Es sind nicht nur geplante Großprojekte, die mehr Transparenz brauchen. Es sind auch die schon bestehenden. Erst recht, wenn sie mit Steuergeldern gebaut wurden. Wie der Flughafen Leipzig/Halle. In der Stadtratssitzung am Mittwoch, 22. Januar, steht er gleich mit zwei Bürgeranfragen auf der Tagesordnung. Wieder einmal. Denn gelöst ist kein einziges der Probleme, die seit der Eröffnung der Startbahn Süd im Jahr 2007 entstanden sind.

Und die betroffenen Bürger im Leipziger Norden, Westen und Nordwesten bezweifeln wohl mittlerweile zu Recht, das die Verantwortlichen wirklich bereit sind, die Probleme zu lösen. Im Dezember war die 2007 von der Deutschen Flugsicherung aus dem Hut gezauberte “kurze Südabkurvung” Thema vorm Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, wo die Grüne Liga Sachsen ihr Recht eingeklagt hat, die Südabkurvung überhaupt gerichtlich prüfen lassen zu dürfen. Diese Südabkurvung wird jetzt auch wieder Thema im Stadtrat. Eigentlich gleich zwei Mal. Denn Matthias Zimmermann hat als Pressesprecher der Bürgerinitiative “Gegen die neue Flugroute” schon im Vorfeld einen Offenen Brief an Oberbürgermeister Burkhard Jung geschickt. Darin fordert die Bürgerinitiative mit Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht “die Stadt Leipzig auf, bei der nächsten Sitzung der Fluglärmkommission auf Berufung des Urteils eine sofortige Aussetzung der kurzen Südabkurvung einzufordern. Denn eines steht nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts fest, die kurze Südabkurvung wird beflogen, obwohl über ihre Rechtmäßigkeit noch nicht entscheiden ist.”

In einer Einwohneranfrage aber erkundigt sich Dr. Matthias Gründig nun nach dem BVG-Urteil zur Flugroute “kurze Südabkurvung” nach jenem seltsamen Prozedere, mit dem 2006 die Anfragen und Nachfragen der Bürger ausgehebelt wurden. Es geht um den Planfeststellungsbeschluss, in dem es keine Flugrouten gab, die das Stadtgebiet überflogen.

“Der Planfeststellungsbeschluss zum Bau der Startbahn Süd des Flughafens Leipzig/Halle ist mit zahlreichen, insbesondere zu Lasten der Stadt Leipzig gehenden, Mängeln behaftet (z. B. zur Bahnverteilung)”, stellt Gründig fest. “Am 19.12.2013 hat das Bundesverwaltungsgericht zur kurzen Südabkurvung festgestellt, dass bei der Flugroutenfestlegung der FLK-Sitzung vom 08.11.2006 in Verbindung mit dem Planfeststellungsbeschluss von 2004 gegen geltendes Recht verstoßen wurde. Bitte dazu um Beantwortung folgender Fragen:

1. Welche Informationen hat die Stadt Leipzig als FLK-Mitglied im Vorfeld der FLK-Sitzung vom 08.11.2006 über die Flugroutenänderungen erhalten?

2. Hat die Stadt Leipzig im Nachgang zur FLK-Sitzung die Rechtmäßigkeit dieser Flugrouten prüfen lassen und wenn Nein warum nicht?

3. Wird die Stadt Leipzig im Ergebnis des BverwG-Urteil aktiv werden, insbesondere hinsichtlich einer sofortigen Aussetzung der kurzen Südabkurvung bis zu der vom BverwG geforderten Prüfung der ‘Auswirkungen der Flugrouten auf die betroffenen Schutzgebiete’.”

In einer zweiten Einwohneranfrage fragt Heike Blum nach den jetzt anstehenden Erweiterungen des DHL-Logistikzentrums am Flughafen.

Durch die Presse wurde mitgeteilt, dass DHL am Flughafen Leipzig weiter wachsen möchte, stellt sie fest. “Von Investitionen in Höhe von 150 Millionen Euro wird gesprochen.

Dass die Erweiterung von DHL sowohl zu noch größerer Lärmbelastung für die Anrainer als auch zu weiteren negativen Belastungen der Umwelt führen wird, ist sicher nicht zu leugnen.

Darüber hinaus kommen vermutlich auch zusätzliche finanzielle Belastungen auf den städtischen Haushalt zu. Aufgrund der Erweiterung von DHL ist der Flughafen Leipzig in der Pflicht, die notwendigen infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen. Dafür muss Geld zur Verfügung gestellt werden. Da die Stadt Leipzig Mitgesellschafter des Flughafens ist, ist zu erwarten, dass die Kommune hier anteilige Kosten tragen muss.
Für mich als Leipzigerin ergeben sich folgende Fragen:

1. Welche Kosten kommen mit der Schaffung der sogenannten infrastrukturellen Voraussetzungen (Zubringerstraßen, Flughafenausbau im Bereich der Ansiedlungsflächen von DHL) auf den Haushalt Leipzigs zu?

2. Rechnet die Stadt mit einem Investitions-Rückfluss in Form von Zinszahlungen und welches Ergebnis liefern entsprechende Rentabilitätsprüfungen?

