Völlig unklar ist, ob die Mibrag jemals eine Genehmigung bekommen wird, das Dorf Pödelwitz im Leipziger Südraum abzubaggern. Um das Kraftwerk Lippendorf langfristig mit Kohle zu versorgen, wird die Kohle unter Pödelwitz nicht gebraucht. Trotzdem tut der Kohlekonzern alles, um das Dorf freizuziehen. Und einige Vorgänge an den geschützten Baudenkmalen haben den Grünen-Landtagsabgeordneten Wolfram Günther alarmiert.

„In der Ortslage Pödelwitz (Landkreis Leipzig) sind sieben Objekte in die Kulturdenkmalliste eingetragen; darunter die Dorfkirche und sechs Höfe bzw. Teile dieser Höfe”, formuliert er seine Besorgnis in seiner jüngste Anfrage an die Staatsregierung. “Mehrere dieser Objekte stehen im Eigentum der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG). In dem von MIBRAG herausgegebenen Mitteilungsblatt ‘Pödelwitz info’ 01/2016 wird berichtet, dass eine Gruppe von Bauforschern im Auftrag der MIBRAG die historischen Gebäude dokumentieren und untersuchen wird, ‘bevor diese in den nächsten Jahren abgebrochen werden’.”

Gleichzeitig verweist er auf die Aussagen der Regierung zu seiner Anfrage  Drs.-Nr.: 6/4444 vom 31. März 2016, in denen ihm mitgeteilt wurde, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Abbruchanträge bei den zuständigen Behörden gestellt oder dort bekannt waren. “Offenbar haben Arbeiten an den Gebäuden mittlerweile stattgefunden. An mehreren denkmalgeschützten Gebäuden wurden zuvor unter Putz liegende Bauteile freigelegt und angebohrt. Diese Stellen wurden seitdem nicht wieder verschlossen, die Bauteile — zum Teil tragende Holzbalkenkonstruktionen — liegen seitdem ungeschützt der Witterung ausgesetzt”, stellt er nun fest. Ein wichtiges Stück Siedlungsgeschichte ist also in Gefahr. “Das Dorf ist seit dem Mittelalter belegt und hat bis heute seine historische Siedlungsanlage weitgehend erhalten.”

Doch was passiert jetzt mit den Baudenkmalen in Regie der Mibrag? “An welchen denkmalgeschützten Objekten haben welche Eingriffe in die Bausubstanz im Auftrag der MIBRAG stattgefunden?”, fragte Wolfram Günther deshalb an.

Von “Eingriffen für vorbereitende Untersuchungen zur Gebäudedokumentation” spricht Innenminister Markus Ulbig im Namen der Staatsregierung. Das beträfe Pödelwitz Nr. 8 (ein Bauernhaus um 1800), Pödelwitz Nr. 13 (das Seitengebäude eines Dreiseithofes um 1820), Pödelwitz Nr. 20 (ein Bauernhaus um 1786) und Pödelwitz Nr. 27 (ein Bauernhaus um 1731). “Es handelte sich um bauhistorische Untersuchungen, für die auch partielle Freilegungen durch Entfernung nicht originaler Oberflächen erfolgten, soweit dies für die Beurteilung der schützenswerten Bausubstanz erforderlich war”, betont Ulbig.

“Die genannten Untersuchungen waren im Vorfeld mit den Denkmalbehörden abgestimmt worden”, erklärt er auf Günthers Nachfrage. “Ein förmliches Genehmigungsverfahren nach §§ 12, 13 Sächsisches Denkmalschutzgesetz (SächsDSchG) mit entsprechender Genehmigung durch die untere Denkmalschutzbehörde wurde nicht durchgeführt, weil lediglich geringfügige, sondierende Eingriffe in nicht denkmalrelevante Bausubstanz erfolgen sollten. Der Beginn der Untersuchungen wurde durch die MIBRAG mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 angezeigt.”

Logisch, dass Wolfram Günther trotzdem besorgt fragte: “Wie wird gegenüber der MIBRAG in Pödelwitz die Pflicht gemäß § 8 Abs. 1 SächsDSchG durchgesetzt, wonach ‘Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmalen (…) diese pfleglich zu behandeln, im Rahmen des Zumutbaren denkmalgerecht zu erhalten und vor Gefährdung zu schützen’ haben?”

Immerhin will die Mibrag ja, wenn sie die Genehmigung der Devastierung des Dorfes bekommt, diese Gehöfe abreißen.

Bis dahin aber gilt Denkmalschutz, gesteht auch Markus Ulbig zu: “Die untere Denkmalschutzbehörde beim Landratsamt Leipziger Land hat die MIBRAG auf ihre Pflichten zum Erhalt ihrer Kulturdenkmale gern. § 8 Abs. 1 SächsDSchG hingewiesen. Zur hoheitlichen Durchsetzung von notwendigen Maßnahmen stehen der unteren Denkmalschutzbehörde die Regelungen der §§ 4 Abs. 1, 11 Abs. 1 SächsDSchG zur Verfügung; hiernach hat die untere Denkmalschutzbehörde zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Die untere Denkmalschutzbehörde des Landkreises Leipzig hat jedoch keine Kenntnisse über eine Gefährdungssituation im Hinblick auf die genannten Kulturdenkmale in Pödelwitz. Für eine Anhörung oder eine Anordnung gemäß § 11 SächsDSchG besteht folglich kein Anlass.”

Also doch noch keine Gefahr im Verzug? So recht mag Wolfram Günther dem Frieden nicht trauen und fragt: “Welche Kenntnisse liegen der Staatsregierung aktuell über das Vorliegen oder die Absicht von Abbruchanträgen denkmalgeschützter Objekte vor?”

Markus Ulbig: “Für die Denkmale in Pödelwitz liegen der unteren Denkmalschutzbehörde keine Abbruchanträge vor. Ob die MIBRAG beabsichtigt, Abbruchanträge einzureichen, ist der unteren Denkmalschutzbehörde nicht bekannt.”

Aber Pödelwitz ist ja nicht nur durch einzelne Baudenkmale aus dem 18. Jahrhundert ein besonderer Ort. Hier ist auch noch eine alte Siedlungsform erhalten, die verschwindet, wenn die Mibrag die Freigabe zum Abbaggern dieses Dorfes bekäme.

“Welche historische Siedlungsform liegt in Pödelwitz vor und ist diese insgesamt oder in Teilen als schützenswerte historische Siedlungsform in Sinne des Landesentwicklungsplanes bzw. des Regionalplanes einzuschätzen; wenn nicht mit welcher Begründung”, fragte Günther deshalb.

“Bei der Siedlungsform von Pödelwitz handelt es sich um einen erweiterten Rundling. Der Landesentwicklungsplan 2013 enthält keine Festlegung, welche historischen Siedlungsformen schützenswert sind”, gab Ulbig dazu als Antwort. “Die in der Anfrage benannten Grundsätze richten sich an die Gemeinden als Träger der Stadt- bzw. Dorfentwicklung. Grundsätze der Raumordnung sind allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen.”

Das Fazit der Anfrage also: Am Schwebezustand in Pödelwitz hat sich nichts geändert. Da es auch noch keine Genehmigung für die Erweiterung des Tagebaus gibt, gibt es logischerweise auch noch keine Abrissgenehmigung für Pödelwitz. Die MIBRAG, die gern die Kohle unter Pödelwitz haben möchte, behandelt den Ort aber schon ansatzweise so, als wäre das nur noch eine Frage der Zeit.

Die komplette Anfrage zu Pödelwitz. Drs. 9013

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