Ruft man im Rathaus von Markranstädt an, um den Bürgermeister zu sprechen, dann wird man schmallippig abgewiegelt, ja fast unhöflich behandelt. Besagter BM wäre nämlich Jens Spiske von den Freien Wählern Markranstädt. Wäre, denn selbst ein Jahr nach seiner gewonnenen Wahl zum BM sitzt er immer noch nicht am Schreibtisch des Rathauses. Ein zumindest in Sachsen einmaliger Vorgang. L-IZ im Interview mit dem Bürgermeister in Wartestellung.

Herr Spiske, wie lange ist es jetzt her seit Sie die Wahl zum Bürgermeister von Markranstädt gewonnen haben?

Seit dem 30. September ist es genau ein Jahr her. Zum 1. November hätte ich mein Amt antreten können. Wenn denn nicht die Wahlanfechtung dazwischen gekommen wäre.
Von wem ist die Wahlanfechtung ausgegangen?

Von Frau Aurica Geißler aus Göhrenz. Dass, wie wir vermutet haben, dahinter ihr Mann mit dem sogenannten Bündnis 2012 steckt, hat sich inzwischen bewahrheitet, weil man sich von dieser Seite letztendlich in einer Anzeige in “Markranstädt informativ” dazu bekannt hat. Vorher hat man immer versucht, anonym zu bleiben. Der Vorsitzende dieses sogenannten Heimatvereins ist im Übrigen der Ehemann von Frau Geißler. Dieser Verein hat sich in die Statuten geschrieben, die “bösen” Machenschaften der Freien Wähler Markranstädt, insbesondere meiner Person, aufzudecken. Das betrifft Lügen und Unwahrheiten, die ich angeblich im Wahlkampf verbreitet haben soll.

Die Wahlanfechtung ist aber schon vom Landratsamt abschlägig beschieden worden?

Richtig. Und das schon aus formalen Gründen, weil die Unterschriftenlisten nicht eindeutig untrennbar mit dem Text der Wahlanfechtung verbunden waren. Von der Bewertung der Vorwürfe gegen mich mal ganz abgesehen, auf die ausführlich eingegangen wurde und die allesamt, so das Landratsamt, nicht geeignet sind, die Wahl für ungültig zu erklären.

Auch vor dem Verwaltungsgericht Leipzig ist die Anfechtung abgeschmettert worden?

Ja, man hat Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Landratsamtes eingelegt. Das Verwaltungsgericht ist am 18. Juni in der Hauptverhandlung zum selben Schluss gekommen wie das Landratsamt und hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil wurde auch hier von Seiten des “Bündnis 2012” Berufung beantragt, so dass der Vorgang jetzt beim Oberverwaltungsgericht liegt, das über die Zulässigkeit dieser Berufung entscheidet.
Das OVG in Bautzen ist damit die letztendliche Instanz?

Ja und wir hoffen dass wir noch im November oder Dezember mit einer Entscheidung rechnen können.

Wie bezeichnet man Ihren gegenwärtigen Status am besten?

Gewählt aber nicht amtierend. Ich arbeite sozusagen als halber Bürgermeister. Die Bürger kontaktieren mich natürlich schon. Sie sagen sich, wir haben ihn gewählt, dann soll er schon mal was tun, was ich übrigens auch normal und gut finde. Ich habe einen relativ guten Kontakt zur Stadtverwaltung. Die Erste Beigeordnete, Frau Beate Lehmann (CDU, d. Red.), verhält sich da ausgesprochen fair und objektiv. Wenn es Probleme gibt, die Bürger an mich herantragen, kann ich mit ihr kommunizieren, Lösungen herbeiführen und auch ein entsprechendes Feedback an die Bürger weitergeben.

Aber im Endeffekt können Sie doch nichts bewirken?

Nein, bewirken kann ich von mir aus fast nichts. Da bin ich immer auf den guten Willen der Stadtverwaltung angewiesen. Oder man kann einen wohlgesonnenen Stadtrat dazu bewegen, einen entsprechenden Antrag im Stadtrat einzubringen. Ich selber habe lediglich den Status eines Bürgers, der vielleicht eine gewisse Prominenz hat.

Welche Auswirkungen hat das auf die Handlungsfähigkeit der Stadt?

