten verdammt viele Eigenentwicklungen überführt oder ersetzt werden. Wenn sich Leute gerade aufregen, dass das ganze knappe 700.000 Euro gekostet hat, dann kratzt das ehrlich an meinem Ehrgefühl als Werber. Wir sind eine Branche, in der Kosten extrem gerne zu niedrig geschätzt werden. Wir sind eine Branche, in der Leute sehr oft selbstausbeuterisch unterwegs sind, um Jobs zu realisieren. Und am Ende trotzdem jeder ne Meinung dazu hat, dass wir zu teuer sind. Es kotzt mich wirklich gerade nur noch an. Für ein Ministerium passe ich gerade ein TYPO3-Plugin an. Ich habe mittlerweile vier volle Arbeitstage darin investiert. Keine Versionshebung, einfach nur eine neue Funktion. Das ergibt nach üblichem Satz 32 Stunden zu 100 Euro. Und leipzig.de ist eine Ansammlung von Extensions, die so erweitert und angepasst und dabei gehoben werden müssen. Ja, man kann Entscheidungen kirtisieren und Prozesse. Aber sich hinzustellen und ernsthaft behaupten zu wollen, dass dieser Prozess für einen Bruchteil zu realisieren gewesen wäre, provoziert in mir nur noch ein Fuck you. Ehrlich. Wir reden gerne mal über Preisbildung. Welche Kosten eben alle nicht sehen wollen und können. Und über Arbeit, die in dieser Branche unbezahlt bleibt. Aber worüber ich nicht rede, sind 700.000 für diesen Leistungsumfang. Ist zwar gehoben, aber definirtiv nicht viel billiger möglich. Und trotzdem: Genau das musste genau jetzt passieren, weil die Website gesetzliche und Sicherheitsstandards nicht mehr eingehalten hat. Und mit dem Wissen können wir anfangen, zu diskutieren.”
Aber ich möchte “Dr. Külow hier „auseinandernehmen“”.
Er verspricht ja auch den tausendjährigen Garagenstandort, während seine Fraktionionskolleginnen für einen Schulstandort argumentieren. Bei der selben Veranstaltung wohl gemerkt.
Die Wagenknechtler reden halt nicht mit den Woken innerhalb der Linken. Das ist nichts Neues.