Im Protestieren und Blockieren sind sie schnell, unsere Bauern, Logistiker und Handwerker. Und in Forderungen nach einem Rücktritt der Ampel sind sie noch schneller. Ihr Bild von Politik ist denkbar simpel. Was nur zu verständlich ist, denn so ist eben leider auch die Berichterstattung geworden. Immer seltener wird erklärt, wer eigentlich wofür verantwortlich ist. Und schon gar nicht, warum ein ungerechtes Steuersystem dazu führt, dass Regierungen handlungsunfähig werden. Ein Thema, mit dem sich jetzt auch das IWH beschäftigt hat.

Denn die so plötzlich übers Volk ausgeschütteten Kürzungen Ende 2023 haben ja eine Ursache. Nicht nur in den 60 Milliarden Euro, die die aktuelle Bundesregierung umgewidmet hatte aus dem Coronabewältigungsfonds in die dringend nötigen Klimaschutzinvestitionen. Eine Umwidmung, gegen die die CDU vor dem Bundesverfassungsgericht klagte – und Recht bekam.

Also alles rechtens? Der Ampel-Regierung das Schuldenmachen quasi aus guten Gründen untersagt?

Eben das nicht. Denn das Geld fehlt zuallererst für Investitionen, um das deutsche Klimaschutzgesetz umzusetzen. Wenn nicht investiert wird, bleibt die deutsche Energieerzeugung dreckig und klimaschädlich.

Wenn die Steuereinnahmen nicht reichen

Das Klimaschutzgesetz sieht unter anderem vor, dass die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis zum Jahr 2030 um 65 % gegenüber dem Jahr 1990 verringert werden. Die für dieses Ziel erforderlichen grünen Investitionen dürften jährlich etwa 2,5 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt ausmachen, stellt das Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) Halle jetzt in einer Untersuchung fest.

Und das hat Folgen.

„Die damit verbundenen zusätzlichen staatlichen Ausgaben für öffentliche Investitionen und Fördermaßnahmen werden nach der mittelfristigen Projektion des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) nicht aus dem zu erwartenden Steueraufkommen finanzierbar sein“, stellt das IWH fest.

Und vermutet: „Daher ist damit zu rechnen, dass die steuerliche Belastung der Haushalte zunehmen und der private Konsum entsprechend gedämpft wird, sofern an der gegenwärtigen Form der Schuldenbremse und den Treibhausgasminderungszielen gleichzeitig festgehalten wird.“

Die Schuldenbremse ist das Lieblingskind des aktuellen Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP). Lieber ordnet er Kürzungen in allen Haushaltsbereichen an, statt auf das Drängen der Koalitionspartner, die Schuldenbremse zu lösen, einzugehen.

Die ehrlichere Variante ist eigentlich, das deutsche Steuersystem zu reformieren und vor allem hohe Einkommen und große Vermögen wieder stärker zu besteuern und damit wieder stärker an der Finanzierung des Landes zu beteiligen. Das rasante Wachstum der großen Vermögen in Deutschland ist ja das direkte Resultat von gesenkten Spitzensteuersätzen und vermiedenen Vermögenssteuern.

Oder um die Hilfsorganisation Oxfam zu zitieren: „In Deutschland sahnen die Reichsten besonders ab: Oxfam hat berechnet, dass von dem gesamten Vermögenszuwachs, der zwischen 2020 und 2021 in Deutschland erwirtschaftet wurde, 81 Prozent an das reichste Prozent gingen, während die restlichen 99 Prozent der Bevölkerung nur 19 Prozent des Vermögenszuwachses erhielten.“

Von Steuersenkungen profitieren vor allem die Reichen

Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland, kommentierte das im vergangenen Jahr so: „Während Millionen Menschen nicht wissen, wie sie Lebensmittel und Energie bezahlen sollen, bringen die Krisen unserer Zeit gigantische Vermögenszuwächse für Milliardär/-innen. Jahrzehntelange Steuersenkungen für die Reichsten und Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit haben die Ungleichheit verschärft und dazu geführt, dass die Ärmsten in vielen Ländern höhere Steuersätze zahlen als Milliardär/-innen. Unser Bericht zeigt erneut: Dass von Steuersenkung für die Reichsten alle profitieren, ist ein Mythos. Konzerne und ihre superreichen Haupteigentümer/-innen müssen endlich ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten.“

Doch was passiert, wenn der Staat nicht genug Geld in die Transformation des Landes steckt?

„Soll die im deutschen Klimaschutzgesetz geforderte Reduktion der Treibhausgas-Emissionen erreicht werden, ist mit weitreichenden Konsequenzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die öffentlichen Finanzen zu rechnen. Mit Hilfe eines makro-ökonomischen Modells kann gezeigt werden, welche Konsequenzen jährliche Investitionen in der Größenordnung von 2,5 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt hätten“, geht das IWH auf die logischen ökonomischen Folgen irgendwie doch noch finanzierter Klimainvestitionen ein.

Als Vergleichsmaßstab hat das IWH ein Szenario genommen, in dem es zu keinen weiteren Klimaschutzmaßnahmen kommt, die über den bisherigen Trend hinausgehen und in dem die Klimaschutzziele verfehlt werden. In diesem Fall nimmt das Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2030 um 0,75 % pro Jahr und damit etwas schwächer als in den vergangenen Jahren zu, meint das Institut.

Um die Treibhausgasminderungsziele tatsächlich zu erreichen, müsse die Nutzung fossiler Energieträger stärker abnehmen, als sich bislang abzeichnet. Dies könne grundsätzlich über einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien kompensiert werden.

Wer soll die Klimainvestitionen am Ende bezahlen?

„Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Geschwindigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien verdoppelt, wächst das Bruttoinlandsprodukt mit jährlich knapp 0,5 % langsamer als im Szenario ohne weitere Klimaschutzmaßnahmen“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH.

Aber die Grundannahmen des IWH haben selbst ihre Problemstellen. Das geht schon mit der ersten Grundannahme los:

„Zur Abschätzung der Effekte auf den privaten Konsum wird angenommen, dass der Anstieg der von den Privaten getragenen Kosten der grünen Investitionen zulasten der übrigen privaten Investitionstätigkeit geht, dass der Staat über Subventionierung privater und Ausweitung öffentlicher Investitionen zwei Drittel der gesamten Investitionskosten trägt, und dass er, um die Schuldenbremse einzuhalten, die Besteuerung der privaten Haushalte entsprechend erhöht.“

Wobei man hier merkt, dass die Frage, wer eigentlich mit höheren Steuern konfrontiert werden soll, hier ausgeklammert ist. Es macht einen riesigen Unterschied, ob die eh schon Wohlhabenden wieder stärker an der Staatsfinanzierung beteiligt werden, oder ob die Steuerlast wieder auf die Schultern der Wenigverdienenden umverteilt wird, wie das in den vergangenen Jahren (Stichwort: Mehrwertsteuer) immer wieder der Fall war. Dann ist ein Rückgang des Konsums natürlich zwangsläufig, denn dann haben zuerst diejenigen weniger Geld in der Börse, die eh schon knapp über die Runden kommen.

Man sieht: Eigentlich ist die Hochrechnung des IWH eine mathematische Kritik am falschen Finanzdenken des deutschen Finanzministers, der wie närrisch an der Schuldenbremse als Allheilmittel für gesunde Staatsfinanzen festhält und Vermögenssteuern für des Teufels hält.

Wer bezahlt also?

Das Ergebnis: „In diesem Fall gehen die höheren Investitionen zulasten des privaten Konsums, der je Einwohner stagniert, statt wie im Szenario ohne Einhaltung der Klimaziele um jährlich 0,2 % zu steigen. Die Staatseinnahmenquote steigt in diesem Fall von 47 % im Jahr 2022 auf knapp 51 % im Jahr 2030 statt auf 49 % im Szenario ohne weitere Maßnahmen. Weniger belastet würde der private Konsum bei einer Finanzierung der Investitionen über öffentliche Defizite. Insoweit ausländische Kapitalanleger in die aufgelegten Staatstitel investierten, würde der hohe deutsche Leistungsbilanzüberschuss ein Stück weit zurückgehen. In der Folgezeit wären freilich höhere staatliche Zinsausgaben fällig.“

Und der schmutzige Fall? – „Werden keine zusätzlichen Investitionen vorgenommen und die Klimaziele über eine Beschränkung des Einsatzes fossiler Energieträger trotzdem eingehalten, stagniert das Bruttoinlandsprodukt, und der private Konsum geht leicht zurück“, fasst das IWH zusammen. Womit es eigentlich den aktuellen Zustand beschreibt, der vor allem Gering- und Normalverdiener belastet.

Denn gleichzeitig sorgen die gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreise für rasant steigende Gewinne bei den Superreichen, wie Oxfam schon 2023 feststellte. Das Geld fließt also in völlig unproduktive Anlagen und Vermögen, deren Inhaber nicht einmal daran denken, daraus den Umbau des Landes hin zur Klimaneutralität zu finanzieren. Nirgendwo ist Geld weniger produktiv.

Und gleichzeitig legt der Staat auch noch Sparprogramme auf, um die völlig sinnlose Schuldenbremse einzuhalten, die nur einer Klientel wirklich nützt: der der Reichen und Superreichen.

Womit auch die eigentliche Botschaft der kleinen IWH-Studie etwas fragwürdig wird. Denn sie suggeriert ja, dass Investitionen in Klimaschutz das Bruttoinlandsprodukt senken. Was aber eben nur der Fall ist, wenn man diese Maßnahmen auf Kosten des Konsums finanziert – und nicht mit einer fairen Steuerreform.

Ganz zu schweigen davon, dass Investitionen in Klimaschutz ebenfalls zum BIP beitragen, ganz egal, ob es da um Wasserstoffnetze, Windräder, Erdwärmeheizungen oder Gebäudedämmung geht. Eine kompakte Investition in Klimaschutz würde das BIP sogar deutlicher steigern als das verbissene Festhalten an – scheinbar noch billigen – fossilen Brennstoffen.

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Es gibt 3 Kommentare

Nichts, lieber Autor, wird im ggw. Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zuungunsten Reicher und Superreicher erfolgen. Alles wird man den – vergleichsweisen oder vollkommenen – Habenichtsen aufhalsen, also jegliche Transformation wohin auch immer, oder halt auch das Verharren bei was auch immer. Und daß die Schuldenbremse von 2009 richtiggehend perfide ist, sollte tatsächlich mehr Allgemeingut werden. Ich dazu möchte einen aktuellen Text von Heiner Flassbeck und Friederike Spieker empfehlen: https://www.relevante-oekonomik.com/2024/01/11/konjunktur-auf-rezessionskurs-preise-auf-deflationskurs Besonders gefällt mir die darin geäußerte Unverstandsvermutung: “Lindners Fokus auf die Vermeidung von Steuererhöhungen beim Versuch, die Schuldenbremse einzuhalten, ist nur der Tatsache geschuldet, dass er die negative Wirkung von Ausgabenkürzungen auf seine Klientel, die Unternehmen nämlich, nicht durchschaut.”

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