Grundsätzliche Entscheidungen, die eine wesentlich politische Tragweite haben, können nicht gefällt werden. Wie zum Beispiel die Angelegenheit mit dem Zweckverband Kulkwitzer See. Hier wird nicht entschieden, wie mit bestehenden Problemen umgegangen werden soll. Aus meiner Sicht zu Recht. Man sagt eben, dass, solange keine entsprechende politische Führung im Rathaus vorhanden ist, solche Themen nicht entschieden werden können. Auch beim Seglerverein am Kulki wurde eine Entscheidung bezüglich des Ankaufs eines Grundstückes, beziehungsweise Übernahme in Erbpacht aus diesen Gründen zurückgestellt. Insofern laufen derzeit nur die Projekte durch, die vorher schon entschieden waren. Aber andere wichtige Vorhaben von Tragweite, wie z.B. die Sanierung des Stadtbades, bleiben eben liegen. Das hätte man alles schon in Angriff nehmen können, wenn wir eine handlungsfähige politische Stadtführung hätten. So entsteht ein erheblicher Entscheidungsstau.

Gibt es auch positive Entwicklungen?

Kann man durchaus sagen. Seit der Wahl hat sich die Stimmung, also vor allem die politische Stimmung deutlich gebessert. Es wird wieder mehr miteinander geredet.

Können Sie das konkretisieren?

Zum Beispiel was die Eigenständigkeit des Gymnasiums in Markranstädt angeht. Es wird jetzt ernsthaft darüber nachgedacht und wir erwarten die Eigenständigkeit in wenigen Jahren. Wir sind da von Schkeuditz abhängig, weil die Stadt Schkeuditz Träger des Gymnasiums ist. Die Schülerzahlen würden eine Eigenständigkeit hergeben. Allerdings war es bisher so, dass die Stadtführung in Schkeuditz dazu nicht mit der alten Rathausführung von Markranstädt reden wollte, so mein Eindruck aus einem Gespräch mit dem Schkeuditzer OB Enke. Alleine durch die Veränderung sind einige Dinge in Gang gekommen. So plant die SPD zum Beispiel für den 25. November ein Bürgerforum über den Umgang öffentlicher Behörden mit dem Bürger. Hintergrund ist der lange Kampf der Bürgerinnen und Bürger um eine menschenfreundliche Verkehrsplanung in Markranstädt. Noch vor zwei Jahren wäre so eine Veranstaltung kaum auf Wohlwollen im Rathaus getroffen.

Gibt es eigentlich einen ähnlich gelagerten Fall wie den Ihren?

Also wir haben recherchiert, dass es in Sachsen einmalig zu sein scheint. Bundesweit haben wir auch keinen ähnlichen Fall finden können, in dem eine Wahl so lange angefochten wurde. Wir haben Belege dafür, dass es nur darum geht, mich solange wie möglich aus dem Amt fernzuhalten. Ich besitze eine E-Mail von Herrn Ebel-Geißler, dem Vorsitzenden des Bündnisses 2012, vom Dezember letzten Jahres. Da steht drin, dass es ausschließlich darum geht, mich vom Amt fernzuhalten. Es geht nicht etwa darum Schaden von der Demokratie abzuwenden, dafür ist eine Anfechtung ja vom Gesetz vorgesehen, was ich durchaus für wichtig und richtig halte. Nein, diese Leute wollen einfach keinen von außerhalb, und dann noch einen, der politisch unabhängig ist. Das läuft alles unter dem Motto “wir wollen hier keinen Zugereisten aus den alten Bundesländern”. Ich empfinde es als sehr ärgerlich, wenn es nur darum geht, eine Person zu zermürben und nicht um die sachliche, themenbezogene Auseinandersetzung. Aber damit muss man offenbar leben. Und das tue ich mittlerweile seit dem Wahlkampf, also seit fast zwei Jahren.

Was halten die Markranstädter Bürger von der ganzen Angelegenheit?

