Am 27. Oktober veröffentlichte Bundesfinanzminister Christian Lindner die Steuerschätzung für den Herbst. Und erstaunlicherweise „fallen die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen im Schätzzeitraum mit Ausnahme des laufenden Jahres höher aus als noch in der Mai-Schätzung erwartet.“ Es ist jedes Mal dasselbe. Auch in Sachsen staunte man wieder, dass die Steuereinnahmen doch wieder nicht eingebrochen sind.

Dabei hatte sich Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann alle Mühe gegeben, wieder die übliche Angst vor riesigen Einnahmeausfällen an die Wand zu malen, die das „Wunschkonzert“ der Regierungsfraktionen im kommenden Doppelhaushalt 2023/2024 schlicht unbezahlbar machen würden. Man müsse wieder sparen. Und das Wort kürzen fiel auch.

Aber während konservative Medien nur zu gern jede Alarmstimmung in Text und Schlagzeilen übernehmen, sprach selbst Christian Lindner am 27. Oktober von einer robusten Wirtschaftslage:

„Die Ergebnisse der Steuerschätzung sind getragen von einem robusten Arbeitsmarkt und einer insgesamt guten Entwicklung der Unternehmensgewinne. Sie sind ein Beleg dafür, dass Deutschland dank der im Frühjahr beschlossenen Unterstützungsmaßnahmen bisher gut durch diese Krise gekommen ist. Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille. Stark gestiegene Preise mindern die Kaufkraft. Sie belasten Menschen und Betriebe. Deshalb geben wir Mehreinnahmen, die wir wegen der hohen Inflation verzeichnen können, den Bürgerinnen und Bürgern zurück.“

Und so stimmte dann auch Finanzminister Hartmut Vorjohann am 28. Oktober völlig andere Töne an als noch im Juli zur Vorstellung des Regierungsentwurfs zum Doppelhaushalt 2023/2024. Da sagte er noch: „Mit dem kommenden Doppelhaushalt finanzieren wir ein hohes Ausgabevolumen nochmals mit einem Rückgriff auf Reserven. Die Reserven sind dann allerdings weitgehend aufgebraucht. Ob die Steuereinnahmen in Zeiten von Corona, Ukraine-Krieg und Inflation weiter sprudeln, bleibt abzuwarten.“

Als wenn Sachsen all seine Sparschweine schlachten müsste, um durch die nächsten Jahre zu kommen. Aber das ist nicht der Fall. Im Gegenteil: Der inzwischen 9 Milliarden Euro schwere „Generationenfonds“ wird weiter aus dem laufenden Haushalt gefüttert.

Finanziell abgesichert

Und sämtliche im Entwurf geplanten Ausgaben für 2023/2024 sind aus Steuern und Überweisungen finanzierbar.

„Der Regierungsentwurf zum Doppelhaushalt ist auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen der Energiekrise finanziell abgesichert und bleibt eine belastbare Grundlage für die Beratungen im Landtag“, sagte Vorjohann am 28. Oktober.

„Die Oktober-Steuerschätzung bestätigt das Finanzvolumen des Regierungsentwurfes zum Doppelhaushalt. Die vom Bund verkündeten Entlastungspakete im Zuge der Energiekrise und der Abbau der kalten Progression führen auch bei den Ländern und Kommunen zu deutlich reduzierten Einnahmen in den kommenden Jahren.

Diese sind aber nach jetzigem Stand der Maßnahmen und geschnürten Pakete in unserer Steuerschätzung für Sachsen bereits berücksichtigt. Allein in diesem und den kommenden beiden Jahren beteiligt sich so der Freistaat mit rund zwei Milliarden Euro an der Finanzierung von steuerlichen Maßnahmen aus den Entlastungspaketen des Bundes.“

Die Ergebnisse der Oktober-Steuerschätzung für Sachsen. Grafik: Freistaat Sachsen, SMF
Die Ergebnisse der Oktober-Steuerschätzung für Sachsen. Grafik: Freistaat Sachsen, SMF

Für Sachsen ergab das Ergebnis der Oktober-Steuerschätzung 2022 im Jahr 2022 absehbare Steuereinnahmen von rund 18,4 Milliarden Euro. Für die Jahre 2023 und 2024 werden rund 18,8 Milliarden bzw. 19,5 Milliarden Euro prognostiziert.

