Was sind schon 17, 18 Jahre? Nicht viel, wenn man Personal sichern muss. Noch weniger, wenn auf einmal alle im Land ihr Personal sichern müssen. Denn Sachsen ist - offenen Auges - genau in die Personalfalle getappt, die seit dem Jahr 1992 zu erwarten war. Damals brachen die Geburten ein im Land. Selbst Max Mütze hätte sich an den Fingern ausrechnen können, dass spätestens ab 2011 der Nachwuchs ausbleibt - für alle Beschäftigungs- und Ausbildungsbereiche im Freistaat.

Auch die des Staates. – Dass man vorher einige Jahre lang einen statistischen Überhang etwa bei Lehrern und Polizisten haben würde, das war zu erwarten. Dem versuchte nicht nur der Freistaat mit einem Einstellungsstopp, gedrosselter Ausbildung und Teilzeitverträgen zu begegnen. Exemplarisch durchexerziert besonders unter der Regierung Milbradt. Doch nicht nur die Opposition warnte vor dem Jahr X, an dem sich mehrere Entwicklungen fast gleichzeitig treffen würden.

Noch bevor der “Überhang” beim Landespersonal abgebaut wäre, würde sich die durch die 20 Jahre gedrosselte Einstellungspolitik entstandene Überalterung im Personal bemerkbar machen. Die Zahl der Altersabgänge würde nicht nur binnen weniger Jahre die Zahl der Neueinstellungen übertreffen – sie würde auch binnen kürzester Zeit so hoch sein, dass die nachwachsenden Jahrgänge nicht mehr ausreichen, die entstehenden Lücken zu füllen.

Vor drei Jahren warnten auch die Wirtschaftskammern. In eigenem Interesse. Viele Unternehmen sorgten vor. Die Handwerkskammern starteten eine besondere Werbekampagne um die jungen Leute.

Pünktlich 2011 haben sich die Schulabgänger-Jahrgänge halbiert. Und das Erstaunliche: Selbst da stellte sich die sächsische Regierung noch taub und tat so, als ginge sie das gar nichts an.

Was dann pünktlich mit Beginn 2012 zu den chaotischen Zuständen im Kultusministerium führte. Denn bei den Planungen fürs neue Schuljahr konnte auch noch der letzte Bearbeiter sehen, dass die Personaldecke an verfügbaren Lehrern nicht mehr reichte. Ob die Instrumente, die die neue Kultusministerin Brunhild Kurth zum Schuljahresbeginn verkündet hat, helfen, wenigstens die schlimmsten Löcher zu stopfen, wird man sehen.

Denn im Bildungswesen ist das Loch nun schon sichtbar. In den anderen Beschäftigungsbereichen ist die Situation aber längst genauso prekär.

“Es ist fünf vor Zwölf”, kritisiert die Landtagsabgeordnete der Grünen, Eva Jähnigen. “Die Überalterung der Landesverwaltung ist das Ergebnis fehlender Personalpolitik in den vergangenen Jahren. Und ein Ende der Ignoranz ist nicht absehbar. Denn auch im Entwurf des Haushaltsplans 2013/2014 hat die Staatsregierung keine nennenswerten Einstellungskorridore für junge Beamte und Angestellte vorgesehen.”Sie schimpft nicht ohne Grund. Im Juli hat sie der Staatsregierung eine Frageliste vorgelegt. Und geantwortet hat der, der die ganzen Zahlen hat und der auch die Sparpolitik der Regierung Tillich bestimmt: Georg Unland, der Finanzminister.

Bis zum Jahr 2030 gehen demnach 44.409 Landesbedienstete regulär in den Ruhestand. Besonders drastisch ist die Zahl der Altersabgänge – neben den bekannten Problemen bei den Lehrerinnen und Lehrern – bei Polizei, Justiz und den Umweltbehörden, stellt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fest.

Laut Auskunft des Finanzministers gehen allein 17.392 Lehrer bis ins Jahr 2030 in den Ruhestand (Bestand im Jahr 2012: ca. 27.000 Lehrkräfte). Bei der Polizei sieht es nicht besser aus. Hier gehen von derzeit rund 12.000 Polizisten vom Jahr 2012 bis 2030 7.645 in Pension.