3. Welchen Einfluss hat die Erweiterung der finanziellen Zuwendungen für den Ausbau des Flughafens auf die Sicherung der kommunalen Aufgaben wie etwa Straßensanierung, Kindergartenbau, Schulsanierung, Kulturausgaben?

Ich würde mich über eine mündliche Beantwortung dieser Anfrage in der kommenden Ratsversammlung freuen.”

Und während Südabkurvung und DHL-Erweiterung die Gemüter erhitzen, nutzen andere den Flughafen wie selbstverständlich für Zwecke, die durchaus seltsam sind.

Schon im November registrierte Thomas Pohl, Mitglied der Bürgerinitiative IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e.V., dass der Flughafen augenscheinlich wieder für militärische Zwecke gebraucht wird. Diesmal nicht für Truppenverlegungen und Waffentransporte, sondern für Probeflüge des militärischen Aufklärungsflugzeuges Awacs. Der Landtagsabgeordnete der Linken, Volker Külow, hat diese Flüge mit einer Anfrage an die Landesregierung thematisiert. Auch zum wiederholten Mal. Denn 2010 waren die Aufklärungsflugzeuge auch schon durch den Leipziger Himmel geschwirrt. Damals bestätigte ihm Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok, dass die Aufklärer auch schon 2007 in Leipzig Probeflüge durchgeführt haben.

Nicht viel anders lautet Morloks Antwort vom 20. Dezember 2013. Man weiß von den Flügen. Die Flugspuren aber werden nicht aufgezeichnet. Und was die NATO mit den Flügen bezweckt, darüber habe man keine Kenntnis.
Am 15. Januar 2014 ging es dann munter weiter mit den Awacs-Flügen im Leipziger Norden. Und leise sind sie nicht. Anlass für Thomas Pohl, einen geharnischten Offenen Brief an den Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen zu schreiben.

Hier ist er:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Näther,

wir protestieren entschieden gegen die erneuten Trainingsanflüge von Militärmaschinen am zivilen Flughafen Leipzig/Halle!

So geschehen am vergangenen Mittwoch, dem 15.01.2014. Dabei handelte es sich mit großer Sicherheit wieder um die militärischen Aufklärungsflugzeuge der Nato, den Awacs. Awacs-Trainingsflüge fanden am Flughafen Leipzig/Halle zuvor schon am 06.11., 12.11. und am 25.11.2013 statt.

Gegen 18:42 Uhr setzte ein furchtbares Dröhnen und Pfeifen am Himmel ein. Es war der erste Trainingsanflug der Awacs zum Flughafen Leipzig/Halle hin, dem weitere mehr als ein halbes Dutzend im Viertelstundentakt folgen sollten. Dies geschah zu einer Zeit, wo Kleinst- und Kleinkinder längst im Bett liegen, um ausgeschlafen am nächsten Tag in der Kita zu sein. Das hat mit Rücksichtslosigkeit schon kaum noch was zu tun, dieser Lärm stellt eher einen Angriff auf die öffentliche Gesundheit zehntausender Menschen dar.

Bei jedem Awacs-Überflug wurden von uns Spitzenschallpegel von über 88(!) dB(A) über einem Wohngebiet gemessen!

Wie immer bei Militärflügen am Flughafen Leipzig/Halle findet man im Internet keine Flugspuraufzeichnungen. Statistisch werden sie bei der Landesregierung sowie beim Flughafen weder erfasst, noch spielen sie bei den Fluglärmaufzeichnungen eine Rolle.

Während in der Landeshauptstadt Dresden die Kleine Hufeisennase (Fledermausart) vor Verkehrslärm aktiv geschützt wird, spielt in Leipzig, Halle sowie in den Umlandgemeinden des Flughafens der Gesundheitsschutz bei der Spezies ‘Mensch’ keine Rolle. Hier haben ALLE Fracht- und Militärmaschinen eine uneingeschränkte Nachtflugerlaubnis, die in Europa mit Sicherheit in dieser Form einmalig sein dürfte.

Über 1,7 Milliarden Euro öffentliche Gelder wurden bisher in den zivilen Flughafen Leipzig/Halle gesteckt, der sich einst durch Größenwahn Einiger zu einem Interkontinentalflughafen entwickeln sollte.

Wir fordern ein Ende des ungezügelten Ausbaus des zivilen Flughafens Leipzig/Halle zu einem der weltweit größten Luftfracht- und Militärdrehkreuze, ohne, dass auf die Gesundheit der Anwohner Rücksicht genommen wird.

Wir fordern aus Gründen des Gesundheitsschutzes ein generelles Nachtflugverbot in der Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr!

Mit freundlichen Grüßen

i. A. Thomas Pohl
IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e.V.

Zum Artikel aus dem Stadtrat vom 22. Januar 2014 auf L-IZ.de
Der Stadtrat tagt: Rosenthal zur Südabkurvung: “Dürfen uns nicht einmischen”
Die Anfrage zu Awacs-Flugzeugen von Volker Külow 2010 als PDF zum download.

Die Anfrage zu Awacs-Flugzeugen von Volker Külow 2013 als PDF zum download.

Der Offene Brief an OBM Burkhard Jung zur Südabkurvung als PDF zum download.

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