Ich habe überwiegend positive Resonanz erfahren, im Sinne von “jetzt muss aber auch mal Schluss sein damit, wir stehen hinter ihnen, schließlich haben wir Sie gewählt”. Auch Menschen, die mich nicht gewählt haben, sagen, dass es eine knappe aber demokratische Entscheidung gewesen ist und dass man mir eine Chance geben muss um zu zeigen, ob ich etwas bewegen kann oder eben nicht. Dann könne man immer noch kritisieren. Die Bürger haben genug von dem ganzen Hickhack. Es sind auch nur wenige, die dieses Thema immer wieder aufgreifen und wiederkäuen wie eine Kuh ihr Futter.

Besteht denn die Möglichkeit, dass Frau Radon (Ex-Bürgermeisterin Markranstädt, d. Red.) immer noch ihre Finger im Spiel hat und die Fäden im Hintergrund zieht?

Ich will die Frage mal so beantworten: Ich habe das mit vielen Leuten besprochen, die Frau Radon schon lange kennen. Und ich habe ihnen gegenüber vorsichtig so formuliert: Frau Radon sagt zwar offiziell immer, sie habe mit der Wahlanfechtung nichts zu tun, aber ich bin mir da nicht so sicher. Fast alle, mit denen ich gesprochen habe, haben mir geantwortet, dass ich das mal nicht glauben soll. “Die zieht garantiert im Hintergrund die Strippen”, so eine häufige Aussage. Auch viele Bürgerinnen und Bürger vermuten das. Belege haben wir dafür nicht. Eine unglaubliche Posse, die Markranstädts Ansehen sehr geschadet hat.

Hat das mit alten Seilschaften zu tun?

Der sprichwörtliche Sachsenfilz ist bekannt, warum soll das in Markranstädt nicht auch so sein. Es mögen Dinge gelaufen sein, so munkelt man im Ort, die hart an der Grenze zur Legalität waren. Das mag sein. Ich weiß es nicht. Es scheint aber so zu sein, dass es Leute gibt, die Angst haben, dass jemand von außen die Führung im Rathaus übernimmt und Dinge ausgräbt, die, wenn sie herauskommen, sehr unangenehm für manchen werden könnten. Das ist die Vermutung vieler Menschen in unserer Stadt. Ob es wirklich so ist, weiß ich nicht. Es muss meiner Meinung nach eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern geben, die richtiggehend Angst vor meinem Amtsantritt haben, anders kann ich es mir nicht erklären warum so gegen mich vorgegangen wird. Mir wird immer vorgeworfen, ich habe Markranstädt gespalten. Das ist aber mit Sicherheit nicht so. Die Spaltung hat andere Ursachen.

Sie meinen, dass es vor dem Amtsantritt von Frau Radon anders war?

Ja, das wird mir immer wieder bestätigt. Bei den Bürgermeistern Woitschek und Schmeling, beide von der CDU, war das nicht so. Beide waren bürgernah und haben es besser verstanden, das Wir-Gefühl zu stärken. Dann kam Frau Radon und schleichend fand eine Entfremdung von einem großen Teil der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt statt. Die Ex-Bürgermeisterin hat mit wenig Sinn für die Meinung der Menschen in unserer Kommune ihre Vorstellungen kompromisslos umgesetzt. Diese Spaltung zieht sich durch alle Bereiche des öffentlichen Lebens der Stadt. Selbst die CDU, aus der sie kommt, ist gespalten. Das ist das Traurige dabei. Meine Aufgabe wird es sein, wieder eine Einheit, ein Wir-Gefühl in unserer Stadt herzustellen. Der Zusammenhalt hat in den letzten Jahren gefehlt. Allerdings gibt es inzwischen positive Signale von allen politischen Kräften in Markranstädt, mich bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Ich will Gräben zuschütten. Ein ganz wichtiges Instrument dafür ist der “Runde Tisch”, der von Pfarrer Michael Zemmrich ins Leben gerufen wurde und von ihm mittlerweile zum dritten Mal hervorragend moderiert wurde, obwohl es anfangs schwierig war. Inzwischen herrscht eine positive Atmosphäre. Das lässt hoffen und ich bin zuversichtlich, dass wir trotz aller Meinungsverschiedenheiten zukünftig gemeinsam viele gute Dinge für unsere Menschen und die Kommune erreichen werden. An mir soll’s jedenfalls nicht liegen.

www.freiewaehler-markranstaedt.de
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