Ein ganzer Haufen Vorlagen, Anträge und Anfragen aus der Stadtratssitzung im Juni wurden auf die Juli-Sitzung am 10. Juli verschoben. Immer öfter laufen die Tagesordnungen des Leipziger Stadtrates schlichtweg über. Zu den vertagten Vorlagen gehört das Schmuckstück "Weiteres Vorgehen nach Vorlage der Touristischen Potenzialanalyse und Betrachtung der Grobvarianten der Trassen des Projektes 'Anbindung des Saale-Elster-Kanals an die Saale'". Jetzt haben die Grünen eine kleine, aber feine Änderung beantragt.

Nicht am Gesamtpapier. Das ist so, wie es ist. Wer 200 Millionen Euro übrig hat, kann den Kanal für 44 Meter lange Fahrgastschiffe und Charterboote samt Schiffshebewerk bauen. Oder er kann’s bleiben lassen. Natürlich kommen die Schwierigkeiten erst so richtig ans Tageslicht, wenn tatsächlich irgendeine der beteiligten Instanzen so verliebt in das Projekt ist, dass geplant und untersucht wird. Immerhin werden mehrfach Naturschutzgebiete tangiert. Eine Berechnung zum Wasserhaushalt des Kanals liegt auch noch nicht vor. Ist ja nicht so, dass die Weiße Elster immer so viel Wasser zur Verfügung stellt wie Anfang Juni 2013.

Aber darum geht es gar nicht. Denn die Löwenanteile an den nötigen Investitionen müsste gar nicht die Stadt Leipzig leisten, denn weder das noch nicht gebaute Kanalstück bis zur Saale noch das geplante Schiffshebewerk liegen auf Leipziger Flur. Bis hinter Günthersdorf wurde der Kanal in den 1930er Jahren gebaut. Aber da ist man schon im Nachbarland Sachsen-Anhalt. Dieses so sehr von allen touristischen Geistern verlassene Stück Erde gehört zum Saalekreis. Wenn jemand dieses Kanalstück baut, dann können das nur der Saalekreis und/oder das Bundesland Sachsen-Anhalt sein.

Was die “Potenzialanalyse” sehr deutlich zeigt: Leipzig ist ausgerechnet jener Partner dabei, der den Kanal am allerwenigsten braucht. Die Stadt bekommt ihren Touristenzustrom auf anderem Wege – und in ganz anderen Größenordnungen.

Und Motorboottouristen sind das Letzte, was im eh schon überlasteten Wasserknoten Leipzig gebraucht wird. Von dem aus es jetzt nicht einmal mehr eine dauerhaft verfügbare Verbindung ins Neuseenland gibt. Da kann es nicht sein, dass ausgerechnet Leipzig für die Motorbootbesitzer auf der Saale (von denen die meisten ihre Boote in Brandenburg liegen haben) den Projektmotor spielt und kraft seiner Wassersuppe die Lobbyarbeit macht.
Aber so beabsichtigt es ja die Vorlage des Umweltdezernates. Der zweite Punkt in der Abstimmungsvorlage heißt eindeutig: “Die Stadt Leipzig unterstützt und befördert auch zukünftig konzeptionell und ideell die Fortführung des Projektes ‘Anbindung des Saale-Elster-Kanals an die Saale’. Dabei wird sie sich mit der Stadt Halle intensiv abstimmen, um die gemeinsamen Ziele dieser Städtekooperation in das Projekt einzubringen.”

Das bindet jetzt schon Arbeitskräfte in den zuständigen Ämtern. Und wird es noch auf Jahre tun. Der Passus hat in so einer Vorlage nichts zu suchen. Schon gar nicht, wenn noch nicht einmal aus Halle eine ähnliche Erklärung vorliegt. Dass der Passus wie im Sandwich zwischen den eigentlich Leipzig betreffenden Punkte liegt, sieht schon ein bisschen wie ein Trojanisches Pferd aus.

Die anderen beiden Punkte sind nämlich:

1. Die Stadt Leipzig nimmt die Ergebnisse der Touristischen Potenzialanalyse zur Kenntnis.

3. Vordringlich verfolgt die Stadt Leipzig die Anbindung des Lindenauer Hafens an den Saale-Elster-Kanal, die einschließlich des Baus der Lyoner Brücke 2017/2018 realisiert werden soll.

Nach Antrag der Grünen wird aus Punkt 3 dann Punkt 2. Denn das ist der eigentlich logische Schritt in der Entwicklung des Gewässerverbundes am Lindenauer Hafen. Die Verbindung vom Hafen zum Karl-Heine-Kanal wird ja gebaut. Was jetzt noch fehlt, ist das Verbindungsstück vom Hafen zum schon gebauten Elster-Saale-Kanal.

Und was macht man nun mit der “Potenzialanalyse”? – Naja, reden kann man ja, dachten sich die Grünen. Und schlagen jetzt als neuen dritten Beschlusspunkt vor:

“Die Stadt Leipzig nimmt an Abstimmungen mit der Stadt Halle und den anderen beteiligten Gebietskörperschaften Sachsen-Anhalts teil, soweit diese das Projekt in ihrer Regie weiterführen. (neu, ehemals Pkt. 2).”

Womit die Sache wieder in jenen Verantwortungen landet, wo sie hingehört. Leipzig kann sich zwar das Lamento über den fehlenden Tourismus hinter Günthersdorf anhören – aber es ist nicht wirklich Leipzigs Problem. Das müssen jene lösen, die es als Problem sehen: der Saalekreis vielleicht, Halle vielleicht. Und sie sind es, die die Lobbyarbeit machen müssen und das Geld auftreiben müssen. Leipzig wird noch am fehlenden Kanalstück am Lindenauer Hafen zu knabbern haben.

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