Wirklich weiter gekommen ist die Landesdirektion mit dem in der letzten Woche vorgestellten nautischen Gutachten zum Neuseenland nicht. Die Gutachter der TU Dresden bescheinigten am Ende nur, dass "fachlich" auch Spielräume für Motorbootverkehr und höhere PS-Zahlen bestehen. Nur dummerweise hat das mit den Haltungen selbst in der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland nichts zu tun.

Zumindest nicht mit dem, was aus dieser Gruppe regelmäßig verlautbart wurde. Und danach ist bei allen Anrainer Konsens, dass man gerade auf den Verbindungsgewässern keinen zusätzlichen Motorbootverkehr will. Man hat sich einvernehmlich auf den einzigen im Auenwald zugelassenen Motorbootstyp LeipzigBoot verständigt. Für die Tagebauseen gibt es Ausnahmegenehmigungen – zum Beispiel für die Fahrgastschiffe. Aber auch für das durchaus kritisch zu sehende Amphibienfahrzeug auf dem Störmthaler See.

Würden sich alle Partner an die eigenen Entwicklungskonzeptionen halten, würde es keine weiteren Gutachten brauchen. Auch keine Diskussionen um die Zulassung weiterer Motorboote. Gar mit Verbrennungsmotor.

Gerade in der letzten Woche bekam Leipzig einen der Deutschen Nachhaltigkeitspreise verliehen. Unter anderem auch dafür, dass Öffentlichkeitsbeteiligung hier augenscheinlich etwas ernster genommen wird als in anderen Bewerberstädten. Und dass man mit einem integrierten Stadtentwicklungskonzept tatsächlich bemüht scheint, die Stadt nachhaltig zukunftsfähig zu machen.Doch die Motorbootdiskussion wurde auch sofort eine Wirtschaftsdiskussion. Was verständlich ist. Für viele Akteure im Neuseenland ist der damit einhergehende Tourismus eine neue Geschäftsgrundlage. Manches funktioniert schon – wie am Cospudener See – seit über zehn Jahren. Die entstehende Tourismuswirtschaft hat sich auf eine Vision des sanften Umwelttourismus eingestellt – für jeden Besucher des Neuseenlandes ist das unübersehbar. Es geht nicht nur um Paddler, sondern auch um Segler, Surfer, Taucher, Radfahrer, Spaziergänger. Um Wochenendausflügler und Tagestouristen. Und nicht nur solche, die aus der weiteren Umgebung anreisen, sondern auch und gerade die Bewohner der Großstadt, die hier die Erholung finden, die die Stadt selbst nicht bieten kann.

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Das funktioniert bislang. Und hat auch seine eigenen, unverwechselbaren Erlebniswerte. Bis hin zur Paddeltour auf Kurs 1, auf dem es an Sommertagen jetzt schon eng wird, obwohl nur zwei LeipzigBoote unterwegs sind und alle anderen Boote mit Muskelkraft durch den Auenwald fahren. Ein Zustand, den der Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald e. V. (NuKLA) seit der Formulierung des neuen sächsischen Wassergesetzes für bedroht ansieht. Deswegen sammelte er im Sommer und Herbst eifrig Unterschriften gegen eine Motorisierung der Auengewässer. 11.231 Unterschriften hat er bisher gesammelt und der Vereinsvorsitzende Wolfgang E. A. Stoiber rechnet fest damit, dass der Petitionsausschuss des Landtages im Frühjahr zum Vor-Ort-Termin nach Leipzig kommt.

Aber er wünscht sich auch die IHK, die sich so vehement für Motorboote im Neuseenland ausgesprochen hat, als Partner. Auch als Partner bei einer Bewerbung darum, den Leipziger Auenwald als UNESCO Weltnaturerbe schützen zu lassen. Das würde auch für die Repräsentanten des Staates deutlicher machen, worum es eigentlich geht – auch bei der Belebung des Neuseenlandes: um einen Tourismus, bei dem die Natur – auch die durch Menschen künstlich geschaffene – die eigentliche Hauptattraktion ist. Man kommt nicht ins Neuseenland, um “mal richtig Speed zu machen”. Ausnahme sind vielleicht die testosterongejagten Kampfradfahrer auf dem Rundweg um den Cospudener See, die die Piste für eine Radrennbahn halten und auf die langsameren Nutzer des Weges eher wenig Rücksicht nehmen.

Die meisten Neuseenlandbesucher wollen eher einen Gang zurückschalten, mal nicht mehr auf jedes Motorgeräusch reagieren müssen, an den Stränden und in den Freisitzen entspannen. Vielleicht gibt es dazu noch keine Erhebung, vielleicht wären die Neuseenland-Akteure gut beraten, eine zu machen und auch die Nutzer der Seenlandschaft mit einzubinden in das Konzept eines sanften Naturtourismus.

Der NuKLA hat schon im September an IHK-Präsident Wolfgang Topf geschrieben, um ihn als Partner für sein Anliegen zu gewinnen, den Auenwald zum UNESCO Naturerbe zu machen.

www.KlassischeKartoffelKonzerte.de

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