Am Wochenende warnte das Netzwerk Logistik Leipzig-Halle e.V. davor, dass die Stadt Leipzig ihren Anteil an der Mitteldeutschen Flughafen AG von derzeit 2,1 Prozent auf 0,2 Prozent senkt. Am Montag, 23. Januar, folgte die Warnung aus den beiden Leipziger Wirtschaftskammern. Aber kann man die wirtschaftliche Rolle des Flughafens Leipzig/Halle von der Lärmbelastung der Bürger trennen? - Ein heißes Thema für den nächsten Stadtrat.

Die strategische Beteiligung der Stadt an der Mitteldeutschen Flughafen AG widerspiegele den politischen Willen Leipzigs, sich an der Entwicklung des Flughafenareals zu beteiligen und Neuansiedlungen im Umfeld des Flughafens zu unterstützen, betonten die beiden Leipziger Kammerpräsidenten mit ihrer Stellungnahme zur Flughafen-Beteiligung. Es bestehe ein klarer Zusammenhang zwischen der Beteiligung und der Investorenakquise.

“Die Entscheidung der Stadt Leipzig, sich länderübergreifend gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen, dem Land Sachsen-Anhalt, den Städten Halle/S. und Schkeuditz sowie dem Landkreis Nordsachsen am Flughafen zu engagieren, ist aus unserer Sicht ein zukunftsweisendes Modell, das maßgeblich zu der positiven Entwicklung des Airports seit 1990 beigetragen hat”, formulieren die Kammerpräsidenten Ralf Scheler und Wolfgang Topf in einem Brief dazu an Leipzigs Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht.

Die meisten Unternehmensansiedelungen der vergangenen Jahre in Leipzig, Halle und Umgebung wären ohne den Flughafen nicht zustande gekommen. Das würden Gespräche mit den Investoren bestätigen, so die Präsidenten. Zudem profitierten zahlreiche Unternehmen der Region vom Airport als Auftraggeber. Auch wären ohne Flughafen wichtige Veranstaltungen und Kongresse, die in den vergangenen Jahren Leipzigs Image maßgeblich geprägt haben, nicht möglich gewesen. Der Flughafen leiste einen nicht unerheblichen Beitrag zum Steueraufkommen und die Zahl der Beschäftigten in der Logistikregion Leipzig-Halle habe sich zwischen 2005 und 2010 um gut 7.000 erhöht, argumentieren die Kammerpräsidenten. Sie fordern im Namen der Leipziger Wirtschaft, die Beteiligung der Stadt Leipzig an der Mitteldeutschen Flughafen AG beizubehalten.

Den Antrag, die Anteile der Stadt an der Mitteldeutschen Flughafen AG von 2,1 auf 0,2 Prozent zu senken, hat – nach einer Überarbeitung – die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Leipzig wieder eingebracht. Kontrovers wurde dazu schon in der Dezember-Ratsversammlung diskutiert. Denn die Grünen haben zwei Begründungen für ihren Antrag gegeben. Der eine ist ein wirtschaftlicher und stellt die Rolle der Leipziger Vertreter in den jeweiligen Aufsichtsgremien der Flughafen AG in Frage. Der andere verweist auf die mittlerweile vier Beschlüsse des Leipziger Stadtrates zur Fluglärmproblematik am Flughafen Leipzig.

Die ist am Mittwoch, 25. Januar, wieder einmal Thema im Stadtrat. Denn die Bürger aus dem Leipziger Norden, die vom nächtlichen Lärm besonders betroffen sind, fühlen sich auch von der Leipziger Stadtverwaltung im Stich gelassen.

So wird auch die Bürgeranfrage von Saskia Hoeger wieder auf die Tagesordnung kommen, die Oberbürgermeister Burkhard Jung in der Ratsversammlung vom 16. Dezember nicht beantwortet hat. Grundtenor: “Was unternehmen Herr Jung und die Stadträte von Leipzig, um die Lärm- und Schmutzbelastungen durch den Flughafen deutlich zu verringern? Welche Ziele gibt es für 2012?”

Und Dr. Matthias Gründig will gleich vier Fragen beantwortet haben – denn diskutiert und protestiert wird in Sachen Fluglärm in Schkeuditz seit Jahren heftig und begründet. Nur Antworten und Reaktionen gibt es keine. Gründig will insbesondere wissen, warum der Ratsbeschluss vom 24. Februar 2010 zur Abschaffung der Südabkurvung am Flughafen Leipzig/Halle nicht umgesetzt wurde.

“1. Wieso ist die Stadt Leipzig bisher untätig gewesen und hat nichts erreicht, um diesen Beschluss umzusetzen?

