Am 26. November kam Oberbürgermeister Burkhard Jung zu spät zur Ratsversammlung. Er war zuvor für den Städtetag, dessen Präsident er derzeit ist, in Berlin, um dort eine Lösung für die zunehmenden Finanzprobleme der Kommunen zu finden. Denn es geht ja nicht nur Leipzig so, dass die steigenden Sozialausgaben, die eigentlich der Bund ausfinanzieren müsste, den Haushalt der Stadt zum Kollabieren bringen. Oder eben – so lange das noch geht – die Schuldenberge der Kommunen wachsen lassen.
Das Thema thematisiert der Deutsche Städtetag nun seit Monaten, ohne dass sich auf Bundesebene auch nur das Geringste bewegt. Was natürlich mit dem falschen Verständnis von Staatsfinanzierung zu tun hat, das deutsche Bundesregierungen jetzt seit über 30 Jahren zelebrieren.
Was bei der systematischen Untersteuerung des Staates herauskommt, können die Bundesbürger überall beobachten und erleben – von einem riesigen Investitionsstau der Deutschen Bahn, der längst zu massiven Verspätungen im ganzen Netz führt, über marode Brücken, Straßen und Schulen bis hin zu geschlossenen Krankenhäusern, Schwimmbädern und Kultureinrichtungen.
In den letzten beiden Jahren ist diese Unterfinanzierung des Staates direkt in den Kommunen aufgeschlagen. Und in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe wurde Leipzigs OBM Burkhard Jung jüngst sehr deutlich. Denn diese Überlastung der Kommunen geht nicht mehr lange gut.
Städte in der Notverwaltung
„Die städtischen Haushalte kollabieren reihenweise, mittlerweile auch in den reicheren südlichen Bundesländern“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Die Kommunen brauchen daher eine finanzielle Soforthilfe von Bund und Ländern, damit sie nicht flächendeckend in das Nothaushaltsrecht fallen.“
Das Defizit in den kommunalen Haushalten könne in diesem Jahr die 30-Milliarden-Marke überschreiten. „In der vorläufigen Haushaltsführung können keine Leistungen, die nicht gesetzlich oder vertraglich geschuldet sind, geleistet werden.“
Das heißt: Die Kommunen finanzieren die vom Bund übertragenen Pflichtaufgaben aus ihren eigenen Einnahmen, haben aber für freiwillige Aufgaben – wozu auch Kultur und Sport gehören – keine freien Mittel mehr, müssen außerdem reihenweise Investitionen streichen und wichtige Dienstleistungen für die Bürger einschränken.
Jung forderte, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die Ministerpräsidenten dürften bei ihrem Treffen am Donnerstag, 4. Dezember, nicht nur mittelfristig wirkende Reformen beschließen. Denn selbst eine Soforthilfe wird nicht verhindern, dass die Kommunen immer mehr zu Orten werden, an denen die Bürger erleben, wie das Land vor ihren Augen verschleißt.
Ohne umfassende Steuerreformen wird die Bundesrepublik das Problem nicht mehr lösen können. Das aber bedeutet, dass die aktuelle Regierung Schluss machen müsste mit dem falschen Versprechen, immer neue Steuersenkungen würden das Land aus der wirtschaftlichen Talsohle holen. Das hat seit Helmut Kohls Zeiten nicht funktioniert.
Wenn die Regierung von Friedrich Merz den Mut dazu nicht findet, endlich wieder über Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer und Spitzensteuersatz zu reden, ist jetzt schon absehbar, dass die Stimmung nicht nur in den Kommunen kippen wird.
„Die Kommunen leisten etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Ausgaben, erhalten aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen. Das konnte auf Dauer nicht gutgehen und hat jetzt handfeste Konsequenzen“, sagte Jung im Interview.
Von dem 100-Milliarden-Paket aus dem Sondervermögen für Investitionen haben die meisten Länder laut Jung nur etwa 60 Prozent an die Kommunen weitergeben. Rücklagen und Reserven seien in den letzten Jahren aufgebraucht worden. „Es geht jetzt an die Substanz der kommunalen Daseinsvorsorge und der kommunalen Selbstverwaltung – und das ist demokratierelevant.“
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