Ob sächsische Finanzminister mit Geld umgehen können? Daran haben wenigstens die Grünen so langsam ihre Zweifel. Denn während das Haushaltsjahr regelmäßig mit Kassandrarufen und Warnungen vor der Staatspleite erfüllt ist, wachsen die Fonds der Regierung in Milliardenhöhe und am Jahresende bleibt immer wieder Geld übrig. Doch Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann nutzte ein Zeitungsinterview jetzt wieder zum großen Bangemachen.

Das passt ja in die Zeit, seit Magazine wie der „Spiegel“ den Niedergang der deutschen Wirtschaft ausgerufen haben. Auch wenn die etwas nachdenklicheren Kommentatoren im „Spiegel“ mittlerweile warnen vor dieser Angstmacherei: „Das stete Prophezeien eines vermeintlichen Untergangs droht früher oder später eine sich selbst verstärkende Dynamik auszulösen. Höchste Zeit für einen Korrekturmechanismus“, schreibt Thomas Fricke in seiner Kolumne.

Was aber wohl in der Chefredaktion, die so gern den Untergang ausmalt, eher ein müdes Schulterzucken hervorgerufen hat. Die konservativen deutschen Finanzminister lassen sich davon sowieso nicht beirren. Denn hinter dem Untergangs-Lamento steckt, wenn man das Echo dabei hört, immer der Wunsch nach neuen Steuersenkungen für die (großen) Unternehmen, nach Subventionen und staatlicher Knete. Motto: „Ihr müsst uns wieder retten!“

Das Konzept der schwäbischen Hausfrau

Und natürlich haben auch die Orakelsprüche des sächsischen Finanzministers, die am 8. September in der „Sächsischen Zeitung“ zu lesen waren („Geben jedes Jahr eine Milliarde Euro zu viel aus“), einen Zweck. Denn das Geld geben ja nicht die vom Weihrauch des jahrzehntelangen Regierens umwallten CDU-Minister aus, sondern die ach so verschwenderischen Minister der Grünen und der SPD.

In Sachsen gilt das Konzept der schwäbischen Hausfrau: Es wird gespart. Mal jahrelang auf Kosten von Lehrerinnen und Polizisten, mal auf Kosten der Kommunen und ihrer dringenden Investitionsbedürfnisse.

Das Ergebnis ist ein Bundesland mit massivem Personalmangel in allen lebenswichtigen Bereichen, während der Investitionsstau bei den wichtigsten Infrastrukturen einfach nicht abgebaut wird.

Und die neuen Alarmrufe des Finanzministers kommen auch nicht zufällig, nachdem sich das Regierungskabinett auf ein geradezu winziges Rettungspaket für die Kommunen geeinigt hat, die auch bei der Unterbringung der Flüchtlinge immer öfter im Regen stehen gelassen wurden.

Eine Gratwanderung mit hohen Risiken …

Schon im August warnte Vorjohann, der gerade wieder 1 Milliarde Euro in die Haushaltsausgleichsrücklage verschieben konnte, weil Sachsen auch 2022 wieder ein ordentliches Plus erwirtschaftet hat, vor dem drohenden Loch im Haushalt.

„Mit dem Beschluss des Doppelhaushalts 2023/2024 war der Bestand der Haushaltsausgleichsrücklage zunächst auf nur 200 Millionen Euro zusammengeschrumpft. Der aktuelle Haushaltsvollzug sowie hohe strukturelle Deckungslücken ab 2025 belasten jedoch kurz- und mittelfristig die Finanzplanung“, mahnte er am 22. August.

„Die Stärkung der Rücklagen ist also dringend erforderlich und geboten. Gerade im laufenden Haushaltsvollzug spricht momentan nichts für eine Wiederholung des guten Abschlusses von 2022, ganz im Gegenteil. Man könnte den Haushaltsvollzug 2023 im Moment auch als Gratwanderung, verbunden mit hohen Risiken, bezeichnen. Das heißt, auch Bewirtschaftungsmaßnahmen sind unverändert nicht auszuschließen.“

Er drohte also gleich mal mit einer Haushaltssperre. Ohne zu wissen, was Sachsen am Jahresende tatsächlich eingenommen haben wird. In der „Sächsischen“ hat er dann alles noch einmal heiß aufgetischt, obwohl sich nichts geändert hat.

„Die Betrachtungen des Finanzministers greifen meines Erachtens zu kurz. Er betrachtet nur die Planzahlen und vermittelt eine Not, die an dieser Stelle nicht angemessen ist“, widerspricht ihm jetzt Franziska Schubert, Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag.

„Wir brauchen überall im Land Investitionen – zum Beispiel in Bildung und Daseinsvorsorge. Viele Menschen in Sachsen sorgen sich beispielsweise darum, wie es mit der medizinischen Versorgung weitergeht, insbesondere in den ländlichen Räumen. Aber auch bei den Kommunen haben wir eklatante Investitionsstaus, etwa bei Energiewende und Klimaanpassung.“

Angstmacherei als Politikstil

Und dann hat sie dieses Wort „Haushaltssperre“ aufgeschreckt. Will der Finanzminister seine Macht jetzt dazu nutzen, die vom Kabinett beschlossenen Ausgaben für Bildung, Krankenhäuser und Investitionen in den Kommunen zu stoppen?

„Ich wundere mich über das Timing des Finanzministers und das drastische Wort Haushaltssperre so kurz vor der Herbst-Steuerschätzung. Angstmacherei als Politikstil ist zwar nichts Neues für sächsische Finanzminister, aber wir sollten bei den Fakten bleiben“, beharrt Schubert.

„Und Fakt ist: Der Haushalt für 2023/24 ist gesichert. Es gibt keinen Grund für eine Haushaltssperre. Wenn man auf die vergangenen Jahre blickt, zeigt sich, dass sächsische Finanzminister gern mit Angst arbeiten – und der prophezeite Staatsbankrott dann doch nicht eintritt. Es ist ein altes Lied: Erst die Schlagzeile ‚Sachsen greift in Rücklagen‘ und dann, Überraschung, ‚Überschuss füllt Rücklagen.‘ Selbstverständlich gibt es Möglichkeiten, damit anders umzugehen und Überschüsse für das Land arbeiten zu lassen – ein Nachtragshaushalt wäre da das Mittel der Wahl.“

Aber das passt nicht zur Philosophie der schwäbischen Hausfrau, die in Sachsens Finanzministerium regiert. Vorausschauend investieren gehört nicht zu ihren Tugenden. Anders als das milliardenschwere Absichern der sächsischen Staatspensionäre. Das Geld wird anstandslos aus dem laufenden Etat abgezweigt – während es für dringend nötige Investitionen fehlt.

„Wir Bündnisgrüne haben in den vergangenen Jahren wiederholt vorgeschlagen, die sächsische Finanzverfassung anzupassen“, betont Schubert. „So könnte man auf konjunkturelle Veränderungen tatsächlich eingehen, was gerade jetzt wichtig wäre. Dass der Finanzminister das einerseits ohne gute Argumente ablehnt, sich andererseits aber über die Situation beklagt, erschließt sich mir nicht. Sparen zum Selbstzweck zu machen, wird dem Land nicht gerecht und dient ihm auch nicht.“

Aber es hat Tradition. So haben es sächsische Finanzminister gelernt. Und wer anders denkt über Staatsfinanzierung, der wird in Sachsen auch nicht Finanzminister.

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