Die Leipziger Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenrate ist weiterhin niedrig. Und über Steuereinnahmen kann sich Leipzigs Bürgermeister für Finanzen, Torsten Bonew, auch nicht beklagen. Mit 751 Millionen Euro hatte Leipzig da 2022 einen neuen Spitzenwert erreicht. Und 2023 geht es munter so weiter. Und trotzdem droht Leipzig in eine Situation hineinzulaufen, in der Bonew rigide Sparmaßnahme ergreifen muss. Das war auch am 18. Oktober Thema in der Ratsversammlung.

Da ging es eigentlich nur um eine Informationsvorlage mit dem sperrigen Titel „Wesentliche Auflagen und Schlussfolgerungen aus dem Bescheid der Landesdirektion Sachsen vom 18.07.2023 zur Genehmigung der Haushaltssatzungen 2023 und 2024.“ Also eine Art Zwischenbericht, wie Leipzigs Finanzbürgermeister über die Auflagen der Landesdirektion berichtet hat, die diese zum Doppelhaushalt 2023/2024 verhängt hat.

Ein Haushalt, den Leipzig schon mit Fehlbeträgen beschlossen hatte: 18,7 Millionen Euro für 2023 und 12,5 Millionen Euro für 2024. Und das, nachdem schon 2022 mit einem Minus von 60 Millionen Euro abgeschlossen wurde.

Lebt Leipzig über seine Verhältnisse?

Ganz bestimmt nicht. Es leidet – wie mittlerweile alle sächsischen Kommunen – unter einer völlig unzureichenden Finanzausstattung durch Bund und Land. Immer mehr Pflichtaufgaben werden den Kommunen übergestülpt – doch statt sie auch auszufinanzieren, veranstalten Bund und Land Sparprogramme.

Einen Punkt, wo die Kommunen diese Sparprogramme massiv zu spüren bekommen, nannte am 18. Oktober auch Bürgermeister Torsten Bonew – das ist nämlich die Asylunterbringung. Just das Thema, wo deutsche Politiker aktuell lieber jeden Tag neue Forderungen zu Abschiebungen, Grenzkontrollen und einer Abschottung Deutschlands erheben, statt die Finanzierung der Unterbringung auskömmlich zu gestalten.

Oder so formuliert: Sie tragen ihre politischen Wahlkämpfe nicht nur auf dem Rücken der Asylsuchenden aus, sondern auch auf dem der Kommunen.

Kosten der Krise

Und Torsten Bonew wies zurecht darauf hin, dass Asylunterbringung nicht zur infrastrukturellen Grundversorgung Kommunen der Kommunen gehört. Aber sie ist trotzdem eine Pflichtaufgabe und müsste von Bund und Land komplett finanziert werden. Kommunen wären trotzdem falsch beraten, wenn sie die asylsuchenden Menschen nicht menschenwürdig unterbringen.

Nur dummerweise bleiben sie großenteils auf den Kosten sitzen. So wie auch 2022, als Tausende vor dem Krieg geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer auch nach Sachsen kamen. Den Mehraufwand konnte Leipzig nicht ausgleichen. Was dann zum Jahresfehlbetrag beitrug. Und sich auch ins neue Jahr schleppt, denn die Fluchtbewegungen flauen weltweit nicht ab.

Immer mehr Menschen sind auf der Flucht vor Krieg und Bürgerkrieg. Und das Lamento darum, dass Deutschland keine weiteren Menschen aufnehmen könnte, hat mit einer Realität nichts mehr zu tun, in der immer mehr Menschen um Asyl nachsuchen.

Aber die kurze Diskussion am 18. Oktober machte dann deutlich, dass Leipzig da steht wie Hänschen, dem der große Hans nun Monat für Monat auf die Finger guckt und jeden ausgegebenen Cent kontrolliert. Denn zu den Auflagen, welche die Landesdirektion zum Doppelhaushalt mitgegeben hat, gehört auch die Auflage, dass Leipzig eigentlich keine Kredite für Projekte aufnehmen darf, die nicht zur infrastrukturellen Grundversorgung gehören.

Schulen, Straßen und Brücken gehören dazu.

Kultureinrichtungen und Wohnungsbau nicht. Darauf wies Linke-Stadtrat Sören Pellmann hin, der an diesem Tag für den eigentlichen finanzpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Steffen Wehmann, sprach.

Und Asylunterbringung eben auch nicht, wie dann Torsten Bonew ergänzte, was aus seinem Mund schon so etwas wie eine fundierte Kritik an der scheinheiligen Finanzpolitik des Freistaats Sachsen ist, der die Asylunterbringung nicht auskömmlich finanziert, die Kommunen aber mit Kontrollen und Sparauflagen überzieht, damit sie ja keine neuen Kredite aufnehmen.

