Am 19. Februar 2011 demonstrierten zehntausende Menschen in Dresden gegen den Missbrauch des Gedenkens durch die Nazis. Die sächsischen Strafverfolgungsbehörden führten dabei in der Dresdner Südvorstadt eine flächendeckende "nichtindividualisierte Funkzellenabfrage" durch. Bei diesem als "Handygate" bekannt gewordenen Datensammelskandal wurden hunderttausende Datensätze aus Telefongesprächen von Demonstranten, Anwohnern, Journalisten und Rechtsanwälten erhoben und gespeichert.

Der Landtagsabgeordnete der Linken Falk Neubert wollte dieses Vorgehen der sächsischen Behörden nicht hinnehmen und beauftragte den Dresdner Rechtsanwalt André Schollbach damit, rechtlich gegen diese “nichtindividualisierte Funkzellenabfrage” vorzugehen. Dieser stellte bereits im Jahr 2011 beim Amtsgericht Dresden den Antrag, die “nichtindividualisierte Funkzellenabfrage” für rechtswidrig zu erklären. Das Amtsgericht Dresden befand jedoch seinen eigenen Beschluss zur Anordnung der “nichtindividualisierten Funkzellenabfrage” für rechtmäßig.

Jetzt hat das Landgericht Dresden der gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Dresden gerichteten Beschwerde stattgegeben und die “nichtindividualisierte Funkzellenabfrage” in der Dresdner Südvorstadt für rechtswidrig erklärt. Die 15. Große Strafkammer des Landgerichts Dresden hat mit Beschluss vom 17. April 2013, Aktenzeichen 15 Qs 34/12, der den Beteiligten am 23. April zugegangen ist, jetzt folgende Entscheidung getroffen:

“Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 25.02.2011, 270 Gs 711/11, rechtswidrig ist. Die aufgrund dieses Beschlusses erhobenen Daten sind zu löschen.Es wird festgestellt, dass die Erhebung und Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten und der Bestandsdaten des Betroffenen durch das Landeskriminalamt Sachsen auf der Grundlage der Anordnung des Amtsgerichts Dresden, erlassen mit Beschluss vom 25.02.2011 (207 Gs 711/11), rechtswidrig war.”

Dazu erklärt der Linke-Landtagsabgeordnete Falk Neubert: “Die Entscheidung des Landgerichts Dresden erfüllt uns mit Freude, weil sie unsere Auffassung vom Schutz der Demonstrationsfreiheit bestätigt. Dieses Gerichtsurteil muss nun zu einem Umdenken der sächsischen Regierungspolitik führen, schließlich geht es bei einer ‘nichtindividualisierten Funkzellenabfrage’ nicht um belanglose polizeiliche Maßnahmen, sondern um Eingriffe in demokratische Grundrechte. Jetzt haben die Behörden unverzüglich für das Löschen aller illegal gesammelten Daten zu sorgen, da es sich hierbei um eine endgültige, unanfechtbare Entscheidung des Landgerichts Dresden handelt.”

Und der Dresdner Rechtsanwalt André Schollbach: “Ich freue mich, dass das Landgericht Dresden unserer Argumentation gefolgt ist und die extensive Datensammlung der sächsischen Behörden für rechtswidrig erklärt hat. Wir haben von Anfang an immer wieder deutlich auf die Rechtswidrigkeit von “Handygate” hingewiesen. Die sächsischen Behörden haben bei den nichtindividualisierten Funkzellenabfragen im Februar 2011 die Grundrechte zehntausender Bürgerinnen und Bürger verletzt. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurden in grober Weise missachtet.”

Der Beschluss des Amtsgericht Dresden, Aktenzeichen: 270 GS 711/11, mit dem die flächendeckende “nichtindividualisierte Funkzellenabfrage” in der Dresdner Südvorstadt für den 19. Februar 2011 angeordnet worden war, und der nun durch das Landgericht Dresden für rechtswidrig erklärt worden ist, hatte folgenden Inhalt:

“Nach § 100g Abs. 1 StPO wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden gemäß § 33 Abs. 4 StPO ohne vorherige Anhörung angeordnet, dass die Diensteanbieter unverzüglich Auskunft über sämtliche Verkehrsdaten die, soweit es sich um Funkzellen handelt, Auskunft über die Verkehrsdaten, die über die Basisstation(en) abgewickelt werden, welche d. geographischen Standort(e) funktechnisch versorgen:

nördliche Begrenzung: Fröbelstraße, 01159 Dresden
westliche Begrenzung: Tharandter Str./Altplauen, 01159 Dresden
südliche Begrenzung: Kohlenstr./Südhöhe, 01189 Dresden
östliche Begrenzung: Wienerstr./Gustav-Adolf-Platz, 01219 Dresden
für Samstag, 19.02.2011 von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr

zu erteilen haben.”

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