2. Wieso werden nicht die empfohlenen Lärmschutzmaßnahmen des Gutachtens von Herrn Faulenbach da Costa umgesetzt, das die Stadt Leipzig selbst in Auftrag gegeben hat (u. a. keine eigenständigen Rollbewegungen von 22 – 6 Uhr, Abschaffung Südabkurvung etc.)?

3. Was gedenken die Stadtverwaltung und der OBM zu tun, um die Lärmschutzmaßnahmen des Gutachtens schnellstmöglich umzusetzen?

4. Wieso arbeitet die Stadt Leipzig nicht auch mit dem Bundesumweltamt zusammen, um die entsprechenden Lärmschutzmaßnahmen aus dem Gutachten von Herrn Faulenbach da Costa durchzusetzen?”

Alles Fragen auch zu den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten Leipzigs in den entscheidenden Gremien.Auf die Vorwürfe des Netzwerks Logistik Leipzig-Halle e.V. hat auch Bert Sander, Mitglied der Wählervereinigung und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen inzwischen reagiert. “In den aufgeregten Reaktionen des Netzwerks Logistik Leipzig-Halle gegenüber unserem Antrag, der eine Reduzierung der Flughafenanteile der Stadt Leipzig von 2,1 % auf 0,2 % fordert, wird unterstellt, dass eine Senkung der Leipziger Anteilszahlungen eine ‘positive Entwicklung der Logistikregion’ gefährden würde. Das Netzwerk ist vor allem aufgrund einer eventuellen negativen Außenwirkung, die eine Senkung der Anteile vermeintlich mit sich bringen würde, besorgt. Der besagte Lobby-Verband führt allerdings keine wirtschaftlichen Gründe für die Notwendigkeit der Leipziger Anteile ins Feld, sondern spricht allein von einem ‘fatalen Zeichen für das Standortmarketing’.”

Die Beteiligung Leipzigs kostet die Stadt aber jährlich gut eine halbe Millionen Euro – ein symbolischer Akt?

“Hängt das Wohl und Werden der Mitteldeutschen Flughafen AG tatsächlich von einem symbolischen Bekenntnis der Stadt Leipzig in besagter Höhe ab? Uns ist jedenfalls keine Fluggesellschaft bekannt, die sich auch nur im Mindesten darum scheren würde, ob überhaupt bzw. in welcher Höhe die Stadt Leipzig Anteile am Flughafen hält”, stellt er fest. Aber für den Leipziger Stadthaushalt würden eine halbe Million Euro jährlich eben doch eine gewichtige Rolle spielen.

“Leipzig stellt aus Gründen der Haushaltssanierung städtische Beteiligungen zur Disposition: aktuell zum Beispiel Perdata und HL komm – Anteile, die für die Stadt noch nicht einmal defizitär sind (so erwirtschaftete Perdata jüngsten Angaben nach zum Beispiel 2010 einen Gewinn von 2,8 Millionen Euro)”, stellt der Stadtrat fest. “Warum aber bleiben die Anteilszahlungen von 2,1 %, die die Stadt Leipzig alljährlich an die Mitteldeutsche Flughafen AG zahlt, außen vor? Können wir uns in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation, in der Leipzig Geld an allen Ecken und Enden für die Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich der Daseinsvorsorge (Kita, Schulbautensanierung, Straßensanierung, LVV etc.), fehlt, diese Zahlungen wirklich weiterhin leisten?”

Es ist jedoch keineswegs so, wie neuerdings gern behauptet, dass wir mit unserem Antrag den Flughafen Leipzig/Halle dafür “abstrafen” wollen, dass er in Belangen des aktiven Lärmschutzes selbst den national anerkannten Mindeststandards (z. B. Bonusliste) nicht nachkommt, oder dafür, dass die zahlreichen Leipziger Stadtratsbeschlüsse zum Fluglärmschutz bislang ohne nennenswertes Ergebnis geblieben sind.

Es gehe im Grünen-Antrag also nicht um das Thema Fluglärm, sondern allein um die wirtschaftliche Situation der Stadt.

“Warum können wir nicht dem Beispiel der Stadt Halle folgen, die ihre Anteile sogar von ehemals 5,16 auf 0,2 % gesenkt hat – und am Rande erwähnt, die Stadt Halle hat nach der Senkung sogar ihre alten Stimmrechte in den Aufsichtsratsgremien beibehalten können. Mit der Senkung hat Halle alleine von 2009 bis 2012 zirka 13 Millionen Euro an Haushaltsmitteln gespart, während Leipzig dagegen über 5 Millionen Euro ausgegeben hat. Diese Zahlen sprechen für sich – Halle hat diese Senkung allein aus rein wirtschaftlichen Gründen vollzogen, keineswegs aber, um gegenüber dem Flughafen Leipzig/Halle einen Affront zu landen.”

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