Das Geheul ist noch in jedem Zeitungsarchiv nachzulesen, wie der sächsische Finanzminister die Mehrausgaben im Coronabewältigungsfonds beklagte und die Ermächtigung des Landestags, sechs Milliarden Euro mehr auszugeben, für eine Zumutung erklärte, die schnellstmöglich mit radikaler Schuldenrückzahlung wieder beseitigt werden müsse. Gleichzeitig aber stopfte er weiter hunderte Millionen Euro in den sogenannten Generationenfonds.

Das ist die Rücklage, die die sächsische Staatsregierung bildet, um künftige Pensionszahlungen an seine Beamtinnen und Beamten abzusichern. Etwas, was die anderen Bundesländer aus dem laufenden Haushalt bestreiten. Doch zu den neoliberalen Lehrsätzen, die in Sachsen auf fruchtbaren Boden gefallen sind, gehört auch der Satz, dass künftige Gehälter und Pensionen etwas sind, was man „Zukunftsschulden“ nennen darf.

Und wenn Finanzminister das Wort Schulden auch nur hören, werden sie panisch und beginnen, vorzusorgen. So, wie in Panik geratene Familien anfangen, ihr Geld in Altersvorsorgen und Versicherungen zu bunkern, weil sie Angst vor dem Moment haben, an dem das Geld auf einmal alle ist.

Die Zuweisungen steigen jedes Jahr

Und nicht einmal als der Landtag 2020 über die dringend nötigen Coronahilfen und Einnahmeausfälle debattierte, dachte Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann daran, die gewaltigen Zuflüsse zum Generationenfonds zu stoppen. Im Gegenteil: Sie stiegen weiter an.

Das erste Coronajahr 2020 beendete Sechsen schon mit einem fett gefüllten Sparschwein namens Generationenfonds, in dem 8,7 Milliarden Euro gebunkert waren, wie damals der Landtagsabgeordnete André Barth (AfD) vom Finanzminister erfuhr.

Danach hatte er wohl keine Lust mehr, weiter zu fragen. Aber die aktuelleren Zahlen stehen in den jährlichen Berichten des Finanzministers zur Finanzplanung. Dort stehen Zuführungen aus dem Generationenfonds in den Personalhaushalt als Ausgaben und unter „Zuweisungen und Zuschüsse“ findet man dann auch die Zuweisungen zum Generationenfonds.

So erfährt man dann auch, dass aus dem Generationenfonds im Jahr 2021 immerhin 155 Millionen Euro wieder abgeflossen sind, um aktuelle Pensionen zu bezahlen. Gleichzeitig aber wurden dem Fonds 842 Millionen Euro zugeführt.

Was dann in der Aufrechnung für das Jahresende 2021 ergibt: 9,388 Milliarden Euro, die der Freistaat in Wertpapieren angelegt und damit dem aktuellen Haushalt entzogen hat. Davon könnte man sehr, sehr viele Sport- und Schwimmhallen bauen und das Land zukunftsfest machen, indem man einfach den gewaltigen Investitionsstau an Straßen, Brücken, Schulen und anderen Infrastrukturen nachhaltig abbaut.

Aber genau das tut Sachsen nicht. Während viele Infrastrukturen marode sind und bleiben, wird das Geld für eine künftige Beamtenversorgung angehäuft.

Anhäufen ist dabei ein noch sehr zurückhaltendes Wort.

Panikmache mit Schulden

2022 ging das nämlich munter so weiter, während der Finanzminister den Landtag in seiner „Mittelfristigen Finanzplanung“ mit einem weiteren Anwachsen der Verschuldung auf 14,5 Milliarden Euro in Angst und Schrecken versetzte. Obwohl sich schon Ende 2021 abzeichnete, dass Sachsen die vom Landtag bewilligten sechs Milliarden Euro im Coronabewältigungsfonds nie und nimmer brauchen würde.

Sächsische Schuldenfinktion: Die Schuldenprognose für 2022 wird so nicht eintreffen. Grafik: Freistaat Sachsen, SMF
Sächsische Schuldenfiktion: Die Schuldenprognose für 2022 wird so nicht eintreffen. Grafik: Freistaat Sachsen, SMF

„Dabei ist davon auszugehen, dass die Kreditermächtigung im Corona-Bewältigungsfonds bei weitem nicht ausgeschöpft wird, da im Ergebnis der Steuerschätzung Mai 2022 auch im laufenden Jahr 2022 keine Inanspruchnahme der Kompensation von pandemiebedingten Steuermindereinnahmen im Staatshaushalt erfolgen wird“, heißt es unverblümt im Bericht zur Finanzplanung. Und trotzdem hat der Finanzminister für 2022 noch einen Schuldenanstieg von 1,3 Milliarden Euro in seine Grafik gemalt.

