Seit Monaten gärt die Diskussion um die Schiffbarkeitserklärung auf den Tagebauseen im Leipziger Neuseenland. Am Donnerstag tagte die Steuerungsgruppe Neuseenland, beschäftigte sich auch mit dem Bootsverkehr auf Kurs 1 (durch den Floßgraben) und den noch fehlenden Mitteln für Kurs 5 (Pleiße - Markkleeberger See). Schon am Vortag hatte die IHK zu Leipzig getagt.

Am Mittwoch, 5. September, tagte die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig. Da sprachen sich die Vertreter des regionalen Unternehmerparlaments für die Stärkung des überregionalen Tourismus in der Region aus. Vor diesem Hintergrund bestätigten sie eine Stellungnahme zur Novellierung des Sächsischen Wassergesetzes (SächsWG) und verabschiedeten eine Resolution zur touristischen Entwicklung des Leipziger Neuseenlandes. Die IHK zu Leipzig wirkt aktiv in der Steuerungsgruppe Neuseenland mit und vertritt die Interessen der gewerblichen Wirtschaft.

Wolfgang Topf, Präsident der IHK zu Leipzig: “Rund um Leipzig entsteht aus einem ehemaligen Tagebaurevier eine der größten künstlichen Seenlandschaften Europas. In Verbindung mit den Angeboten des Städtetourismus ergibt sich für unsere Region eine einmalige Chance den Tourismus zu einer tragenden Säule der regionalen Wirtschaft zu entwickeln. Diese müssen wir nutzen.”

Für nachhaltige und Arbeitsplätze schaffende Investitionen an den Seen bedürfe es neben klaren und verlässlichen Rahmenbedingungen sowie unbürokratischen Genehmigungsverfahren vor allem einer tourismusorientierten Dienstleistungsmentalität. Das beträfe Unternehmen als auch die Bevölkerung in gleichem Maße.

“Sich von vornherein gewissen Entwicklungsmöglichkeiten zu verschließen, ist in diesem Sinne äußerst kontraproduktiv und provinziell”, so Topf. Das gelte insbesondere für die in diesen Tagen besonders heftig geführte Diskussion um die Schiffbarkeitserklärung auf den neu entstandenen Seen. “Es ist falsch zu unterstellen, dass Gewässertourismus grundsätzlich die Natur zerstört. Eine solche Schiffbarkeit unterliegt höchsten Umweltschutzanforderungen und Beispiele für eine intakte Natur trotz motorangetriebenen Booten gibt es genug. Die im Tourismus tätigen Unternehmen sind dabei äußerst verantwortungsvoll, da sie für ihren wirtschaftlichen Erfolg auf eine intakte Natur angewiesen sind.”

Die grundsätzliche Erklärung der Schiffbarkeit der Tagebaufolgeseen im Leipziger Neuseenland sei eine logische Konsequenz der seit Jahren von den handelnden Behörden und Institutionen sowie der Wirtschaft dieser Regionen propagierten Ziele zur Entwicklung des Gewässertourismus und einer attraktiven Naherholung.
Deshalb sei eine Zulassung von motorangetriebenen Booten (ausgestattet mit EU-konformen Antrieben) auf den Seen und Gewässerverbindungen zwingend notwendig, damit sich die Seenlandschaft mittel- bis langfristig überhaupt zu einer neuen touristischen Destination von internationaler Bedeutung entwickeln kann. Dies sei die Basis für die Ansiedlung neuer wirtschaftlicher Unternehmungen in den Bereichen Freizeit, Sport und Erholung sowie in der Hotellerie und Gastronomie.

In den vergangenen Jahren wurden erhebliche Finanzmittel durch den Bund, den Freistaat Sachsen und die Kommunen in die Schaffung der touristischen Infrastruktur im Leipziger Neuseenland investiert. Mit diesen Investitionen wird das Ziel verfolgt, Gäste in diese Region zu ziehen, weggefallene Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze zu kompensieren und die Lebensqualität insgesamt zu verbessern. Eine konsequente Beibehaltung dieser Strategie legitimiert die bisherigen öffentlichen Zuwendungen für gewässernahe, maritim-touristische Infrastruktur und ermöglicht eine langfristige Öffnung der Region für weitere private Investitionen, so die IHK. Gleichwohl sei für eine wirtschaftlich erfolgreiche Ansiedlung maritim-touristischer Angebote ein ökologisch funktionierendes Gewässersystem zwingend erforderlich. Die alleinige Nutzung der Seen für die Naherholung rechtfertige die immensen Aufwendungen für die geplanten Gewässermaßnahmen nicht.

Nachgefragt: Schiffbarkeit und Motorboote

Hat die L-IZ also gleich wieder nachgefragt auf der Pressekonferenz nach der Sitzung der Steuerungsgruppe, an der ja auch die IHK teilgenommen hat.

Was bedeutet jetzt, wenn im neuen Wasserschutzgesetz des Freistaats Sachsen die Schiffbarmachung für die Tagebauseen im Leipziger Südraum festgeschrieben werden soll. Ist das der Freibrief für Motorbootbesitzer, dort fahren zu dürfen?

Antwort Prof. Andreas Berkner, Chefplaner im Neuseenland: “Nein, ist es nicht. Die Schiffbarkeit erlaubt eben nicht, dass jeder sein Boot einfach zu Wasser lassen und losbrausen kann.”

Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal: “Mit der Schiffbarkeitserklärung wird erst einmal ein rechtlicher Rahmen geschaffen, dass auf den Gewässern im Südraum ein geregelter Bootsverkehr stattfinden kann. Einen solchen Rahmen gibt es bislang nicht. Den wird das Gesetz erst schaffen. Das betrifft dann auch den möglichen Einsatz von Wasserschutzpolizei.”

Stefan Barton, Sprecher der Landesdirektion Leipzig: “Die gesetzliche Regelung gibt uns erst einmal die Grundlage dafür, entsprechende Regelungen im Neuseenland zu erlassen. Das betrifft auch die Frage, welche Bootstypen dort fahren können.”

Dr. Gerhard Gey: “Zur Frage nach Motorbootverkehr im Neuseenland – ein klares Nein. Das ist auch nicht unser Anliegen.”

Barton: “Die Entscheidung, welche Regelungen und Einschränkungen gelten und welche Bootstypen künftig fahren dürfen, liegt dann bei der Unteren Wasserbehörde.”

Ist im Neuseenland etwas kompliziert, denn je nach Gewässerklasse ist mal die Landesdirektion, mal die Stadt Leipzig oder der Landkreis Untere Wasserbehörde zuständig. Heißt aber auch: Wenn man sich in der Steuerungsgruppe einig bleibt, werden die Bootstypen, die im Neuseenland fahren dürfen, auch künftig definiert. Bevorzugt ist “handbetriebener Bootsbetrieb”. Im Auewald, wo die Verbindungskurse über Pleiße und Floßgraben verlaufen, sind zusätzlich – auch das ein Anliegen der Steuerungsgruppe – nur die Motorboote vom Typ Leipzig zugelassen. Drei Boote sind bislang nach diesem Standard zugelassen.

Für Fahrgastschifffahrt gibt es bislang Ausnahmegenehmigungen auf den Seen. Auch das muss die Untere Wasserschutzbehörde mit Inkrafttreten des neuen Wasserschutzgesetzes dann regeln.

“Vorher können wir nichts regeln”, sagt Barton. “Wir müssen warten, bis das Gesetz verabschiedet ist.”

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