Seine Bauern liebt er und pflegt er. Sachsens Landwirtschafts- und Umweltminister Frank Kupfer (CDU). Dass sie mit dem nach wie vor massiven Einsatz von Kunstdüngern und Pestiziden die Wasserqualität der sächsischen Flüsse senken, kommt jetzt wieder mit einer Kleinen Anfrage eines Grünen-Abgeordneten ans Licht. Diesmal war's nicht Gisela Kallenbach, die den Umweltminister nach klaren Zahlen fragte. Diesmal war es der naturschutzpolitische Sprecher Johannes Lichdi.

Für ihn ist die Antwort von Landwirtschafts- und Umweltminister Frank Kupfer (CDU) auf seine Kleine Anfrage besorgniserregend. Demnach sind Sachsens Gewässer stark mit Pestiziden belastet, auch wenn das Ministerium für einzelne ältere Pestizide angibt, Grenzwerte seien nicht überschritten worden.

Was ja nicht bedeutet, dass neuere, nicht verbotene Pflanzenschutzmittel, ebenso reichlich eingesetzt werden, dass in vielen sächsischen Gewässern Grenzwertüberschreitungen festgestellt werden. Das betrifft auch Gewässer in Leipzig. So wurden 2010 in der Neuen Luppe bei Schkeuditz Grenzwertüberschreitungen bei Dimethoat festgestellt, zwar als Pflanzenschutzmittel in Deutschland zugelassen – aber auch ein starkes Nervengift.

“344 Grenzwertüberschreitungen musste die Sächsische Staatsregierung für die vergangenen fünf Jahre einräumen. Insgesamt 34 verbotene Wirkstoffe und deren Abbauprodukte wurden im sächsischen Grund- und Oberflächenwasser nachgewiesen”, stellt Lichdi entsetzt fest.

Für ihn steht fest: “Die Verursacher, verantwortungslos arbeitende landwirtschaftliche Betriebe, die Pestizide unsachgemäß einsetzen, brauchen keine Angst vor Strafe oder Sanktionen haben. Der Umweltminister behauptet, die Urheber der diffusen Einträge seien nicht zu ermitteln. Da machen sie es sich zu einfach, Herr Minister”, meint der Abgeordnete. “Schließlich stellen Grenzwertüberschreitungen um das 28-fache, wie für das Herbizid Dichlorprop im Jahr 2011 am Mehltheuer Bach bei Plotitz (Lkr. Meißen) gemessen, eine ernsthafte Gefahr für die menschliche Gesundheit dar.”Vielleicht sind es auch nicht nur die Bauern, die ihre Erträge mit chemischen Keulen retten wollen. Wenn im Leipziger Stadtgebiet Pestizid-Rückstände im Grundwasser nachgewiesen werden, kommen ganz sicher auch etliche Stadtbewohner – aber auch Altbelastungen in Frage. So im Umfeld der alten Deponie in der Leinestraße, wo man im Jahr 2008 gleich drei verbotene Pestizide nachwies. So das Pflanzengift Atrazin, das 1986 traurige Berühmtheit erlangte, als es mit Abwässern der Firma Ciba-Geigy in den Rhein floss und Mitauslöser eines großen Fischsterbens war. Seit 1991 ist es in Deutschland verboten. Desethylatrazin ist sein Abbauprodukt. Auch das wurde 2008 an der Leinestraße nachgewiesen, genauso wie Propazin, ebenfalls ein Abbauprodukt von Atrazin.

Ähnliche Cocktails fand man 2007 und 2009 im Grundwasser von Heiterblick. In Wahren wurde 2008 im Grundwasser Atrazin und in den Jahren 2007 bis 2010 Simazin, 1957 erstmals von der Geigy AG auf den Markt gebracht. Nachdem sich in der EU die Probleme mit Simazin-Rückständen im Grundwasser häuften, bekam es ab 2003 keine Zulassung mehr.

Der Fund ist auch deshalb interessant, weil praktisch parallel auch in Connewitz (2008 bis 2010) und in Engelsdorf (2007 bis 2009) Simazin im Grundwasser nachgewiesen wurde. In Deutschland ist es schon seit 2000 nicht mehr zugelassen.

Weitere giftige Funde im Grundwasser wurden 2007 und 2011 in Holzhausen gemacht (Bentazon, Grenzwertüberschreitung), in 2008 bis 2010 in Miltitz (Dicofol, ein aus DDT hergestelltes Produkt, das in Deutschland keine Zulassung besitzt), in Möckern 2009 (Hexazinon, in Deutschland nur bis 2001 zulässig, ab 2002 EU-weit verboten).

In Miltitz wurden 2008, 2009 auch noch o,p-DDD und p,p-DDD im Grundwasser gefunden, ersteres eigentlich eher in der Veterinärmedizin zu finden, das zweite zuerst in den USA als Insektizid verwendet, bis man merkte, dass sich das Gift in der Nahrungskette anreichert und am Ende Tiere vergiftet.

Als Pestizid werden sämtliche Pflanzenschutzmittel sowie die Mittel zur Schädlingsbekämpfung bezeichnet. Weltweit werden Pestizidwirkstoffe in rund 5.000 unterschiedlichen Spritzmitteln verwendet. Diese große Vielfalt von Schadstoffen kann, je nach Wirkungsweise, jede unserer elementaren Körperfunktionen gefährden. Besonders gefährlich sind die langsamen und zeitversetzten Wirkungen von Pestiziden: Sie können die Zellteilung stören, das Entstehen von Krebs begünstigen, das Erbgut verändern, das Immunsystem beeinträchtigen oder Allergien auslösen. Wechselwirkungen der Gifte untereinander und deren Abbauprodukte sind bislang kaum untersucht und stellen ein weiteres Risiko dar.

“Ich fordere die Staatsregierung auf, diejenigen zu ermitteln und zur Verantwortung zu ziehen, die für die Vergiftung unseres Wassers verantwortlich sind. Der derzeitige Kuschelkurs ist unverantwortlich gegenüber den sächsischen Bürgerinnen und Bürgern.”

Bereits im Oktober 2011 veröffentlichte das Leipziger Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UfZ) die Ergebnisse einer Untersuchung zur Pestizidbelastung europäischer Flüsse. Dabei zeigte sich, dass Pflanzenschutzmittel, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, ein größeres Problem als lange angenommen darstellen. 38 Prozent dieser Chemikalien kommen in Konzentrationen vor, bei denen Wirkungen auf Organismen nicht auszuschließen sind.

www.ufz.de/index.php?de=22196

Die Kleine Anfrage “Pestizide in sächsischen Gewässern” (Drs. 5/9497): http://edas.landtag.sachsen.de

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