Die deutsche Finanzpolitik ist völlig aus dem Lot. Und das werden auch die eine Billion Euro neuer Schulden nicht lösen, die Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) in den nächsten Jahren aufnehmen will. Denn Deutschland hat vor allem ein Einnahmenproblem. Und das sorgt in erster Linie dafür, dass Städte und Kommunen schon seit Jahren zu gering mit Finanzen ausgestattet sind und gerade in eine regelrechte Schuldenspirale hineinlaufen.
Am Mittwoch, 30. Juli, sorgte jetzt der neue „Bertelsmann Finanzreport 2025“ für Aufregung, nachdem tags zuvor schon das Statistische Bundesamt vom aufklaffenden Defizit in den kommunalen Haushalten berichtet hatte.
„Anders als in früheren Jahren liegt die Ursache für die schlechte Kassenlage in erster Linie in der Entwicklung der Ausgaben, die allein 2024 um zehn Prozent zulegten“, stellte die Bertelsmann-Stiftung fest.
„Die Personalausgaben haben sich binnen zehn Jahren verdoppelt, was eine Folge des Stellenwachstums und hoher Tarifabschlüsse ist. Der laufende Sachaufwand erhöht sich auch durch die Inflation und stieg um ein Viertel in zwei Jahren. Davon betroffen sind zum Beispiel die Ausgaben für Dienstleistende, Büroausstattung oder die Bewirtschaftung der Gebäude.
Auch die Sozialausgaben verzeichneten binnen zwei Jahren einen Sprung um ein Viertel auf nunmehr 85 Milliarden Euro. Die Kommunen tragen ein großes Spektrum sozialer Aufgaben, die überwiegend bundesgesetzlich geregelt, aber oft nicht ausreichend vom Bund gegenfinanziert sind.“

Für Sascha Wagner, Sprecher für Kommunalfinanzen der Fraktion Die Linke im Bundestag, ist der Bericht eine regelrechte Alarmmeldung für die deutsche Politik: „Die Kommunen in Deutschland stecken mitten in einer finanziellen Notlage. Ein solches Defizit ist nicht nur ein Alarmsignal – es ist ein strukturelles Versagen auf Bundes- und Landesebene. Wenn Städte und Gemeinden zum Teil nicht einmal mehr ihre Pflichtaufgaben erfüllen können, dann zerfällt der soziale Zusammenhalt vor Ort.
Die Menschen spüren das Versagen der Politik in der Kommune ganz konkret. Während Milliarden in die Aufrüstung fließen, werden Schwimmbäder geschlossen, Busverbindungen ausgedünnt und selbst in kleinen Städten wird bezahlbarer Wohnraum für Familien knapp. Die Kommunen sind am Limit. Wer aber die Kommunen kaputtspart, gefährdet nicht nur den sozialen Frieden, sondern auch das Vertrauen in den Staat. Die Bundesregierung muss endlich handeln.“
Jung: Eine katastrophale kommunale Finanzlage
Und auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung fand am Mittwoch als aktueller Präsident des Deutschen Städtetages deutliche Worte: „Die Ergebnisse des Kommunalen Finanzreports 2025 bestätigen einmal mehr eine katastrophale kommunale Finanzlage. Wir erleben gerade die größte kommunale Finanzkrise im Nachkriegsdeutschland. Investitionen sind vielerorts bitter nötig, aber die Gestaltungskraft der Städte schwindet, wenn nur noch über den Mangel entschieden werden kann. Das darf nicht so bleiben. Wir brauchen grundlegende Reformen gegen die strukturelle Unterfinanzierung und eine bessere Grundfinanzierung kommunaler Ausgaben.“
Er forderte einen größeren Anteil der Kommunen an den Gemeinschaftssteuern der Bundesrepublik.
Aber allein das wird nicht helfen, wenn es nicht endlich eine grundlegende Steuerreform gibt, die die Einnahmekraft des Landes wieder deutlich erhöht.
„Wie abgehoben die Bundespolitik sein kann, zeigt sich gerade bei der Debatte über die Finanzierung der Kommunen. Auf unserer aktuellen Info-Tour durch Nordrhein-Westfalen erleben wir es tagtäglich. Die vielen Problemlagen müssen endlich von der Bundespolitik angepackt werden. Die Kommunen werden es allein nicht mehr richten, die Verschuldung frisst alle Spielräume auf“, kommentierte Sören Pellmann, Leipziger Abgeordneter und Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag die Zahlen. „In Mühlheim und Oberhausen hat die Pro-Kopf-Verschuldung fast die Fünfstelligkeit erreicht. Zehn NRW-Städte sind bei den höchsten Kassenkrediten unter den traurigen Top-20 eingruppiert. Wer jetzt keine Vermögensteuer zur Finanzierung einführen will, verantwortet, dass die Reichen weiter geschont werden und die Kommunen absaufen.
Daher fordert die Linke eine umfassende Gemeindefinanzreform. Dazu gehören: Ein Altschuldenfonds, um besonders belastete Kommunen zu entlasten, eine dauerhafte und auskömmliche kommunale Finanzausstattung durch Bund und Länder und mehr finanzielle Eigenständigkeit, etwa durch eine Gemeindewirtschaftssteuer.“
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