Mit Steuern steuert man in der Politik nicht nur. Mit Steuern macht man Klientelpolitik. Denn wenn man mit neoliberalen Steuersenkungsideen dafür sorgt, dass den öffentlichen Haushalten immer weniger Geld zur Verfügung steht, lähmt man natürlich alle Versuche, das Land zu modernisieren.

Und während Bundesfinanzminister Christian Lindner bei der Steuersenkung 2022 unter dem – falsch verwendeten – Slogan vom „Inflationsausgleich“ die Einnahmen drastisch senkte, fehlt bei ihm jede Idee, wie man die neuen Herausforderungen finanzieren soll.

Da sagt er dann immer nur „Nein“, verweist auf die Schuldenbremse und verschweigt lächelnd, dass die Schuldenbremse erst dadurch zum Problem wird, weil durch Steuererleichterung die nötigen Einnahmen fehlen.

Und so belehrt der Finanzminister die Koalitionspartner immer nur, all ihre Vorhaben seien nicht finanzierbar. Zu klären, wie man sie aber finanzieren könnte, wäre eigentlich die Aufgabe, die er lösen muss.

Der Finanzminister liefert nicht

Da ist aber nichts zu sehen, stellt Dr. Paula Piechotta, Grünen-Abgeordnete aus Leipzig und Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages, fest.

„Deutschland braucht einen belastbaren Haushalt und der Finanzminister muss endlich einen Entwurf vorlegen“, sagt Piechotta. „Angesichts der riesigen Aufgaben von bröckelnden Brücken und Digitalisierung bis zum Ausbau der Erneuerbaren Energien kann man nicht einfach nur sparen, sondern muss stattdessen an die unnötigen Milliarden klimaschädlicher Subventionen ran.“

FDP und CDU sind im Fall solider Staatsfinanzen Brüder im Geiste. Sie interessiert nicht, wie man die Staatseinnahmen stabilisieren kann, sondern nur, wie man spart und künstlich geschaffene Schuldenbremsen einhält.

So meldet sich jetzt auch die sächsische CDU zur aktuellen Steuerschätzung zu Wort, die Sachsen in den beiden Jahren 2023 und 2024 Mindereinnahmen von 617 Millionen Euro beschert.

CDU: Verantwortungsvolle Finanzpolitik!

„Wichtig sind jetzt eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik und solide Finanzen“, mahnt postwendend die CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag.

„Wir sind uns als CDU der Herausforderungen bewusst, die sich aus den sinkenden Steuereinnahmen ergeben. Wir müssen in dieser Situation unser Augenmerk verstärkt auf eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik, solide Finanzen und klare Prioritäten richten“, meint der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jan Löffler. Und macht dann ziemlich deutlich, wie neoliberale Finanzpolitik funktioniert: Sie soll die politischen Partner in ihren Gestaltungsmöglichkeiten lähmen.

Mit Löfflers Worten: „Klar muss allen sein: Die Zeiten rot-grüner Träumereien und Herzensangelegenheiten sind vorbei. Sie zerplatzen an der Realität der Steuereinnahmen. Da hilft auch kein reflexartiges Aufheulen und Einfordern neuer Schulden, denn diese gehen zulasten künftiger Generationen. Sachsen muss sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren: gute Bildung, stabile Sicherheit und geeignete Voraussetzungen für die Wirtschaft.“

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Häme hier über die politischen Projekte der Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen und SPD gesprochen wird. Dass die „Realität der Steuereinnahmen“ eine politisch gewollte ist und mit unerwarteten Naturereignissen nichts zu tun hat, blendet Löffler einfach aus.

Denn ihm ist sehr wohl bewusst, dass es vor allem die Projekte der Koalitionspartner sein werden, die der von der CDU gestellte Finanzminister stoppen wird, falls er eine Haushaltssperre verhängen sollte.

„Eine Lockerung des Neuverschuldungsverbotes würde das nachhaltige Wachstum und die finanzielle Stabilität Sachsens gefährden“, meint Löffler noch. „Besonders die derzeit steigenden Zinsen machen Kredite zu einer unkalkulierbaren Belastung, wie es derzeit beim Bund zu sehen ist. Es ist nicht die Zeit für Experimente, sondern für nachhaltige und verantwortungsbewusste Finanzpolitik. Wir lassen uns nicht von kurzfristigen Einnahmeschwankungen von unserem Kurs abbringen.“

Von welchem Kurs, darf man da fragen?