Die sächsische Kommunalmisere

Das ist das auf kommunaler Ebene umgesetzte Neuverschuldungsverbot, das sich der Landtag in die Sächsische Verfassung geschrieben hat. Und das sich gerade in Krisenzeiten als völlig ungeeignetes Mittel erweist, schnell und sinnvoll reagieren zu können. Man hat das an der sächsischen Corona-Politik gesehen. Man sieht es am Geeier um die sächsische Kommunalfinanzierung.

Stattdessen begegnet der Freistaat in Vertretung durch die Landesdirektion den Kommunen mit geballtem Misstrauen, dass sie nicht fähig wären, mit Geld ordentlich umzugehen.

„Die Genehmigung des Gesamtbetrages der Kreditaufnahmen für das Haushaltsjahr 2024 ergeht unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Stadt Leipzig gegenüber der Landesdirektion Sachsen nachweist, dass die für 2023 vorgesehenen Kreditaufnahmen vollständig in Anspruch genommen wurden und der nötige Schuldendienst für die erfolgten bzw. geplanten Kreditaufnahmen im Finanzplanungszeitraum gewährleistet werden kann“, beschreibt die Informationsvorlage die zentrale Auflage durch die Landesdirektion.

Und es ist kein Licht am Horizont zu sehen, wie Pellmann beiläufig anmerkte: Bis 2027 wird für Leipzig – trotz stabiler Steuereinnahmen – eine „problematische Haushaltssituation“ prognostiziert.

Kürzungshaushalte drohen

Und das geht dann wohl mit dem nächsten Doppelhaushalt 2025/2026 nicht mehr ohne heftige finanzielle Einschnitte ab, wie die Landesdirektion schon mal andeutete: „Die Stadt Leipzig hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Haushaltsausgleich im Finanzplanungszeitraum vorliegen und die Zahlungsfähigkeit ab 2025 sichergestellt werden kann.

Hierfür sind eigenverantwortlich geeignete Konsolidierungsmaßnahmen zu prüfen und zu ergreifen. Kann ein Haushaltsausgleich ab dem Haushaltsjahr 2025 nicht dargestellt werden, wird die Stadt Leipzig mit der Erstellung der nächsten Haushaltssatzung ein Haushaltsstrukturkonzept vorzulegen haben.“

Oder mit Bonews Worten: „Die Mittelfristplanung ist hart auf Kante genäht.“

Und Leipzig sollte schon bei der Planung des nächsten Haushalts verhindern, in die Falle hineinzulaufen, eben Projekte mit Krediten zu finanzieren, die nicht zur infrastrukturellen Grundversorgung gehören.

Wenn das nun aber die Kultur betrifft, so Pellmann, „haben wir ein Problem“.

Oder um die Worte des Finanzdezernats zu zitieren: „Durch die Landesdirektion wurde eindeutig klargestellt, dass eine Priorisierung aller investiver Ansätze auf Basis der Zuordnung zu Maßnahmen der infrastrukturellen Grundversorgung zu erfolgen hat. Dadurch ist eine differenziertere Abschichtung der Einzelmaßnahmen erforderlich, da die Zuordnung zur Grundversorgung an zahlreiche Bedingungen geknüpft ist und kommunale Pflichtaufgaben nicht pauschal mit der infrastrukturellen Grundversorgung gleichzusetzen ist.“

Da ist jetzt schon absehbar, dass sich die finanziellen Spielräume für Leipzig mit dem nächsten Doppelhaushalt noch weiter verknappen. Und obwohl die Stadt seit fast 20 Jahren mit allen Kräften gespart hat und das oft auch an Stellen, an denen es völlig kontraproduktiv war, steht Leipzig jetzt da wie ein armer Schlucker, der über seine Verhältnisse gelebt hat. Und dem ab 2025 droht, keine genehmigungsfähigen Haushalte mehr aufstellen zu können.

Der einzige Trost: Den anderen Kommunen in Sachsen geht es genauso. Und wenn die 2024 neu gewählte Staatsregierung die Kommunalfinanzierung nicht endlich auf neue, verlässliche Fundamente stellt, wird sich das Problem immer weiter verschärfen.

Aktuell droht Leipzig für 2023 ein Minus am Jahresende von 53 Millionen Euro.

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Finanzbürgermeister Bonew, lieber Autor, scheint ein vernünftiger Mann zu sein, der die Diskrepanz des mit CDU-Beteiligung Zustandekommenen Neuverschuldungsverbots und der den Kommunen zugemuteten Zusatzaufgaben sieht. Damit sind die Kommunen in der Zange. Bonew, mit dem ich vor einigen Monaten angenehm plaudern konnte, sieht die Malaise, wie Pellmann auch. Was können beide – mit welchen Verbündeten auch immer – ausrichten?

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