Das, was sich der Wähler wünscht, passiert im Leipziger Stadtrat schon längst nicht mehr. Wesentliche Kompetenzen haben die 70 ehrenamtlich tätigen Stadträtinnen und Stadträte längst an die Verwaltung abgegeben. Und mit den Inhalten der immer dickeren Vorlagen, die die Verwaltung dann zur Abstimmung vorlegt, beschäftigen sich die Wenigsten. In Sachen Elster-Saale-Kanal wurde Siegfried Schlegel am 10. Juli zum Vor-Sprecher der Linksfraktion. Und die stimmte ihm einfach hinterher.

Dass er nicht einmal weiß, wovon er da geredet hat und welche Folgen das “Ja” seiner Fraktion hat, machen sowohl sein Redebeitrag als auch seine Antwort auf Abgeordnetenwatch sichtbar. Was nicht so schlimm wäre, wenn es nur seine persönliche Entscheidung wäre. Aber in der Regel stimmen Leipzigs Fraktionen ihren Vor-Sprechern hinterher. Die Linksfraktion votierte in diesem Fall mit “Ja”, obwohl ein bootsgängiger Kanal bis zur Saale nun wirklich nicht zum 1,2-Milliarden-Euro-Sanierungsstau der Stadt Leipzig gehört.

Wo hört Verantwortung eigentlich auf? Und wo beginnt sie?

Bislang war er nicht einmal das als nächstes anstehende Projekt des “Grünen Ringes”. Eigentlich standen die Freilegung des Elstermühlgrabens, der Stadthafen, die Freilegung der Alten Elster, die Bootsverbindung zum Markkleeberger See ganz oben auf der Tagesordnung. Aber für alle vier Projekte fehlt das Geld. Die Fertigstellung ist auf Jahre hinaus vertagt. Denn der “Grüne Ring” bekommt von den Mitgliedskommunen zwar Geld für Planung, bezahlt aber wird dann aber aus Eigen- und Fördermitteln die Kommunen, auf deren Grund das Projekt entsteht. Oder §4-Mitteln wie bei der Verbindung von der Pleiße zum Markkleeberger See.

Die Gelder sprudeln nicht mehr so üppig wie in den 1990er Jahren. Auch nicht in Sachsen-Anhalt. Über 100.000 Euro sind schon jetzt allein für die Analysen und Vorarbeiten zum Elster-Saale-Kanal gezahlt worden. Und das Votum des Stadtrates am 10. Juli war eindeutig – Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal hat es noch einmal betont – ein Auftrag, den der Umweltbürgermeister und Sprecher des Grünen Rings als Aufforderung zum Weitermachen sieht. Die”Gremien” sollen jetzt entscheiden, wie das personell untersetzt wird.

Verständlich, dass die Linksfraktion jetzt von Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NUKla e.V., einen Brief bekommt, in dem er sich über soviel laissez faire einfach nur noch wundert.Der Offene Brief:

“Sehr geehrte Fraktion der Linken der Stadt Leipzig!

Da haben Sie es doch mit dem Beitrag Ihres Fraktionsmitgliedes Sigfried Schlegel geschafft, so richtig Verwirrung im Wahlvolk zu stiften: Vor der OBM-Wahl waren Sie ganz auf Seiten derer, die den Investitionsstau der Stadt anprangerten und sich wahlkämpferisch für die wirklich wichtigen unerledigten Aufgaben der Stadtverwaltung einsetzten. Man könnte – sofern man Ihr Wahlprogramm noch nicht in den Schredder befördert hat – das nachlesen. Nun, nur 6 Monate später, stimmen Sie ganz entspannt einem Beschluss zu, der weitere Gelder aus dem klammen Leipziger Stadtsäckel abzweigen wird für die demagogisch verbrämt umschriebene ‘ideelle Begleitung’ eines Projektes, dessen Sinnhaftigkeit viel und klug in Frage gestellt wurde und für das es nicht ein einziges Argument gibt, das einer Validitätsprüfung standhielte: Pläne für den Weiterbau des Elster-Saale-Kanals zu unterstützen, auch wenn es angeblich nur ‘ideell’ ist, straft all Ihr sonstiges löbliches Engagement für soziale Gerechtigkeit und Ihren Einsatz für die existentiellen Nöte derjenigen LeipzigerInnen Lügen, die nicht so leicht aus dem Vollen schöpfen können wie scheinbar die Verwaltung ihrer Stadt.

Denn, was glauben Sie, woher das Geld kommt für diese ‘ideelle Unterstützung’? Dafür werden natürlich auch MitarbeiterInnen der Stadt tätig werden und also bezahlt werden müssen von Geld, das doch eigentlich an anderen Stellen dringend gebraucht wird, wie Sie selbst einmal erkannt haben. Was haben Sie sich dabei gedacht? Wem wollen Sie imponieren mit diesem Engagement für ein Steuermittelversenkungsprojekt erster Güte, das für die da sein wird, die (so die Vision) mit ihrer Yacht von irgendwo nach Leipzig kommen sollen, durch ‘aufgewertete Landschaft’.

Man darf gespannt sein, was Sie sich darunter vorstellen und was es dann noch zusätzlich zu den vermutlich mehr als 200 Millionen kosten wird, die Rübenäcker ‘aufzuwerten’! Und man ist gespannt, wie Ihre Wähler es finden werden, dass ihre Partei der sozialen Gerechtigkeit der Vernichtung von Steuergeld so unverhohlen zustimmt.

Wolfgang E. A. Stoiber

Vorsitzender des NUKLa e.V.”

Siegfried Schlegels Rede: www.linksfraktion-leipzig.de/nc/im_stadtrat/reden/aktuell/detail/zurueck/aktuell-226f6d5d26/artikel/so-wie-unsere-generation-von-den-visionen-und-strategien-unserer-vorfahren-partizipieren-sollen-die

Siegfried Schlegels Antwort auf Abgeordnetenwatch: www.abgeordnetenwatch.de/siegfried_schlegel-642-44829–f384219.html#q38421

www.NuKLA.de

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