Und fragen sich natürlich auch die Koalitionspartner.

SPD: So ergibt die Schuldenbremse keinen Sinn

„Für Sachsen bedeutet das, dass in diesem und im nächsten Jahr jeweils ein dreistelliger Millionenbetrag an Steuereinnahmen fehlen wird“, gesteht der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Dirk Panter, zu. „Solche Einnahmeschwankungen sind leider keine Ausnahme. Eine kluge Finanzpolitik ist darauf vorbereitet und weiß damit umzugehen, ohne bei Bildung, Sozialem und Zukunftsinvestitionen zu kürzen.“

Aber von der starren Schuldenbremse, die der Sächsische Landtag 2013 beschlossen hat, hält Panter gar nichts. Denn die führt genau zu dem Effekt, den Löffler so frohlockend beschwört: Dass mitten im Haushaltsjahr auf einmal keine finanziellen Spielräume mehr bestehen.

„Sachsen braucht deshalb eine resiliente Verfassung. Die Jetzige ist das nicht: Wenn es ganz hart kommt, kommt im nächsten Jahr eine Haushaltssperre auf Sachsen zu. Das raubt der Regierung die nötige Handlungsfähigkeit, um Sachsen gut durch diese schwierige Zeit zu bringen. Das zeigt einmal mehr: Die Entscheidung der CDU, sämtliche Änderungen am Neuverschuldungsverbot zu blockieren, ist falsch“, kritisiert Panter.

„SPD und auch Bündnis 90/Die Grünen setzen sich dafür ein, dass Sachsen eine Schuldenbremse erhält, die auf Konjunkturschwankungen auch reagiert – wie im Bund und in der Mehrzahl der Länder. Die CDU sollte ihren Blockadekurs überdenken, damit die Zukunftsfähigkeit des Freistaats nicht verspielt wird.“

Grüne: So fehlt der Spielraum für dringende Investitionen

Und so sieht es auch Franziska Schubert, Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag: „Die Steuerschätzung zeigt für Sachsen ein Grundproblem in der Herangehensweise: Die wirtschaftliche Konjunktur wird nicht real bei der Einnahmeprognose mit abgebildet und dadurch drohen falsche Schlussfolgerungen.

Bislang werden die vergangenen vier Jahre herangezogen. Als Bündnisgrüne finden wir den Blick um zwei Jahre zurück und zwei Jahre voraus deutlich sinnvoller. Insbesondere in der Vorausschau auf 2025/26 wird jetzt nochmal überdeutlich, wie notwendig eine Anpassung der sächsischen Regelung zur Schuldenbremse unter Einbeziehung von Prognosen, Haushaltsausgleichsrücklage und Kommunalfinanzen ist und bleibt.“

Dass Sachsen massive Defizite bei Infrastrukturinvestitionen hat, merkt sie natürlich auch an: „Die Anpassung würde mehr Transparenz bedeuten und solidere Grundlagen für die Haushaltsaufstellung liefern. Es gibt viel zu tun und dafür müssen wir handlungsfähig sein. Es braucht Investitionen in unsere Wirtschaft, in Infrastrukturen für gutes Leben in Stadt und Land sowie in Bildung.“

Aber wie wirken sich eigentlich die großen Steuerentlastungen aus, die der Bundesfinanzminister 2022 ins Rollen brachte? Das Geld löst sich ja nicht einfach in Luft auf, auch wenn es möglicherweise wieder in Fonds und Finanzanlagen landet, wo es der Gesellschaft nicht die Bohne nützt.

„Ein großer Teil der geringeren Einnahmen geht auf die Steuerentlastungen zurück, welche die Bundesregierung im vergangenen Jahr beschlossen hatte. Diese führen jährlich zu Mindereinnahmen von über 30 Milliarden Euro“, betont Schubert. „Im vergangenen Herbst war das noch nicht mit eingerechnet worden. Da gleichzeitig die Konjunktur aber besser läuft als gedacht und die Einnahmen steigen, bringt die Steuerschätzung für den Bundeshaushalt 2024 sogar ein Plus von 2,8 Milliarden Euro.“

Und das ist einmal nur die Mai-Steuerschätzung, die in der Regel deutlich unter der November-Schätzung liegt. Was Sachsens Finanzminister jetzt vorgelegt hat, ist ganz bestimmt noch nicht das letzte Wort.

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