Wer jetzt im Raum Leipzig-Halle-Dessau aufwächst, wird sich kaum vorstellen können, dass die Region hier einst durch ausgesprochene Armut an Seen und anderen Standgewässern geprägt war. Der Anfang zum jetzigen Leipziger Neuseenland (LNL) wurde mit dem Beginn des industriellen Braunkohlebergbaus um 1850 gemacht. Dem verdankt auch der Schladitzer See seine Existenz.

Er war einer der Anlaufpunkte der Informationsreise von Landtags- und Bundestagsabgeordneten am 16. April, die sich ein Bild von der Entwicklung der Seenregion machen wollten.

Der Schladitzer See, etwa auf halbem Weg zwischen Leipzig und Delitzsch gelegen, entstand aus dem ehemaligen Tagebaubereich Breitenfeld. Mit ihm verbindet der Rackwitzer Bürgermeister Manfred Freigang so manche Hoffnung für eine hellere Zukunft: “Ich erinnere mich noch gut zurück, als hier vor 20 Jahren noch der Tagebau Breitenfeld war. Eine regelrechte Mondlandschaft. Jetzt schauen Sie sich das an.”

Dabei zeigt Freigang auf die Schladitzer Bucht, die an dem stürmischen Morgen ein wenig Ostsee-Feeling verbreitet. Ein einsamer Windsurfer, der über die vom Wind gepeitschten Wellen des eiskalten Sees reitet, verstärkt den Eindruck noch. Prof. Andreas Berkner von der Steuerungsgruppe LNL: “Der See wurde sehr schnell von der Bevölkerung angenommen. Schon vor seiner Freigabe im Jahr 2003 tummelten sich hier die ersten Badegäste und Wassersportler, da war nix zu machen. Das ist auch der ausgezeichneten Wasserqualität zu verdanken, die der Schladitzer See hat. Was die vorzeitigen Badegäste betraf wurde hier nach dem Prinzip geregelte Besucherlenkung statt Verbotsschilder verfahren.”Der sogenannte Sportstrand in der Schladitzer Bucht bietet schon jetzt vielfältige Möglichkeiten am und im Wasser. Allerdings muss sich der Betreiber der Sportanlagen “All on Sea” noch mit provisorischen Holzbauten begnügen. Das soll sich allerdings schon in absehbarer Zeit ändern, erklärt Michael Glaser vom Betreiber: “Noch sind wir auf die Provisorien hier angewiesen, die auch wir als unbefriedigend empfinden. Doch schon bald sollen feste Gebäude für Sport, Gastronomie und Freizeit entstehen. Dabei hoffen wir natürlich auch auf Unterstützung durch den Paragraphen 4.”

Dieser Paragraph des Verwaltungsabkommens spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Infrastruktur des Leipziger Neuseenlands. Mit dem daraus generierten Geld werden seit Jahren Straßen, Wege, Wasserwege, Hafenanlagen, Uferbefestigungen, Standsicherungsmaßnahmen von Seeböschungen und ähnliche Bautätigkeiten finanziert. Landrat Gerhard Gey von der Steuerungsgruppe: “Damit gewinnen die Seen sowie die unmittelbar benachbarten Orte und Flächen an Attraktivität für eventuelle Investoren.”Darauf hofft man auch bei der Entwicklung der anderen Strände nahe der Ortslagen Hayna und Wolteritz, die ebenfalls auf Unterstützung bei der Entwicklung der jeweiligen Projekte rund um das Wasser hoffen. Zu recht, wie das Projekt Schladitzer Bucht zeigt. Michael Glaser von “All on Sea”: “Trotz der mehr als provisorischen Einrichtungen und der noch nicht fertig gestellten Infrastruktur verzeichnen wir pro Jahr rund 180.000 Besucher an der Schladitzer Bucht.”

Das wiederum zeigt, dass die bisher investierten 1,8 Milliarden Euro, die bisher in die Braunkohlesanierung in Westsachsengeflossen sind, gut angelegtes Geld sind. “Geld”, so der Rackwitzer Bürgermeister Manfred Freigang, “das nur gut angelegt ist, wenn wir nicht mitten in den Investitionen auf halber Strecke quasi verdursten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass weiter in eine funktionierende Infrastruktur investiert wird. Auch dabei hoffen wir auf Geld aus den Paragraph-Vier-Maßnahmen des Landesentwicklungsplanes.”Zu den schon existierenden Erschließungsprojekten gehört auch ein Rad- und Wanderwegenetz rund um den See, das alle interessanten Orte verbindet. Dazu gehört auch die Schaafshöhe, ein Aussichtspunkt auf der heute bewaldeten Innenkippe. Als absolute Besonderheit zählt auch die vorgesehene Wiederherstellung der Durchgängigkeit des Flüsschens Lober durch die Verbindung der verbliebenen Abschnitte am Nordostufer.

So wie in Schladitz entstanden in der ganzen Region bedingt durch die schrittweise Einstellung bergbaubedingter Grundwasserabsenkungen die Voraussetzungen für die Schaffung großflächiger Tagebauseen. Im Maximum beträgt die Fläche an Seen etwa 1.000 Quadratkilometer bei einer Anhebung der Gesamtwasserfläche von 16 Kubikmetern pro Sekunde. Das entspricht etwa dem langjährigen mittleren Durchfluss der Weißen Elster am Pegel Zeitz.

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Nach dem weitgehenden Abschluss der Gestaltung von standsicheren Böschungen und Uferbefestigungen bildet die Flutung derzeit den absoluten Schwerpunkt. Prof. Andreas Berkner: “Diese Flutung ist auf weitgehende Nachsorgefreiheit der wasserwirtschaftlichen Sanierung ausgerichtet. Dazu wird im Leipziger Neuseenland in erster Linie ein 74 Kilometer langes Leitungssystem verwendet, das herangeführtes sogenanntes Sümpfungswasser aus den aktiven Tagebauen Profen und Vereinigtes Schleenhain nutzt.” Damit soll eine zügige Flutung in einer entsprechenden Wasserqualität ermöglicht werden.

Die neue Seenlandschaft wird nach 2050 rund 190 Quadratkilometer Wasserfläche umfassen. Der übrige Teil entfällt an Tagebaurestseen mit einer Fläche von 175 Quadratkilometer und einem Volumen von 3,8 Kubikkilometer.

Einer der kleineren, dennoch sehr attraktiven Seen ist der Markkleeberger See, der durch seine günstige Verkehrsanbindung zu einem der beliebtesten Ausflugsziele gehört. Entscheidend für die Steigerung dieser Attraktivität dürfte der Bau der Verbindungsschleuse zum Störmthaler See auf der südlichen Seite der A 38 sein. Nächstes Ausflugsziel und Gegenstand des dritten Teils über die Entwicklung des Leipziger Neuseenlands.

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