Leipzig spart und knausert. Auch weil eine gestrenge Landesdirektion über jeden Haushaltsplan wacht und bei jeder Genehmigung mahnt und warnt vor Ausgaben, die den scheinbar klammen Haushalt sprengen würden. Und diese Stimmung dominiert dann in der Regel bis zur nächsten Haushaltsdebatte, auch wenn der Finanzbürgermeister zwischendurch Bilanzen vorlegt, die etwas völlig anderes erzählen.

So geschehen ist das jetzt gleich für zwei Haushaltsjahre, in denen alle damit gerechnet haben, dass Leipzig richtig Minus einfährt – Stichwort: Corona-Jahre. In der Haushaltsdebatte wurde ja gar gemutmaßt, die Verschuldung der Stadt würde regelrecht explodieren und den Schuldenstand auf über 1 Milliarde Euro treiben.

Nichts davon ist eingetreten. Auch weil Leipzig streng gewirtschaftet und sich eben nichts geleistet hat, was man so landläufig als Luxus betrachten könnte. Tatsächlich sind die finanziellen Spielräume der Messestadt viel größer, als es die straff gerechneten Doppelhaushalte vermuten lassen.

Arme graue Maus

Das ist auch ein Politikum, denn genau diese Stimmung, Leipzig würde knausern müssen, nutzen im Stadtrat ja vor allem die konservativen Fraktionen, um den Fraktionen von SPD, Linken und Grünen immerfort zu große Geldausgaben vorzuwerfen. Oder dann vorwurfsvoll auf die scheinbar opulenten Steuerzahlungen der beiden großen Autokonzerne zu verweisen, die scheinbar Leipzig im letzten Jahr mal wieder vor der Verschuldung gerettet haben.

Aber auch diese Argumente sind nicht haltbar.

Das macht jetzt ein neuer Jahresabschluss des Finanzbürgermeisters deutlich – der nunmehr festgestellte Jahresabschluss der Stadt Leipzig zum 31. Dezember 2020. Richtig gelesen: 2020, das erste Corona-Jahr. So lange dauert es, bis Leipzig tatsächlich einen festgestellten Jahresabschluss bekommt – volle zwei Jahre. Vorher gibt es nur einen informierenden „vorläufigen Jahresabschluss“, der aber schon ahnen lässt, was am Ende tatsächlich unterm Strich stehen wird.

Das endgültige Jahresergebnis für Leipzig Anno 2020. Grafik: Stadt Leipzig
Das endgültige Jahresergebnis für Leipzig 2020. Grafik: Stadt Leipzig

Oder mehrere. Denn je mehr Abrechnungen im Finanzdezernat geprüft und verbucht sind, umso konkreter wird die Zahl. Ein Vierteljahr nach Jahresende gibt es in der Regel den ersten vorläufigen Jahresabschluss, ein Jahr später einen, der dann schon wesentlich belastbarer ist.

Der festgestellte Jahresabschluss für Leipzig 2020.

Aber gleich fürs Erste kann man sagen: Die Corona-Jahre wurden für Leipzig ganz und gar nicht die Schuldentour, die nach den ersten Einschränkungen im Frühjahr 2020 eine Menge Leute befürchtet haben. Auch weil es von Bund und Land wichtige Ausgleichszahlungen gab, die vor allem die Mehrkosten kompensierten.

Im Ergebnis hat Leipzig 2,015 Milliarden Euro eingenommen und 1,96 Milliarden Euro ausgegeben. Dazu kam noch ein Plus aus außerordentlichen Erträgen von 112 Millionen Euro, sodass die Messestadt das Krisenjahr 2020 mit einem Gesamtergebnis von 163 Millionen Euro abgeschlossen hat.

Auch 2021 im Plus

Und für das zweite Corona-Jahr 2021 deutet sich etwas Ähnliches an. Hier hat das Finanzdezernat zumindest schon einmal einen vorläufigen Abschluss dieser Art gemeldet: „Mit dem ‚Vorläufigen Jahresabschluss 2021‘ informiert das Dezernat Finanzen über die Haushaltssituation der Stadt Leipzig zum Stichtag 31.12.2021. Nach aktueller Hochrechnung wird eingeschätzt, dass für 2021 im Ergebnishaushalt ein Überschuss in Höhe von 144,7 Mio. EUR und im Finanzhaushalt ein Überschuss in Höhe von 9,5 Mio. EUR zu erwarten ist.“

Vorgelegt hat das Finanzdezernat jetzt auch den ersten, noch sehr vorläufigen Jahresabschluss für 2022. Aber dazu drückt sich das Dezernat noch sehr vage aus: „Mit dem ‚Vorläufigen Jahresabschluss 2022‘ informiert das Dezernat Finanzen über die Haushaltssituation der Stadt Leipzig zum Stichtag 31.12.2022. Nach aktueller Hochrechnung wird eingeschätzt, dass für 2022 im Ergebnishaushalt ein Defizit in Höhe von 99,3 Mio. EUR und im Finanzhaushalt ein Defizit in Höhe von 61,1 Mio. EUR zu erwarten ist.“

Der erste vorläufige Jahresabschluss für Leipzig 2022.

In der vorläufigen Ergebnisrechnung ist dieses Defizit freilich nicht sichtbar, denn in den 99 Millionen Euro stecken lauter Posten, die das Dezernat noch erwartet und nur vage schätzen kann.

Real verzeichnet der Ergebnishaushalt erst ein Minus von 5 Millionen Euro – Leipzig hat 2,129 Milliarden Euro eingenommen und 2,134 Milliarden Euro ausgegeben.

Geplant war das Jahr durch den Haushaltsbeschluss des Stadtrates mit einem Minus von 106 Millionen Euro. Da noch etliche Rechnungen ausstehen, rechnet das Finanzdezernat mit 99 Millionen Euro Minus am Ende.

Aber darin stecken auch Rückstellungen in Höhe von 95 Millionen Euro und möglicherweise höhere Personalaufwendungen in Höhe von 33 Millionen Euro. Was dann wirklich zu Buche schlägt, wird erst die nächste vorläufige Jahresabrechnung für 2022 zeigen.

Bislang wirkt sich das alles auch kaum auf den Schuldenstand der Stadt aus, denn der erhöht sich erst einmal nur um 3,3 Millionen Euro – von 461,5 auf 464,8 Millionen Euro. Da die Einwohnerzahl 2022 aber um 15.000 Menschen stieg, hat sich die Pro-Kopf-Verschuldung sogar von 767 auf 758 Euro verringert.

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