Es sieht schon recht witzig aus, wenn ein Abteilungsleiter aus dem einen Leipziger Dezernat sich mit der Amtsleiterin aus dem anderen Leipziger Dezernat hinsetzt und sie einen Städtebaulichen Vertrag unterschreiben, der eigentlich kein Friedensvertrag zwischen zwei Dezernaten ist, sondern einer zwischen der Stadt Leipzig und dem eher selten in Erscheinung tretenden Zweckverband Erholungsgebiet Kulkwitzer See.

Am Kulkwitzer See wird ja jetzt endlich die über Jahre errungene und leidenschaftlich diskutierte Bebauungsplanung aktuell. Es stehen noch immer einige Dinge drin, bei denen man sich als umweltbewusster Mensch fragt: Muss das denn sein? Warum zum Beispiel müssen trotzdem noch so große Parkflächen ausgewiesen werden? Warum legt die Stadt nicht endlich eine sinnvolle Planung für eine Verlängerung der Straßenbahnlinie 15 bis zum Kulkwitzer See auf? Die ist doch nun wirklich überfällig und kein Mensch muss mit dem Auto zum „Kulki“ fahren, wenn mehrere ordentliche Straßenbahnlinien hinfahren.

Aber der B-Plan ist – wie so oft – Ergebnis eines wirklich zähen Ringens, in dem Naturliebhaber und ruhesuchende Anwohner nicht unbedingt am langen Hebel sitzen.

So gesehen ist es schon eine Errungenschaft aus diesem zähen Ringen, dass tatsächlich eine besondere Naturschutzfläche auf der Westseite des Sees gesichert werden soll. Dafür dient jetzt dieser Städtebauliche Vertrag: „Der dauerhaften und kostenfreien Bereitstellung einer ca. 1,0 ha großen Fläche innerhalb des Flurstückes Nr. 101/1, Gemarkung Lausen zur Durchführung der CEF-Artenschutzmaßnahme 2 und wird von der Ratsversammlung zur Kenntnis genommen.“

Denn was die Leipziger Umweltverbände zu Recht kritisierten – am ersten B-Plan-Entwurf genauso wie am zweiten – war die völlige Ignoranz der Tatsache gegenüber, dass sich in der Brachfläche östlich des Sees in den vergangenen 40 Jahren einige seltene und schützenswerte Arten angesiedelt haben. Eben weil sie hier ideale Lebensbedingungen vorfanden. Diese Lebensräume einfach durch den Bau neuer Nutzungen zu zerstören, ist auch nach dem geltenden Naturschutzrecht nicht erlaubt.

Im Wesentlichen geht es bei den drei besonders ausgewiesenen Schutzflächen um zwei besonders geschützte Arten. Es gibt noch viel mehr geschützte Tierarten, die hier vorkommen. Aber sie profitieren natürlich auch davon, wenn zwei wichtige Leitarten nun dauerhaft geschützte Lebensräume bekommen. Das ist zum einen der Neuntöter, der einerseits ein Stück offene Ruderalfläche bekommt (CEF 1 auf der Karte), wobei Ruderalvegetation ein Bewuchs ist, der zwar durch menschliches Wirken entstanden ist, aber nicht weiter in Nutzung kommt. Und der Neuntöter bekommt auch eine extensive Mähwiese mit Gehölzgruppen (CEF 2 in der Karte). Das dritte Stück geschütztes Land gehört künftig der Zauneidechse, eigentlich auch noch mit dem Ziel „Verbesserung der Habitatbedingungen für die Zauneidechse“ (CEF 3).

Erreichen soll dieser Städtebauliche Vertrag, den Stefan Heinig für die Leipziger Stadtplaner unterschreibt und Angelika Freifrau von Fritzsch, Leiterin des Umweltschutzamtes, in der Rolle als Vorsitzende des Zweckverbands „Kulkwitzer“ See, die dauerhafte Sicherung der Schutzflächen. Der Zweckverband (in dem die Städte Leipzig und Markranstädt Mitglied sind) ist quasi Besitzer des „Kulki“.

„Dieser Städtebauliche Vertrag sichert die durch den Grundstückseigentümer an die Stadt Leipzig kostenfrei und dauerhaft zur Verfügung zu stellende ca. 1,0 ha großen Fläche innerhalb des Flurstückes Nr. 101/1, Gemarkung Lausen, ab, um die im Artenschutzgutachten festgelegte CEF-Maßnahme 2 durchführen zu können. Die Stadt Leipzig verpflichtet sich innerhalb der genannten Fläche ausschließlich die CEF-Maßnahme 2 aus § 1 des Städtebaulichen Vertrages 1 entsprechend der Festlegungen im Artenschutzgutachten umzusetzen und dauerhaft zu erhalten. Der Vertrag tritt in Kraft, wenn der Vertrag durch beide Partner unterzeichnet wurde.“

Kosten fallen dafür erst mal keine an. Jedenfalls nicht in diesem Vertrag: „Aufgrund der kostenfreien Zuordnung und dauerhaften Überlassung einer ca. 1,0 ha großen Fläche innerhalb des Flurstückes Nr. 101/1, Gemarkung Lausen, entstehen der Stadt Leipzig für die Grundstücksbereitstellung weder Kosten noch ergeben sich Folgekosten. Die finanziellen Auswirkungen artenschutzfachlicher Maßnahmen bei Realisierung des Sondergebietes SO 8 sind durch den zukünftigen Eingreifer selbst zu tragen. Hierzu bedarf es im Einzelfall weiterer vertraglicher Regelungen zwischen der Stadt Leipzig und dem Eingreifer.“

Dafür gibt es dann einen zweiten Vertrag: nämlich zwischen der Stadt Leipzig und der Firma Reinbau GmbH.

Die Reinbau wird nämlich beauftragt mit der „Durchführung von Artenschutzmaßnahmen für die im Eigentum des Vorhabenträgers befindlichen Flächen des Sondergebietes SO 10 sowie für die im Eigentum der Stadt Leipzig befindlichen Flächen des SO 3, der Parkplatzfläche P 3 einschließlich der Planstraße 2 und 3. Die erforderlichen VCEF- und CEF-Maßnahmen werden aufgrund der Kostenhöhe in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters bestätigt. Der Städtebauliche Vertrag 2 wird von der Ratsversammlung zur Kenntnis genommen.“

„Die Stadt Leipzig stellt dem Vorhabenträger zur Herstellung und Umsetzung der CEF-Maßnahmen dauerhaft eine Fläche von insgesamt ca. 3,37 ha innerhalb des Flurstückes Nr. 162/2 der Gemarkung Großmiltitz zur Verfügung“, heißt es weiter.

Wobei die Herstellungsmaßnahmen im Gebiet insgesamt 226.858,83 Euro kosten. Reinbau als Vorhabenträger trägt dabei Kosten in Höhe von 132.581,30 Euro.

Leipziger Zeitung Nr. 55 seit Freitag, 25. Mai im Handel

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