Seit ein paar Tagen hängt ein amtlicher Zettel am Nahleauslasswerk. Hingehängt von der Landesdirektion Sachsen, Abteilung Arbeitsschutz. Betreffend: "Instandsetzung des Nahleauslassbauwerks". Bauzeit: 30. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2014. Auch eine Baufirma steht schon dran: die Firma Otto Heil aus Taucha. Was Leipzigs Umweltverbände befürchtet haben, wird jetzt augenscheinlich einfach durchgezogen.

Für 3 Millionen Euro soll das Auslassbauwerk erneuert werden. Samt einer Verstärkung der angrenzenden Deiche, so dass im Endeffekt der dahinterliegende Auwald in der Burgaue für die nächsten Jahrzehnte trockengelegt wird. Und das, obwohl ein Antrag von SPD und CDU anhängig ist, der genau das verhindern soll. Denn nichts widerspricht den Plänen zum Schutz des Leipziger Auwaldes so sehr wie dieses Bauwerk.

Zwei Mal musste es in den vergangenen Jahren zum Gipfelpunkt eines Hochwassers geöffnet werden: 2011 und 2013. Beide Male mit erheblichen Schäden für Tier- und Pflanzenwelt und mit Schäden an den Bauwerken in der Burgaue, weil das Wasser mit Heftigkeit durch den Wald rauschte. Beide Male war es eine Notöffnung, nachdem die flussabwärts gelegene Stadt Halle Alarm gemeldet hatte. Beide Male wäre die Notöffnung nicht nötig gewesen, wenn Leipzig schon das seit über zehn Jahren diskutierte integrierte Hochwasserschutzkonzept hätte. Doch über allem Diskutieren ist man zu keinem Ergebnis gekommen. Und hat auch 2011, als die Landestalsperrenverwaltung das Winterhochwasser im Januar als Chance ergriff, den Druck auf die Stadt zu erhöhen, nicht begriffen, dass es höchste Zeit war, nicht nur den Auenwald zu retten.

Denn nach dem Januarhochwasser 2011 nutzte die Landestalsperrenverwaltung erstmals das 2010 verordnete Instrument des “Tornadoerlasses”, um mit dem Druckmittel “Gefahr im Verzug” beim zuständigen Umweltamt die Genehmigung für umfassende Baumfällungen entlang der Böschungen und Deiche im Leipziger Auwald durchzudrücken. Das Umweltamt spurte, akzeptierte das Argument und genehmigte die Deichfällungen.

Aber nicht nur die Motorsägen kreischten. Auch an der Neuen Luppe machte die Talsperrenverwaltung “Nägel mit Köpfen” und baute für über 10 Millionen Euro verstärkte Deiche, die den Wasseraustausch zwischen Neuer Luppe und nördlicher wie südlicher Burgaue unterbinden. Dort, wo alte Wasserläufe zuvor noch Wasseraustausch unterhalb des Deiche zuließen, wurden schwere Stahlschieber tief ins Erdreich getrieben.
Im Sommer 2013 dann beantragte die Landestalsperrenverwaltung den Neubau des Nahleauslasswerks in seinem alten Umfang, obwohl die Umweltverbände mit Kritik nicht sparten, denn das Betonbauwerk verhindert nun seit acht Jahrzehnten den Wasserzulauf in die Burgaue. Dass ausgerechnet in der Burgaue nun seit 2011 das Projekt “Lebendige Luppe” läuft, das den Wasserhaushalt in der Burgaue wieder “revitalisieren” soll, macht die Sache noch seltsamer.

Der Auwald braucht die regelmäßigen Überschwemmungen, die gerade wenn sie ohne die Gewalt eines aufgerissenen Wehres einfluten, auch keine Schäden anrichten. Darauf ist der Auwald eingestellt. Und die Flutungen 2011 und 2013 zeigten, dass das Wasser auch problemlos wieder abläuft. Nichts ist so sinnlos wie das Nahleauslassbauwerk. Auch im Hochwasserschutz macht es keinen Sinn, denn wenn wieder Hochwasser der Mengenklasse HQ 100 (wie 2011) oder HQ 150 (wie 2013) die Weiße Elster herunter rauschen, muss es zwingend geöffnet werden, um die Wasserlast im flussabwärts gelegenen Halle zu senken.

Das einzige, was tatsächlich fehlt, ist der Ausbau der Burgaue zu einem funktionierenden Polder – ein Schutz für die dort bestehenden Gebäude. Mehr eigentlich nicht.

Doch weder die Proteste der Naturschützer, noch der Antrag von SPD und CDU im Stadtrat zeigt Wirkung. Vor der allmächtigen Talsperrenverwaltung duckt sich Leipzigs Verwaltung einfach weg. Ganz so, als ginge sie der Auwald nichts an. Der Antrag von SPD- und CDU-Fraktion “Sanierung Nahleauslassbauwerk” wurde am 11. Dezember kurz in der Ratsversammlung behandelt und in den Fachausschuss Umwelt und Ordnung verwiesen. Dort ist er im Schweigen ersoffen. Nichts ist passiert. Zumindest nichts Öffentliches. Nicht öffentlich ist möglicherweise das Übliche passiert: die Meldung an die Landestalsperrenverwaltung, dass losgebaut werden kann.

Was dann die Verlautbarung am Auslassbauwerk erklären könnte. Es sei denn, Leipzigs Verwaltung hat am Montag, 20. Januar, den Mumm, einmal im Interesse des so gern bejubelten Auwaldschutzes “Stopp!” zu rufen.

Aber hat dort auch nur ein Verantwortlicher den Mumm dazu? – Der Zweifel wächst.

Der Antag von SPD und CDU: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/5CC85B1A8F4943F1C1257C2300338C1F/$FILE/V-a-475.pdf

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