Im Nachgang der Proteste gegen Europas größten Neonazi-Aufmarsch 2010 und 2011 sorgten Ermittlungen gegen Abgeordnete für Aufsehen. Die Politiker hatten sich an friedlichen Sitzblockaden beteiligt. Insgesamt ermittelte die Dresdner Staatsanwaltschaft gegen 12 Berufspolitiker. Unter ihnen zwei Bundestagsabgeordnete.

Am 31. Januar tagte in Berlin der Immunitätsausschuss. Auf der Tagesordnung: Die Aufhebung der Immunität der Linken-Abgeordneten Caren Lay und Michael Leutert. Am 19. Februar 2011 sollen sich die Politiker an einer Blockade beteiligt haben. “Es besteht das Angebot, die Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen”, ließ Oberstaatsanwalt Lorenz Haase wissen.

Der Immunitätsausschuss sprach sich für den Antrag der Staatsanwaltschaft aus. Nur die beiden Mitglieder der Linkspartei stimmten dagegen. “Wir prüfen im Immunitätsausschuss lediglich, ob die Ermittlungen auf die Einschränkung der Freiheit des Mandats abzielen”, erläutert der Grünen-Abgeordnete Volker Beck die Entscheidung, die unter sächsischen Neonazi-Gegnern für reichlich Kopfschütteln sorgte. Im Fall Dresden war zunächst nicht ersichtlich, ob sich die Ermittlungen nur gegen Abgeordnete richten würden.
Die Koalitionspolitiker wollten die Immunität aufheben, die Vertreter der Opposition anfangs nicht. Auf ihr Bitten hin seien die Abstimmung verschoben und die Dresdner Staatsanwaltschaft um weitere Auskünfte gebeten worden. “Die Staatsanwaltschaft”, so Beck, “teilte uns mit, dass sich ihre Ermittlungen nicht nur gegen die beiden Abgeordneten, sondern gegen 200 Bürgerinnen und Bürger richten, die sich an der Blockade beteiligt haben sollen.”

Nicht nur Leutert und Lay könnten demnächst vor Gericht gestellt werden. Der Sächsische Landtag hob Mitte Januar die Immunität von Johannes Lichdi (Bündnis 90/Grüne) auf. Allerdings mit dessen ausdrücklicher Zustimmung. “Ich habe weder die Mitglieder meiner Fraktion noch die Mitglieder des Immunitätsausschusses gebeten, in einer bestimmten Weise zu entscheiden”, so der Abgeordnete. Dies sei in eigener Sache nicht angebracht. “Ich möchte mich auch nicht dem Vorwurf aussetzen, dass ich mich als Mitglied des Landtags für ein Verhalten von Strafverfolgung freistellen wollte, dem sich über 351 engagierte Bürgerinnen und Bürger seit zwei Jahren stellen mussten und müssen.”

Im Zusammenhang mit den Protesten am 19. Ferbuar 2011 ermittelte die Dresdner Staatsanwaltschaft insgesamt gegen 11 Abgeordnete. Deren Name möchte Haase nicht verraten. Aus Gründen des Datenschutzes. “Fünf Verfahren wurden gegen Zahlung von Geldauflagen eingestellt”, resümiert der Oberstaatsanwalt. Eines wurde ohne Auflagen eingestellt. “Wegen 2011 ist die Immunität des Abgeordneten Falk Neubert aufgehoben”, berichtet Marcel Braumann, Sprecher der sächsischen Linksfraktion. “Bezüglich Klaus Bartl ist dies noch nicht geschehen. Das Verfahren läuft noch.”

Vergangenen November war nach mehrtägiger Gerichtsverhandlung ein Verfahren gegen André Hahn (Die Linke) eingestellt worden. Ihm warfen die Ermittler vor, am 13. Ferbuar 2010 Neonazis blockiert zu haben. Zum Zeitpunkt der rechten Demonstration befand sich der damalige Fraktionsvorsitzende allerdings weitab vom Geschehen. Er beteiligte sich gemeinsam mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) an der symbolischen Menschenkette um die Dresdner Altstadt. Gegen den Regierungschef wurde übrigens kein Verfahren eröffnet.

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