Wirklich ausgegeben wurden von den sechs Milliarden Euro aber tatsächlich erst 2,4 Milliarden.

Oder im Text des Finanzberichts: „Aufgrund der pandemiebedingten Aufnahme von Krediten zur Finanzierung von Ausgaben im Zusammenhang mit der Beseitigung der Folgen und der Vorbeugung weiterer Schäden ist der Schuldenstand in den Jahren 2020 und 2021 in Summe um 2,4 Mrd. Euro gestiegen.

Der Sächsische Landtag erteilte dem Sondervermögen ‚Corona-Bewältigungsfonds Sachsen‘, gestützt auf Art. 95 Abs. 5 SächsVerf. eine Kreditaufnahmeermächtigung in Höhe von insgesamt bis zu 6 Mrd. Euro. Der verfassungsgemäß mit dieser Kreditaufnahmeermächtigung verknüpfte Tilgungsplan sieht nach geltender Rechtslage eine Tilgung im dritten bis achten Jahr nach der Kreditaufnahme in Höhe von je einem Sechstel der jeweils aufgenommenen Kreditsumme vor.

Aktuellen Prognosen zufolge dürfte der Schuldenstand des Freistaates bis zum Jahr 2022 schrittweise auf rd. 14,5 Mrd. Euro steigen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Kreditermächtigung im Corona-Bewältigungsfonds bei weitem nicht ausgeschöpft wird, da im Ergebnis der Steuerschätzung Mai 2022 auch im laufenden Jahr 2022 keine Inanspruchnahme der Kompensation von pandemiebedingten Steuermindereinnahmen im Staatshaushalt erfolgen wird.“

Und auch die 2,4 Milliarden Euro werden schon ab 2023 systematisch wieder abgebaut. Die Koalitionspartner der CDU in der Sächsischen Regierung – Grüne und SPD – haben sich mit dem Wunsch nicht durchsetzen können, die Schuldentilgung über einen längeren Zeitraum zu strecken. Bis 2030 will Vorjohann die Coronakredite allesamt wieder abgetragen haben.

Was dann schon 2023 die erste Tilgungsrate von 292,6 Millionen Euro ergibt, 2024 dann 396,8 Millionen Euro und in den beiden Folgejahren sogar jeweils 615,2 Millionen Euro. Was die Sache eher danach aussehen lässt, dass Sachsen seine Coronakredite schon 2027 komplett wieder abgetragen hat.

Es ist schon erstaunlich, wie leicht sich Sachsens Landtagsabgeordnete mit dieser Art Finanzpolitik an der Nase herumführen lassen.

10 Milliarden Euro im Sparschwein

In seinem Bericht zur Finanzplanung orakelt der Finanzminister abschnittsweise von Deckungslücken, die er überall ausgemacht haben will.

Dass diese Lücken aber allein schon durch die völlig überzogenen Zuweisungen zum Generationsfonds entstehen, erwähnt er mit keinem Wort.

Auch 2022 ging das Befüllen des Sparschweins ja weiter. Während aus dem Generationenfonds 194 Millionen Euro in den Personalhaushalt übertragen wurden, wurden gleichzeitig aus dem Haushalt 895,5 Millionen Euro in den Generationenfonds überführt. Im Ergebnis hat der Fonds also 2022 erstmals die Schwelle von zehn Milliarden Euro überschritten. Die Summe am Jahresende: 10,089 Milliarden Euro.

Und in der Finanzplanung stehen für die beiden kommenden Haushaltsjahre noch größere Summen.

Während der Generationenfonds 2023 die Personalausgaben mit 202 Millionen Euro stützen soll, werden ihm gleichzeitig 975,3 Millionen Euro frisch zugeführt. Was für den Dezember 2023 einen Bestand von 10,86 Milliarden Euro ergeben wird.

Und 2024 stehen dann 231 Millionen Euro, die der Generationenfonds zur Beamtenversorgung beisteuert, 1.053,4 Millionen, also 1,05 Milliarden Euro gegenüber, die dem laufenden Haushalt des Freistaats entzogen werden. 2024 überschreitet der Generationenfonds also die 11-Milliarden-Euro Marke und dürfte am Ende bei 11,68 Milliarden Euro stehen.

Geld, das einfach in Wertpapieren vor sich hin schmort, während es in den Infrastrukturinvestitionen im Freistaat aller Enden fehlt.

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