Im Vergleich zum Regierungsentwurf zum Doppelhaushalt für die Jahre 2023/2024 auf Basis der Steuerschätzung im Mai 2022 ergeben sich geringe Mehreinnahmen in Höhe von 69 Millionen Euro. Für das laufende Jahr ergeben sich leichte Mehreinnahmen in Höhe von rund 60 Millionen Euro.

Was dann die Zahlen aus der im August vom Finanzministerium veröffentlichten „Mittelfristigen Finanzplanung des Freistaates Sachsen 2022–2026“ bestätigt.

Die Zahlen aus der "Mittelfristigen Finanzplanung" des SMF. Grafik: Freistaat Sachsen, SMF
Die Zahlen aus der „Mittelfristigen Finanzplanung“ des SMF. Grafik: Freistaat Sachsen, SMF

Und auch die Koalitionspartner der CDU in der sächsischen Regierung fühlen sich bestätigt.

Zeit für ein Sachsenpaket

„Der kommende Doppelhaushalt muss eine stabile Basis in dieser Krise bilden. Darüber verhandeln wir derzeit intensiv in der Koalition. Die aktuelle Steuerschätzung bietet dafür auch die Spielräume. Unsere Schwerpunkte bleiben klar: Wir wollen vor allem die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen unterstützen. Und ein besonderes Augenmerk muss Kindern und Jugendlichen gehören“, kommentiert Dirk Panter, Fraktionsvorsitzender und haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, die Ergebnisse der Steuerschätzung.

„Und es bleibt dabei: Parallel muss der Freistaat ein Sachsenpaket auf den Weg bringen, das die Maßnahmen des Bundes unterstützt und ergänzt. Die Vorschläge der Sozialdemokratie liegen auf dem Tisch. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren!“

Welche Forderungen die SPD-Fraktion damit verbindet, zeigt ein Beschluss der Fraktion vom 5. Oktober. Insbesondere geht es dabei um ein „Sondervermögen zur Bewältigung der Energiepreiskrise“, für das die SPD-Fraktion auch das heilige Sparschwein der CDU-Finanzminister ein wenig auf Diät setzen möchte, den sogenannten Generationenfonds, von Dirk Panther umschrieben mit „einer maßvollen Reduzierung der Beamtenpensionsfondszuführung“.

Dass auch die Grünen gerade für die einkommensarmen Bevölkerungsschichten dringend ein Hilfsprogramm aufgrund der massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten sehen, betonte die Leipziger Bundestagsabgeordnete Dr. Paula Piechotta, die auch Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages ist.

„Die Steuerschätzung ist kein Grund zur Freude, denn zur Ehrlichkeit gehört, dass sie auch durch die hohe Inflation bedingt ist, die fast alle Menschen gerade stark belastet. Deswegen ist es dringend geboten, weiterhin einen Fokus auf die Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen zu legen und damit überproportional vielen Menschen in Sachsen und ganz Ostdeutschland spürbar unter die Arme greifen“, sagte sie.

„Gleichzeitig müssen wir trotzdem die großen Investitionsstaus bei der Digitalisierung, dem Schutz kritischer Infrastruktur, der Schiene, Bundeswehr, Gesundheitsversorgung und sozialem Wohnungsbau angehen. Denn nur wenn wir hier besser und resilienter werden, kommen wir gut aus der Krise heraus.

Das ist auch eine Chance für die vielen kleineren Unternehmen im Land. Für die vor uns liegenden Mammutaufgaben müssen Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen und auch die Bundesländer ihre großen finanziellen Spielräume nutzen.“

Leichte Mehreinnahmen bei Kommunen

Auch die sächsischen Kommunen können im Ergebnis der Oktober-Steuerschätzung 2022 mit Mehreinnahmen gegenüber der Mai-Schätzung 2022 rechnen. Für das Jahr 2022 werden kommunale Steuereinnahmen in Höhe von rund 4,3 Milliarden Euro erwartet.

Für die Jahre 2023 und 2024 belaufen sich die Einnahmeerwartungen bei den Steuern auf rund 4,5 Milliarden Euro bzw. 4,7 Milliarden Euro. Im Zeitraum von 2022 bis 2024 belaufen sich die Mehreinnahmen der Kommunen auf insgesamt rund 400 Millionen Euro.

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