Es scheint schon ewig her, dass in Sachsen über den sogenannten "Sachsensumpf" diskutiert wurde - obwohl es Gerichtsprozesse gab gegen Journalisten, die zu hart nachgefragt hatten, gegen Zeuginnen, die ihre Erinnerungen nicht korrigieren wollten. Den Untersuchungsausschuss, der mit der neuen Legislaturperiode 2009 neu gegründet wurde, gibt es immer noch.

Am Mittwoch, 28. August, tagte der 2. Untersuchungsausschuss (Sachsensumpf) wieder und vernahm den ehemaligen Mitarbeiter des OK-Referates des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Herrn D. H.. Zur Erinnerung: Der Sächsische Verfassungsschutz war für die Beobachtung der kriminellen Netzwerke in Sachsen zuständig, bis der Landtag beschloss, dem Verfassungsschutz diese Arbeit zu untersagen. Im Gefolge wies der Sächsische Datenschutzbeauftragte das Landesamt für Verfassungsschutz an, die entsprechenden Akten zu vernichten. Doch damit wurden die fünf Fallkomplexe zum “Sachsensumpf” erst wirklich publik. Der Fallkomplex Leipzig war nur einer davon.

Ein Teil der Geschichte spielte in Chemnitz. Und darum ging es am Mittwoch.

“Mit der Person des Herrn D. H. hatte der Ausschuss heute erstmals einen Zeugen vernommen, der als sogenannter Beschaffer bzw. mitverantwortlicher Führer nachrichtendienstlicher Quellen in dem bislang kaum beachteten Beobachtungskomplex ‘Abseits II/Chemnitz-Westsachsen’ tätig war”, erklärt dazu Enrico Stange, Obmann der Fraktion Die Linke im Untersuchungsausschuss. “In diesem Fallkomplex ging es während der Tätigkeit des ehemaligen OK-Referats schwerpunktmäßig um die Aufklärung eines vermeintlich ok-relevanten Netzwerks aus Polizisten, Vertretern der Justiz, der öffentlichen Verwaltung, ehemaligen Stasi-Mitarbeitern und lokalen (Ex-)Wirtschaftsgrößen mit Verbindungen zu hochgradig kriminellen Strukturen im Rotlichtmilieu, im Menschenhandel und bei Kinderprostitution.”

Einige Vermutungen scheinen sich jetzt zu bestätigen, so Stange. “Die Beweisaufnahme ergab bisher starke Anhaltspunkte dafür, dass der damaligen Spitze des Landesamtes für Verfassungsschutz im Februar 2006 durch die zuständigen OK-Beobachter ein offensichtlich für die externe Auswertung gedachtes, detailliertes Material nebst Redeskript zu diesem Komplex ‘Abseits II/Chemnitz-Westsachsen’ vorgelegt wurde. Den weiteren Umgang der LfV-Hausspitze mit diesem brisanten Material und den enthaltenen Erkenntnissen, die der Legende von der ‘heißen Luft’ als Ergebnis der Arbeit des OK-Referates endgültig den Garaus machen, wird der Ausschuss nunmehr aufklären müssen. Dazu zählt unter anderem die Frage, ob schon damals die Staatsregierung Adressat des Materials mit den enthaltenen Erkenntnissen war, wofür es Indizien gibt.”

Aus der mehrstündigen Zeugenvernehmung wäre aber auch hervorzuheben, dass mit Herrn D. H. nunmehr der vierte Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden, die sich mit der Aufklärung vermeintlich krimineller und korruptiver Netzwerke in Sachsen befassten, gegenüber dem Ausschuss berichtete, dass er sich nach deren medialer und öffentlicher Thematisierung als “Sachsensumpf” einer plötzlichen und für ihn anlasslosen Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt sah, stellt Stange fest. “In der Folge stellten sich bis heute andauernde gesundheitliche Beeinträchtigungen ein und er musste eklatante berufliche Nachteile hinnehmen.

Der Zeuge wurde am Mittwoch noch nicht entlassen, da er über seinen Rechtsanwalt eine detaillierte schriftliche Darstellung der von ihm als “menschliche Sauerei” bezeichneten Handlungsweise seines Dienstherrn an den Ausschuss nachreichen wolle, so Stange. Diese werde in der kommenden Sitzung des Ausschusses am 25. September zu behandeln sein.

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