Und die Listen, die Unland vorlegt, zeigen, dass die Situation sich jetzt Jahr für Jahr zuspitzt. Beispiel Polizei: Hier steigt die Zahl der Altersabgänge von 366 im Jahr 2012 auf über 400 ab dem Jahr 2016 und über 500 ab 2019.

Dem gegenüber aber stehen bislang in der Regel jährlich 190 junge Polizeimeisterinnen und -meister, die an den Polizeifachschulen in Chemnitz und Leipzig ausgebildet wurden. Die Zahl der Polizeianwärter, die ihre Ausbildung begonnen haben, stieg zwar mittlerweile auf 250. Aber nicht alle schaffen das Ausbildungsziel. Außerdem werden in der Regel um die 80 Polizeikommissarsanwärterinnen und -anwärter an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) pro Jahr fertig mit der Ausbildung. Macht also im Idealfall um die 330 neue Polizisten für das Land. Die Lücke ab 2015 ist unübersehbar.

Bei Lehrern ist das Thema seit Jahren bekannt. Schon jetzt kann der Unterricht nicht zur Gänze abgesichert werden. Dabei stehen sogar nur lächerliche 51 und 54 Altersabgänge für die Jahre 2012 und 2013 in Unlands Liste. Was eben nur jene Lehrerinnen und Lehrer sind, die tatsächlich mit Erreichung des Ruhestandsalters abgehen – viele hören früher auf. Die große Welle beginnt ab 2016 so richtig. Dann steigen auch die amtlichen Altersabgänge über 300, 2017 über 500, 2018 über 800, ab 2019 liegen sie jedes Jahr um die 1.400.

In den Ministerien selbst werden die Probleme nicht ganz so akut. Schon weil man hier weniger Personal braucht. Die Altersabgänge im Bereich der Finanzbediensteten mit jährlich rund 140 Pensionären ab 2012 sind etwa gleichbleibend.

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“Die jeweiligen Finanzminister haben also auf eine ausgewogene Altersstruktur im eigenen Haus geachtet”, konstatiert Jähnigen. In der Justiz wird dagegen die ungünstige Altersstruktur der Richter und Staatsanwälte überdeutlich: In den Jahren 2012 bis 2016 gehen nur 41 Richter und 12 Staatsanwälte in den Ruhestand, in den Jahren 2026 bis 2030 aber dagegen im Schnitt 388 Richter und 82 Staatsanwälte.

“Die starken Altersabgänge in den nächsten 18 Jahren zeigen deutlich, dass in den vergangenen Jahren keine regelmäßigen Neueinstellungen stattgefunden haben. Diese hätte es aber gebraucht, um eine vernünftige Altersstruktur bei den Landesbediensteten zu erreichen”, stellt Jähnigen fest. “Die Karre steckt schon tief im Dreck. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, dann ist die Landesverwaltung bald nicht mehr arbeitsfähig. Ministerpräsident Stanislaw Tillich muss umgehend ein Personalkonzept erarbeiten lassen, das Neueinstellungskorridore in allen Bereich der Verwaltung vorsieht. Oder wollen Sie weiter wie ihre Vorgänger das Problem in die Zukunft verschieben, Herr Ministerpräsident?”

Die Kleine Anfrage “Altersabgänge bei den Landesbediensteten bis 2030” (Drs 5/9781): http://edas.landtag.sachsen.de

Der Grünen-Antrag “Geplanter Abbau von 17.000 Stellen bis 2020 und Überalterung der Sächsischen Verwaltung – Personalkonzept für den Bereich der Landesverwaltung dringend erforderlich” (Drs. 5/7257)” von 2011: www.gruene-fraktion-sachsen.de

Derzeit arbeiten in der Landesverwaltung 85.542 Bedienstete, siehe Überblick über die Stellen der Landesbediensteten im Stellenabbaubericht der Staatsregierung (S.8): http://edas.landtag.sachsen.de

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